Rechte Influencerinnen ködern junge Frauen mit Promi-Klatsch und Beauty-Tipps – erschreckend erfolgreich. Von Sophia Krauss
Wer ist hier der Bösewicht? Als sich Schauspielerin Blake Lively und Regisseur Justin Baldoni nach dem Dreh des gemeinsamen Dramas „It Ends With Us“ im vergangenen Jahr eine öffentliche Schlammschlacht lieferten, sorgte dies auf sozialen Medien wochenlang für hitzige Debatten. Lively verklagte schließlich Baldoni und warf ihm sexuelle Belästigung und eine Verleumdungskampagne vor, die von der PR-Strategin Melissa Nathan orchestriert wurde. Sie hatte bereits Johnny Depp im Prozess gegen Ex-Frau Amber Heard unterstützt. Frauenhass kommt im Netz gut an, das demonstrierte Nathan einmal mehr: Ein Großteil der Nutzerinnen schlug sich auf die Seite des Regisseurs. Eine von ihnen war Candace Owens, rechtsextreme Meinungsmacherin und ehemalige Moderatorin der einflussreichen US-amerikanischen Plattform „The Daily Wire“.
Verschwörungserzählungen und Workouts. Auf YouTube veröffentlichte Owens stundenlange Analysen des Falls, jede einzelne dieser Folgen verzeichnete mindestens 1,5 Millionen Aufrufe. 65 Prozent ihrer Zuschauenden von Dezember 2024 bis Februar diesen Jahres waren weiblich – ungewöhnlich für Owens’ politische Inhalte. Online ist Candace Owens längst eine – rechte – Marke. Neu jedoch ist ihre Breitenwirkung. Schon 2017 debütierte sie als rechtskonservative Online-Kommentatorin. Seitdem hat sie die jüdische Religionsausübung der Kabbala öffentlich mit Pädophilie verglichen und antisemitische Ritualmordlegenden verbreitet, wonach Jüdinnen christliche Kinder rituell töten würden. Dokumentierte NS-Verbrechen seien „bizarre Propaganda“ und sie behauptete auch, George Floyd sei an einer Überdosis Drogen und nicht an Erstickung gestorben. Die LGBTQIA+-Bewegung nannte sie „satanisch“. Heute will Owens mit ihrer neuen Marke „Club Candace“ Lifestyle-Influencerin werden. Sie hat eine Fitness-App für junge Frauen entwickelt, insbesondere für Mütter nach der Entbindung. Ihr neuestes Buch, das im September erscheinen wird, trägt den Titel „Make Him a Sandwich: Why Women Don’t Need False Feminism“. Aus einem rechtsextremen Milieu hat Owens sich so erfolgreich hinein in den Mainstream katapultiert. Im Interview mit dem Magazin „The Cut“ sagte eine junge US-Amerikanerin, die sich als liberal einstuft, dass sie erst durch die Berichterstattung rund um Blake Lively begonnen hätte, Owens Content zu konsumieren. „Sie will uns zeigen, dass dies überhaupt kein feministisches Thema ist, sondern dass es darum geht, Gerechtigkeit für denjenigen zu erlangen, dem hier Unrecht widerfährt. Sie vereint Linke und Rechte.“
Schön und fruchtbar. Zu einem ähnlichen Befund kommt das rechte US-Frauenmagazin „Evie“: Owens habe es durch ihre Podcasts zum Fall Lively/Baldoni geschafft, Menschen aller politischen Hintergründe zu versammeln. Owens’ antisemitische, rassistische und transfeindliche Inhalte werden dabei gekonnt ausgeklammert. Man zelebriert hingegen, dass Owens Zuseherinnen erreiche, die zwar ihre politische Haltung ablehnten, aber von ihrer Promi-Berichterstattung begeistert waren. Überhaupt würde sich die Rechte zu wenig mit Popkultur beschäftigen und nicht verstehen, wie stark Medien, Kunst und Klatsch Gesellschaften beeinflussen. Man überlasse dieses Feld einfach der Linken. Das will auch das Magazin „Evie“ nicht. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein gewöhnliches Hochglanzmagazin. Es geht um Nagellack und Frisuren von Sabrina Carpenter. Es gibt Sextipps wie in der Cosmopolitan – versehen mit dem Zusatz, dass diese „nur für verheiratete Frauen“ seien. Während in anderen Lifestyle-Magazinen in den letzten Jahren auch Body-Positivity und diverse Körperbilder Einzug hielten, setzt „Evie“ auf „objektive weibliche Schönheit“. Man will weg von „woker Akzeptanz“, symbolisiert durch „stark tätowierte, blauhaarige, fettleibige, geschlechtsneutrale Personen“, zurück zur Dominanz weißer, cis-normativer, gebärfähiger Körper. Hinter dem Magazin steht das Ehepaar Hugoboom, die auch eine von Peter Thiel unterstützte Menstruationszyklus-App betreiben, die zur Fruchtbarkeitsplanung anregen soll. „Unsere Fortpflanzungsorgane sind genau dafür gemacht – neues Leben zu erschaffen“, ist in „Evie“ zu lesen, wo auch vor den Gefahren hormoneller Verhütungsmittel gewarnt wird.
