Von 1. bis 8. Oktober liegt das Frauen*Volksbegehren 2.0 zur Unterschrift auf. BRIGITTE THEIßL hat mit Projektleiterin LENA JÄGER über Rücktrittsforderungen, Symbolpolitik und aktivistische Zukunftspläne gesprochen.
an.schläge: Ihr habt Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß kürzlich zum Rücktritt aufgefordert. Wo hättet ihr euch von ihr trotz Regierungslinie mehr Engagement erwartet?
Lena Jäger: Ehrlich gesagt hätten wir uns von einer Frau, die an einer technischen Universität studiert und doziert hat, erwartet, dass sie alles versucht, um die Selbstbestimmung und Chancengleichheit von Frauen* in Österreich voranzutreiben. Das verstehen wir unter Österreich zukunftsfähig machen. Wir haben uns natürlich auch gewünscht, dass sie als Anwältin der Frauen innerhalb der Regierung auftritt.
Tatsächlich aber hat sich herausgestellt, dass Bogner-Strauß eine Bedrohung für die bisherigen Errungenschaften der Frauenbewegung darstellt. Sie liegen ihr weder am Herzen noch hat sie ihren Wert und ihre Notwendigkeit erkannt. Mich erschreckt, mit welchem Selbstverständnis sie immer von sich persönlich vollkommen unreflektiert auf alle Frauen Österreichs schließt und ernsthaft zu glauben scheint, jede könne diesen Weg gehen. Frei nach ihrem Motto: Wenn es keine staatliche Kinderbetreuung gibt, muss man halt welche zukaufen. Das ist völlig weltfremd und übertrifft unsere schlimmsten Erwartungen.
Ganz klar hätten wir von ihr mehr Engagement beim Budget erwartet. Sie hat streitlos angenommen, dass manche Ressorts wesentlich mehr Budget bekommen, während das der Frauen gekürzt wurde und weiter wird.
Selbst bei einer sehr großen Anzahl von Unterstützer_innen ist es eher unwahrscheinlich, dass die Regierung sich intensiver mit euren Forderungen auseinandersetzen wird. Schmiedet ihr schon Pläne für die Zeit danach? Soll das Frauen*Volksbegehren 2.0 eine Fixgröße in der feministischen Landschaft Österreichs werden?
Wir, die Initiator*innen, von denen ja noch immer ein großer Teil aktiv dabei ist, arbeiten zur Eintragungswoche dann zwei Jahre an diesem Projekt. Ich spüre bei manchen die Erwartungshaltung, dass wir nach der Eintragungswoche nicht von der Bildfläche verschwinden – und das werden wir auch nicht. Aber wir werden auch nicht als Gruppe so weiterarbeiten, vor allem nicht in der Intensität. Das schafft keine*r von uns.
Ich für meinen Teil werde erst einmal eine kurze Pause brauchen und mir dann aber ganz sicher überlegen, wie es mit dem, was da entstanden ist, weitergehen kann. Ich glaube, dass wir starke Bündnisse brauchen, wenn wir etwas ausrichten wollen, gerade weil unsere Forderungen mit Sicherheit nicht so umgesetzt werden, keine Einzige von ihnen.
Die Regierung sagt ja, es würde viel inhaltliche Überschneidungen geben, und die würden umgesetzt werden. Ich kann diese Überschneidungen weder mit Blick aufs Regierungsprogramm erkennen noch mit dem Gesagten. Wir werden also weiter in Opposition gehen müssen.
Aktuell gibt es aus feministischer Perspektive wenig Anlass für Optimismus: Quer durch Europa befinden sich rechte Parteien im Aufwind, die Regierung setzt auf „Arbeitszeitflexibilisierung“ statt auf die von euch geforderte Verkürzung – und hat eine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich. Wie motiviert ihr euch?
Ich war schon immer und bin ein sehr positiver Mensch, nicht in dem Sinne, dass ich denke, dass immer alles gut wird, dafür habe ich zu oft anderes erfahren. Vielmehr in dem Sinne, dass ich davon überzeugt bin, Dinge verändern zu können. Nicht alleine, aber eben gemeinsam mit anderen. Mein Glaube an die Frauenbewegung ist gewachsen. Feminismus ist für mich eine Antwort auf viele der Probleme, die wir momentan zu lösen haben.
