Wer hofft, dass rechts-autoritäre Polterer bald Geschichte sind, irrt. Eine wichtige Botschaft für progressive Kräfte, findet NATASCHA STROBL.
„The idea that Trump is a break from the status quo rather than a product of it is the most dangerous one in American politics right now.“ Matt Duss, der außenpolitische Berater des US-Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders, brachte im Mai des vergangenen Jahres in diesem kurzen Tweet die aktuellen Verhältnisse auf den Punkt. Diese Diagnose ist nicht nur auf die USA beschränkt, sondern gilt für alle Staaten, in denen sich eine neue Normalität durchsetzt: rechts-autoritäre Politik. Die Akteur_innen dieser autoritären Politik sind nicht mehr Parteien des rechten Randes, sondern sich immer weiter radikalisierende bürgerliche Parteien. Ich erlaube mir eine Vorab-Conclusio: Es gibt kein Zurück mehr.
Von Hauptstraßen und Abzweigungen. Seit Jahrzehnten arbeiten Rechtsintellektuelle an einer Verschiebung der Verhältnisse. Das passiert nicht nur auf ökonomischer oder tagespolitischer Ebene, sondern insbesondere in der Arena des öffentlichen Diskurses. In den vergangenen Jahren und spätestens seit 2015 geschieht diese Verschiebung schneller und schneller mit immer durchschlagenderen Erfolgen. Das Wichtige dabei ist, dass dahinter nicht ein paar rechtsextreme aus Russland finanzierte Blogs und ihre Internet-Trolle stehen. Die gibt es auch, aber ein großer Teil dieser Diskursverschiebung und letztlich Diskurszerstörung geht von etablierten und geachteten Akteur_innen der konservativen Eliten aus. Wo rechtsextreme Blogs und Trolle den Boden bereitet haben, bahnen sich Konservative neue Wege: Sie werden die neue politische Hauptstraße. Die neue Straße ist aber ein Produkt der alten Straße, die diese Abzweigungen erst zugelassen hat. Ich möchte die Metapher nicht überstrapazieren, aber es ist wichtig zu verstehen, dass diese aktuelle Phase, in der wir uns befinden, nicht bloß eine wirre Episode der Geschichte ist und wir irgendwann wieder zur alten Normalität zurückkehren. Die Nachkriegshegemonie mit ihren Großen Koalitionen, ihrer Sozialen Marktwirtschaft und ihren Sozialpartnerpartnerschaften ist Geschichte. Und es gibt kein Zurück in der Geschichte.
Eine Rose mit anderem Namen. Konservative Parteien und Politiker_innen haben verstanden, dass diese alte Ordnung nicht zu retten ist, und versprechen dementsprechend allerorten etwas Neues. Es kommt nicht einmal darauf an, genau auszuformulieren, wie dieses „Neue“ sein soll, Hauptsache, es ist neu und damit besser. Liberale Kräfte hingegen glauben, dass sie immer noch nach den Regeln der alten Ordnung spielen können. Das Resultat ist das, was als „Hillary-Moment“ in die Geschichte eingegangen ist. Die klar qualifizierte, besser vorbereitete Kandidatin, die alle wichtigen und respektablen öffentlichen Stimmen auf ihrer Seite hat, verliert gegen einen rechten Clown, der weder qualifiziert noch vorbereitet auf das Amt ist. Ein ähnliches Muster haben wir später auch bei der Brexit-Abstimmung und deren Nachwirkungen gesehen. Zurück bleibt eine fassungslose politmediale Öffentlichkeit, die sich ihre Niederlage beim besten Willen nicht erklären kann. Die Wahrheit ist ganz einfach, dass die Zeit sie überholt hat und sie zu arrogant und von sich selbst besoffen war, um die Risse im System zu erkennen. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien wurden diese Risse nicht nur von der extremen Rechten, sondern eben auch von den etablierten und sich radikalisierenden konservativen Parteien erkannt und verstärkt. Es ist keine Frage des Entweder-oder. Beide Lager gehören zusammen und arbeiten gemeinsam in eine Richtung. Mal in engerer Zusammenarbeit, mal mit der Überbetonung und Nuancierung vermeintlicher Differenzen. Dieses Zusammenspiel von parlamentarischer und außerparlamentarischer sowie konservativer und völkischer Rechten ist in vielen Ländern gut zu beobachten. Es sind Wellenbewegungen eines sich vereinheitlichenden Spektrums. So ist es im Endeffekt egal, ob Steve Bannon nach wie vor im Weißen Haus arbeitet, die Brexit Party im Parlament Mandate hat oder die FPÖ in der Regierung sitzt. Wenn ihre Politik auch von Trump, den Tories oder der ÖVP umgesetzt wird, dann ist das ein Sieg im von ihnen begonnenen Kulturkampf. Namen sind nebensächlich, wenn die Inhalte nahezu ident sind.
