Interview: DJane nobigbutL stöbert mit SOOKEE in ihrem feministischen Blogarchiv.
an.schläge: Wann hat dich welche Motivation gepackt, ein feministisches Blogarchiv zu initiieren?
nobigbutL: Die Recherche und Archivierung ist aus eigenem Interesse und der großen Freude passiert, die ich an der Musik und den Neuentdeckungen habe. Einige Jahre, Gigabite und Platten-Recherchereisen später wurden andere neugierig und ich habe so eine Art Newsletter geschrieben. Ich wurde dann angefragt, ob ich nicht alles online öffentlich machen könne, weil es diese Infos, Quellen und Hintergrundgeschichten so als Sammlung nirgendwo gibt. Was ich bis dahin an Künstlerinnen und Musik zusammengetragen hatte, war in dieser Form als Compilation einfach neu und interessant.
Die Stimmen von Women MCs auf HipHop bis 2Step, Grime und Dancehall hatten eine sehr intensive und inspirierende Wirkung auf mich. Als ich in den frühen 2000ern zum ersten Mal Ms. Dynamite („It Takes More“) und MC Nolay („Angels and Fly ft. High Contrast“) hörte, war das pure Wirkung: ein erhöhter Puls, ein Ziehen in der Magengrube, diese Intensität, die deine ganze Aufmerksamkeit einnimmt …
Der Impuls war so stark, dass ich angefangen habe nächtelang Musik zu suchen und zu hören, mich in meine halben Textverständnisse reinzusteigern und mich zu überindentifizieren. Ich fühlte mich angesprochen und war oft sehr aufgeregt über meine Entdeckungen. Daraus ziehe ich die Energie für das ganze Projekt.
Dein Name als DJane und der Titel deines Blogarchivs warten mit speziellen Schreibungen und einer lexikalischen Nähe zueinander auf. Würdest du den Hintergrund dieser Begriffsschöpfungen verraten?
Ein enger Freund und Genosse, mit dem ich die Leidenschaft für Sounds aus UK teilte, gab allen seinen Leuten früher oder später einen Namen. Mich grüßte er eines Abends mit „Yo, big L!“ und wir lachten. Ich bin auffallend groß und habe schon auch Komplexe deswegen, auf jeden Fall ist das öfter mal Thema. L wegen meines Vornamens. Als ich dann öfter auflegte, musste ein Name her.
Big L bot sich an, aber ich dachte: nix groß, nur L. Also: no big, but L. Daraus habe ich dann nobigbutL zusammengeschoben. Der Running Gag dabei: Ich wurde über Jahre eigentlich grundsätzlich falsch geschrieben/gehört, was dazu führt, dass der Name ungefähr das Gegenteil von etablierter Coolness ist. Jetzt muss ich also doch Größe zeigen und dazu stehen.
Mittlerweile hab ich das weiterentwickelt. L wird ja „elle“ gesprochen und das heißt auf Französisch „sie“. Und so ward mein Künstlerinnenname perfekt: elle. Kleingeschrieben. Ich bin diesbezüglich noch in Transition, das heißt die verschiedenen Möglichkeiten stehen gerade gleichzeitig im Raum. Wenn ich auflege, wird weiterhin die lange Variante verwendet, wegen der Resonanz im Programmnamen: nobigbutL – noboys butrap. Aber sonst, also im Schreiben, Sprechen und Malen: L. Oder: elle.
Was entscheidet für dich darüber, ob du eine Rapperin in die Sammlung aufnimmst? Gibt es neben dem Geschlecht weitere Kriterien?
Das mit dem Geschlecht ist ja nur eine Tür, die ich ganz am Anfang einmal zugemacht habe. Wenn mich eine Künstlerin spontan beeindruckt, kann es sein, dass ich sie sofort aufnehme, alle Quellen und Infos einbeziehe, die ich finde, und vielleicht sogar gleich die ersten Eindrücke ins Profil schreibe. Rap ist genremäßig sehr divers und stilistisch sowieso. Brianna Perry hat mit Casey ungefähr nichts gemeinsam. Beide gehören dazu. Sadahzinia, MC Pöly – ich verstehe die Texte nicht, aber ich habe herausgefunden, dass sie für den HipHop ihrer Sprachkontexte – Griechisch und Finnisch – eine Pionierrolle einnehmen. Miss Bolivia und Ali GuaGua mit Las Krudas und Actitud Maria Marta gehören zusammen, nicht nur regional, sie treten auch seit Jahren gemeinsam auf. Also habe ich sie direkt hintereinander aufgenommen und anschließend ein weiteres Cluster von eurospanischen Artists, um den Kreis um Arianna Puello und Marla Rodriguez endlich zu erweitern. Sprache ist offenbar ein Orientierungskriterium.