Natürlich habe auch ich Angst, wenn ich gerade durch die Welt schaue und die Entwicklungen sehe. Aber genau dann sehe ich auch die verschiedensten Bewegungen der Frauen. In Spanien am Weltfrauentag, ebenso in der Türkei. In Amerika gegen Trump und in Polen für die Selbstbestimmungsrechte der Frauen über ihre Körper. Ich wünsche mir, dass wir auch so laut und sichtbar auftreten hier in Österreich.
Fragen von Migration und Asyl stehen aktuell europaweit im Zentrum politischer Debatten. Ihr habt euch dazu bisher eher wenig geäußert. Was seht ihr als „Kernthema“ des Frauen*Volksbegehrens?
Wir wurden dazu auch wenig befragt. Ich würde ganz klar sagen, dass das ein Thema des Frauen*Volksbegehrens ist. Frauen sind die größte benachteiligte Gruppe und alles andere als homogen. Viele von uns sind in der Gesellschaft mehrfachbenachteiligt, weil wir beispielsweise lesbisch sind oder eine Beeinträchtigung haben. Frauen* mit Migrationsvordergrund und asylsuchende Frauen sind massiv benachteiligt. Privilegien lassen sich nicht teilen oder aufgeben, durchaus aber reflektieren, und genau das haben wir getan. Unsere Vision ist eine Gesellschaft, in der nicht nur Männer* und Frauen* gleichberechtigt sind, sondern in der alle gleich viel wert sind. Frauen und Menschen mit Behinderungen und LGBTIQ-Menschen müssen sich genauso selbst vertreten können wie eben Menschen mit Migrationsbiografie.
Wir haben uns klar, laut und deutlich gegen Bekleidungsvorschrift en für Frauen ausgesprochen. Die gesamte Debatte um das Kopftuch ist Symbolpolitik auf dem Rücken der Frauen, das verurteilen wir.
Im Oktober findet die Eintragungswoche statt: Welches Ziel habt ihr euch dafür gesteckt?
Ich glaube, dass die Menschen, die bei uns aktiv sind, sich ganz unterschiedliche Ziele gesteckt haben. Wir haben immer von einer quantitativen Zielsetzung abgesehen. Zum einen, weil Volksbegehren in Österreich grundsätzlich nicht die Erfolgsgeschichte haben, zum anderen aber auch, weil wir wissen, dass es heute ungemein schwer ist, mit Gleichstellungsfragen, mit Feminismus die Massen zu bewegen.
Wichtig für mich als Projektleiterin ist allerdings, welche Ziele ich stecken muss, weil sie von uns erwartet werden. Ich denke, es ist wichtig, die Zahl der bisher schon geleisteten Unterschriften mindestens zu verdoppeln, also auf etwa 500.000 Unterschriften zu kommen. Es gibt zwei Messlatten, die momentan angelegt werden. Zum einen das Frauenvolksbegehren von 1997 und zum anderen das Volksbegehren „Don‘t smoke“, das zeitgleich in Österreich stattfi ndet. „Don‘t smoke“ hat nicht die Komplexität unseres Volksbegehrens. Braucht es auch nicht. Es gibt hier eine klare Sachlage, und während wir Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten, ist das in Bezug auf das Rauchen in den vergangenen zwei Jahrzehnten umfangreich gemacht worden. Auch Rauchende wissen, dass rauchen ungesund ist, und stellen das in der Regel nicht zur Debatte. Eines meiner persönlichen Ziele ist genau das: Aufklärung betreiben.
Wie können euch Menschen jetzt noch unterstützen?
Wir können nach wie vor jede Form der Unterstützung gebrauchen. Es gibt ein klares Ziel. Wir wollen 2000 Menschen in der Eintragungswoche auf die Straßen bringen. Einfach an mitmachen@frauenvolksbegehren.at schreiben und uns verraten, wo ihr wohnt. Wir haben im September eine Menge Plakate und Karten zu verteilen, hier zählt jeder helfende Mensch. Die Euros sind bei uns auch nach wie vor sehr knapp, und deswegen freuen wir uns auch hier über jeden Einzelnen.