Rechts ist jetzt cool. Für den „Guardian“ hat Autorin Anna Silman zu „Evie“, Candace Owens und anderen rechten weiblichen Influencerinnen recherchiert. In ihrer Reportage nennt sie deren Universum die „Womanosphere“: Es sei das Äquivalent zur Manosphere, jener Online-Welt voller Bro-Podcaster wie Theo Von oder Joe Rogan, die junge männliche Nutzer oft mit vergleichsweise unpolitischen Themen wie Wrestling oder Drogen anziehen und sie dann in ein Rabbithole voller Antifeminismus und Verschwörungsideologien führen. Junge Menschen würden online nach authentischen, edgy Stimmen suchen, die ihnen helfen, Meinungen zu entwickeln und ihnen Perspektiven aufzeigen, schreibt Silman – auch junge Frauen. Viele Medienschaffende haben das mittlerweile verstanden und versuchen über Themen wie Popkultur, Wellness, Beauty oder Dating junge Nutzerinnen an ein konservatives Weltbild heranzuführen. „Heute ist es für Jugendliche cool, konservativ zu sein“, sagt Brett Cooper, rechte Influencerin auf YouTube. Die Linke hätte in der Popkultur schon lange genug den Ton angegeben.
Turning Point. All diese Influencerinnen vermitteln immer auch eine konservative Vorstellung von Geschlecht. Oft lehnen sie trans und queere Personen als vermeintlich woke Modeerscheinungen ab. Und sie wünschen sich eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer ungestört vom Feminismus endlich wieder ihren „natürlichen“ Eigenschaften nachgehen können. Frauen müssten endlich wieder fürsorglich und schutzbedürftig sein dürfen. Dabei deckt sich ihre Ideologie mit jener der Trump-Regierung: Reproduktive Rechte sollen abgebaut werden, ebenso der Schutz von queeren Personen. Die rechtskonservative Organisation Turning Point, die laut Silman die letzte US-Wahl maßgeblich beeinflusst hat, förderte nach eigenen Angaben rund 350 rechtsgerichtete Influencer*innen. In den letzten Jahren steckte Turning Point mehrere Millionen US-Dollar in den Aufbau rechter Medien. Angesichts des schwindenden Vertrauens der Bevölkerung in tradierte Nachrichtenmedien scheint dies ein erfolgreicher Weg zu sein, rechte Propaganda immer populärer zu machen. Das schlug sich auch bei der US-Wahl nieder: Während junge Frauen 2024 immer noch mehrheitlich demokratisch wählten, schrumpfte Joe Bidens Vorsprung von 35 Punkten im Jahr 2020 auf 24 Punkte für Kamala Harris.
Währenddessen arbeitet Candace Owens an einem neuen Thema: dem Fall Harvey Weinstein. Im Februar enthüllte sie, dass sie den verurteilten Vergewaltiger monatelang im Gefängnis interviewt habe. Ihr Fazit: Er sei das Opfer der MeToo-Bewegung, die „aus so etwas wie einem kriminellen Netzwerk besteht“.