Castingshows haben einen fixen Platz im TV. Statt auf Erniedrigung setzt auch die Neuauflage von „Starmania“ auf Vielfalt und Respekt. Dabei ist noch viel Luft nach oben, findet Vanessa Spanbauer. Beate Baumgartner berichtet davon, wie es sich anfühlt, über Nacht zum TV-Star zu werden.
Ich war 18, als ich mich bei „Starmania“ beworben habe. Gerade mal ein halbes Jahr zuvor war ich alleine von Namibia nach Österreich gezogen.
Keiner, weder der ORF noch die Teilnehmenden, hatte damit gerechnet, dass die Sendung so einschlagen würde.
In Namibia wurde ich als „die Österreicherin“ wahrgenommen, weil ich äußerlich nicht dazupasste. In der österreichischen Öffentlichkeit war ich hingegen die „Quotenschwarze“, so wurde ich genannt. In einer Reportage wurde ich sogar als Nigerianerin bezeichnet. Als ich den Redakteur darauf hinwies, dass ich aus Namibia komme, erwiderte er, das sei doch eh alles das Gleiche.
In den damaligen „Starmania“-Foren im Netz ließen einige ihrem Rassismus freien Lauf. Plötzlich war man bekannt wie ein Promi, nur verfügte man nicht über die Mittel, die Promis haben, um sich abzuschirmen für ein kleines bisschen Privatsphäre.
Die Kandidat*innen haben sich sehr gut verstanden, fast zu gut, deshalb begann die Redaktion, Situationen und Stories zu inszenieren, um ein bisschen Spannung reinzubringen. Wenn man sich einer Casting-Show aussetzt, muss einem klar sein, dass es nicht nur um Gesang und Bühnenperformance geht. Mir ist dabei die Lust vergangen. Trotzdem bleibt man dabei und strampelt sich durch.
Es ist halt ein Fernsehformat, das einfach Quoten bringen muss. Deshalb werden die Teilnehmenden angehalten, es möglichst spannend und dramatisch zu gestalten. Ich erinnere mich an eine Zeitschrift, die plante, alle zwölf FinalistInnen sexy und halbnackt abzubilden. Ich hatte mündlich zugesagt, aber nach einem Beratungsgespräch machte ich einen Rückzieher. Das kam gar nicht gut an. Mir wurde von dem Medienunternehmen gedroht, dass sie mich nie wieder featuren würden.
Nach der Sendung bin ich erst mal untergetaucht, ich wollte auch nicht mehr singen und beurteilt werden. Jahre später hatte ich dann das Glück, für Parov Stelar singen zu dürfen. Die Band ist an mich herangetreten, weil deren Booker mich durch „Starmania“ kannte. Somit hat der ganze Zirkus mir dann doch auch musikalisch was gebracht.
Ich weiß nicht, ob ich jemandem dezidiert abraten würde, dort mitzumachen. Letztendlich habe ich sehr viel gelernt. Meinen Kindern jedoch würde ich auf jeden Fall davon abraten. Oder ich würde zumindest versuchen, sie bestmöglich darauf vorzubereiten.
Denn wer bei so einer Show mitmachen will, sollte gewappnet sein und ein gutes Support-System haben. Wer als Jugendlicher auf sich allein gestellt ist, kann an dem Druck leicht zerbrechen.
Beate Baumgartner schaffte es in die Endrunde der ersten Staffel von „Starmania“.
Meine Erwartung als Zuseherin an „Starmania21“ war groß. Als Staffel eins vor 19 Jahren über den Bildschirm flimmerte, war ich ein Riesenfan, mit zehn Jahren allerdings noch nicht in der Lage zu durchschauen, welche Inszenierungen das Erlebnis Castingshow braucht. Wie das öffentliche Shaming der Leider-Nein-Kandidatinnen und späteren Finalistinnen, die teils wirklich unterirdischen Kommentare der Juroren und der unterschwellige Sexismus, der so unterschwellig eigentlich gar nicht war. Was kann ein Castingformat 2021 richtig machen? Passt das noch in unsere Zeit? Diese Fragen stellten sich wohl auch die Macher*innen und der ORF. Die Jury mit zwei Frauen und einem Mann zu besetzen: ein Zeichen. Siehe da, es funktioniert: „Starmania21“ ist weniger sexistisch. „Die sind zu nett!“, liest man auf Social Media, denn es wird fast peinlich darauf geachtet, keine harte Kritik zu äußern. Das entspricht einfach nicht unseren Sehgewohnheiten. Auch gedemütigt sollen die Kandidat*innen eigentlich nicht mehr werden, als Unterhaltungsformat lässt sich das aber offenbar nicht vollständig vermeiden. Sehgewohnheiten also wiederhergestellt. Besonders in den Moderationen und den Vorstellungsclips schimmern die altbekannten Probleme durch – ein queerfeindlicher Kommentar hier, ein rassistischer da, eine Priese Sexismus zum Drüberstreuen. Fraglich deshalb, ob es gelingen kann, Sendungen wirklich weiterzuentwickeln, wenn man nur einige Aspekte erneuert und ansonsten am Küniglberg – der ORF-Zentrale – mit Schema F weitermacht. Denn Diversität ist nicht nur bei den Kandidat*innen relevant, auch die Redaktionen und Sendungsverantwortlichen müssen die Gesellschaft widerspiegeln. Wären die Kandidat*innen zeitgleich Sendungsmacher*innen, müssten wir uns Freitagabend vor dem Fernseher wohl weniger fremdschämen.
Vanessa Spanbauer war „Starmania“-Fan der ersten Stunde.