Meister der Inszenierung. Die Strategien zur Auflösung des gedachten Normalzustands sind vielfältig. Ganz oben auf der Liste ist eine diskursive Shock-and-Awe-Strategie. Es werden Dinge gesagt und behauptet, die im vermeintlichen Normalzustand völlig undenkbar sind. Während liberale Medien und Öffentlichkeiten mit Empörung und dem Einfordern einer Entschuldigung reagieren, wird aber noch eins draufgesetzt. Und noch eins. Und noch eins. Dabei agieren die Frontfiguren durchaus mit sehr unterschiedlichen Inszenierungen. Trump mimt einen proletarischen Habitus mit Hamburgern anstelle von Silberbesteck. Das ist kein Zufall und dem Multimilliardär, der aus reichem Elternhaus kommt, auch nicht in die Wiege gelegt. Er appelliert damit (erfolgreich) an den Mythos der Fünfzigerjahre, der Zeit des Wirtschaftsaufstiegs der USA. Ein weißer amerikanischer Arbeiter, so die Verklärung, konnte mit einem Gehalt in einem guten Job seine ganze Familie versorgen und alles war gut. Die Situation der Black Communities oder von Frauen interessiert in diesem Bild natürlich nicht. Trumps gesamte Inszenierung ist ein Versprechen der Wiederbelebung dieser nie da gewesenen Vergangenheit – „Make America Great Again“.
In Europa hingegen geben sich die Frontfiguren dieser konservativen Parteien betont bürgerlich.
Sei es der altgriechisch radebrechende Boris Johnson, der alle Eliteinstitutionen des englischen Bildungssystems durchlaufen hat.
Oder der auf der schmalen Linie zwischen Patrick Bateman und Traumschwiegersohn wandelnde Sebastian Kurz. Allen ist gemein, dass sie eine autoritäre Politik auch durch ihre persönliche Glaubwürdigkeit legitimieren. Die sich radikalisierenden konservativen Parteien werden zu politischen Dienstleistern einer charismatischen Frontfigur. Autoritarismus wird nicht mehr von einer Partei, sondern von einer Person durchgesetzt. Donald. Boris. Sebastian.
Für progressive Kräfte ist es wichtig zu verstehen, dass die Zeit des Ausgleichs und des Kompromisses vorbei ist. Diese Erkenntnis mag man bedauern und diese Entwicklung gefährlich finden, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese konservativen Parteien den Konsens aufgekündigt haben. Sie haben eine Vorstellung einer bestimmten Zukunft. Diese Zukunft ist autoritär in allen Lebenslagen. Von ökonomischen Verhältnissen, die massiv zugunsten der besitzenden Klassen verschoben werden, über ein sanktionierendes Bildungssystem, das Bildungsaufstieg kaum zulässt, bis zu einer abschottenden und Tote zumindest in Kauf nehmenden Asylpolitik. Das passiert nicht heimlich, sondern ist das offene und erklärte Ziel. Dagegen treuherzig mit dem besseren Argument und Fakten an das Gewissen dieser Personen und Parteien appellieren zu wollen, verdrängt auf naive Art und Weise die Realität. Die aktuelle Episode ist nicht bloß ein Ausrutscher der Geschichte, die sich jederzeit auf den Normalzustand zurückdrehen lässt. Der Normalzustand ist nicht mehr. Die neue Normalität ist rechts. Dies alles ist aber nicht in Stein gemeißelt. Dass Widerstand schnell zu etwas Größerem werden kann, zeigen uns Protestbewegungen weltweit, wie etwa die spanischen Frauenbewegungen, die Demonstrationen für Demokratie in Hongkong oder der amerikanische Präsidentschafts(vor)wahlkampf.
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin aus Wien und analysiert auf Twitter unter #NatsAnalyse rechte und rechtsextreme Strategien.
1 Kommentar zu „Rechts, das neue Normal“
Ich kann nicht erkennen, was der Gegenstand des Artikels ist. Nachdem “Rechts” ja das “neue Normal” sein soll, müsste er zuerst definieren, was denn das alte Normal ist. Da will die Autorin aber nicht raus mit der Sprache. Im Gegenteil, sie erklärt, dass das alte Normal eine “Nachkriegshegemonie” war (die sie wohl nicht befürwortet); ansonsten spricht sie von einem “gedachten” oder “vermeintlichen” Normalzustand. Was damit gemeint ist und warum dieser Zustand sich verändert hat, bleibt das Geheimnis der Autorin. Die Beschreibung einer “diskursiven Shock-and-awe-Strategie” bleibt pauschal und ließe sich leicht auf die meisten öffentlichen Diskussionen übertragen; übrig bleibt die Diagnose ihres eigenen Unbehagens, die den Leser ratlos entlässt.