Die Spionageserie „Killing Eve“ ist extrem spannend, stylisch, brutal – und brüllend komisch. Von Maxi Braun
Eine junge Frau sitzt in einem pink-farbenen Kleid aus sehr viel Tüll zwei Männern mit Pokerfaces gegenüber. Wie es ihr gehe, wird sie gefragt. „Letzte Woche hatte ich eine ziemlich starke Monatsblutung. Aber sonst geht’s mir ganz gut“, erwidert sie trocken. Auch ihr beunruhigend harmloses Lächeln konterkariert den Ernst der Lage – es handelt sich um eine Prüfung, ob sie ihren Job als Auftragskillerin einer global agierenden Geheimorganisation weiter ausführen kann.
Wer diese Frau namens Villanelle ist, bleibt zunächst ein Geheimnis. Sie ist polyglott, kontrolliert und effizient. Aber auch unberechenbar, ungeduldig und von der Routine ihres mörderischen Brotjobs angeödet. Das verbindet sie mit Eve Polastri, die als unterforderte Mitarbeiterin des britischen Geheimdienstes ebenfalls gelangweilt ist und in ihrer Freizeit über Serienkillerinnen recherchiert. Der Zufall bringt Eve auf die Spur der brutalen Killerin Villanelle.
Diese ist dabei alles andere als ein obskures Objekt der Begierde. Denn die Figur, die der britische Journalist Luke Jennings für eine Novelle konzipierte, ist keine Männerfantasie. Sie bewältigt kein Trauma, will sich nicht rächen und ist auch keine manipulierte Marionette im Auftrag ominöser Mächte. Villanelle lebt so unabhängig und extravagant, wie sie mordet. Sie schläft, mit wem sie will (vornehmlich Frauen), kleidet sich in Unikate, die Carry Bradshaws Garderobe wie Lumpen wirken lassen, und klaut kleinen Kindern Süßigkeiten. Sie tötet, weil sie es verdammt gut kann, und erfüllt dabei keinerlei Erwartungen. Wer ihr Vorschriften machen will, wird aus dem Weg geräumt. Villanelles einziger Schwachpunkt ist Eve, die als ihre Nemesis stoisch denselben schluffigen Parka trägt und ihrem Pragmatismus zum Trotz immer tiefer in die wechselseitige Obsession schlittert. Lange ist unklar, ob Eve Villanelle fassen, töten oder mit ihr schlafen will – oder alles auf einmal.
Im Grunde erzählt „Killing Eve“ so vor der Folie des Spionagethrillers die herrlich kaputte Liebesgeschichte zweier Menschen, die nicht mehr ohne einander leben können, koste es, was es wolle. Die Schauspielerinnen Jodie Comer und Sandra Oh sorgen dafür, dass diese Figuren in all ihrer Widersprüchlichkeit funktionieren. Die Chemie zwischen ihnen knistert von London bis Moskau, über Berlin bis Rom ziemlich heftig, ohne dass nackte Haut gezeigt oder die Protagonistinnen einem Blick von außen exponiert würden. Und so nebenbei wie Villanelles fluide sexuelle Orientierung erzählt wird, ist auch Eves Chefin ganz selbstverständlich eine sexuell aktive Frau um die sechzig (überhaupt sind ältere Frauen im diversen Cast erfreulich stark repräsentiert).
Diese lässig-feministischen Moves sind auch Verdienst der Autorinnen, die jeweils für eine der drei Staffeln als Showrunner verantwortlich zeichnen. In der ersten Staffel blitzt die spitze Feder von Phoebe Waller-Bridge deutlich auf, die nach dem Erfolg ihres Bühnenstücks „Fleabag“ sofort für die Serienadaption verpflichtet wurde. Dank Waller-Bridge und den Autorinnen Emerald Fennell und Suzanne Heathcote ist „Killing Eve“ zudem viel witziger als Genre-Pendants wie „The Blacklist“. Ultrabrutale Szenen erleben oft ein Comic Relief, sei es durch die Lakonie, mit der die Figuren reagieren oder weil sie dabei zutiefst menschlich handeln, egal wie beschissen sie sich auch verhalten – „Fleabag“ lässt grüßen. Bis in die Nebenrollen ist die Serie außerdem mit Fiona Shaw als Eves Vorgesetzter Carolyn und Tripel-Agent und Villanelle-Aufpasser Konstantin (Kim Bodnia) hervorragend besetzt. Hinzu kommt das dem Sujet entsprechende, aber selten so stylisch inszenierte Setting in Europas Metropolen: Toskanische Villen, Pariser Altbauten, Wiener Kaffeehäuser oder schmutzige Berliner Undergroundclubs bilden die Kulisse. „Killing Eve“ ist in jeder Hinsicht packend und mit das Beste, was die Serienlandschaft in letzter Zeit hervorgebracht hat.