Manchmal kreuze ich den Mainstream. Damit meine ich Musik, die durch einen Apparat an Contracts in die breite öffentliche Aufmerksamkeit gehoben wurde, versuche aber sonst darunter durchzutauchen.
Auf keinen Fall hat es irgendeine bestimmte Bedeutung, wenn jemand (noch) nicht dabei ist. Zumal ich ja zeitlich und kraftmäßig kaum hinterher komme. Viel zu viele Namen hängen in der Warteschleife. Gleichzeitig wollte ich mit meinem Projekt nie vollständig, sondern spannend und subversiv sein.
Ich weiß, dass du einige der versammelten Rapperinnen wie Akua Naru, Shirlette Ammons oder Lady Leshurr schon getroffen hast. Aus der Begegnung mit der Düsseldorferin Tice etwa ist ein aufschlussreiches, zugleich diskretes und einfühlsames Porträt entstanden. Wie fühlt es sich an, diese Frauen, deren Arbeit du so wertschätzend archivierst, persönlich zu sprechen?
Das ist jedes Mal sehr aufregend und manchmal mache ich mich dann klein. Wenn es gut läuft, bewege ich mich auf Augenhöhe und freue mich und versuche den Moment der Begegnung auszukosten. Das heißt, die Inspiration aufzunehmen, mich inhaltlich ins Gespräch zu verstricken oder mich in die Position zu versetzen, dass ich der Künstlerin Respekt erweisen kann, und sie in dem zu bestärken, was sie macht. Viele dieser Begegnungen sind mir im Nachhinein sehr viel wert. Auch wenn ich zurück auf meine Zeit mit der Website blicke und mir überlege, was ich für mich verwirklichen konnte.
Wie gehst du mit Sprache um? Welche Begriffe verwendest du – zumal das Blog auf Englisch verfasst ist, um die Tätigkeiten und Skills der Rapperinnen zu benennen?
Die Frage finde ich schwierig zu beantworten, auch weil sich das mit der Zeit verändert. Bezeichnend ist, dass das Arbeiten mit Referenzen nicht ohne Weiteres für alle Öffentlichkeiten funktioniert. Deshalb habe ich bei dem Vorstellungstext des Blogs irgendwann die Lyrics und Songtitel, die ich als Code in die Formulierungen eingeschrieben hatte, mit Hyperlinks quasi als Zitiernachweis unterlegt, weil die Sachen so unbekannt, so unetabliert sind, dass meine Sprachkunst nicht wirken konnte: Der Resonanzraum existierte sozusagen nicht. Das würde mit einem Quote von einem namhaften Mann nicht passieren. Ich denke, das ist ein Dilemma, das viele kennen, die feministisch sprechen und schreiben: Man will die Dinge als selbstverständlich darstellen, muss sie aber erklären und damit extra hervorheben.
Eine der Besonderheiten deines Vorgehens ist, dass du gewissermaßen kontrahierarchisch schreibst und damit den innergeschlechtlichen Konkurrenzdruck, der im HipHop vielfach angelegt ist, konstruktiv ignorierst. Welchen Effekt erhoffst du dir von dieser Strategie des Zusammenführens und Solidarisierens bei deinem Lesepublikum?
Normalisierung. Ich denke, der Punkt, dass es guten Rap nicht nur von Men MCs gibt, ist gemacht. Eigentlich hätte das ja auch immer klar sein können. Hier geht es also nicht um den Beweis, sondern darum, die einzelnen Künstlerinnen individuell ernst zu nehmen. In der Vielheit verliert sich die Zuschreibung „Frau“ oder „weiblich“ irgendwann. Es gibt auf meiner Seite so viele Entwürfe von „Weiblichkeit“ wie Artists, und in meiner Betrachtung ihrer Musik wird das zu einem Aspekt unter vielen. Um eben genau nicht das Gefühl zu haben, man müsse etwas gut finden, weil man es in seiner marginalisierten Situation unterstützen möchte, schaffe ich einen Raum, in dem die Anerkennung als MC vorausgesetzt ist. So kann bei der Hörerin eine selbstbestimmte Auseinandersetzung darüber stattfinden, was man eigentlich für sich gut findet, was eine anspricht. Eine Auseinandersetzung, die nicht oder zumindest weniger dem Konkurrenzdruck des maskulinistischen Marktes unterliegt. Insgesamt ist es aber auch einfach nicht mein Ding, die Musik zu sortieren und zu bewerten. Ich bin neugierig und möchte genießen und kennenlernen und weitererzählen. So.
nobigbutL ist Liebhaberin des genauen Hinhörens und Wertschätzens und verdingt sich zudem als Soziologin.
Sookee ist queerfeministische HipHop-Aktivistin und lässt sich für die Rubrik an.klang oft auf noboysbutrap.org inspirieren.