Die Rote Zora zündete in den 1970er- und 80er-Jahren Bekleidungsgeschäfte und Sexshops an. Fast 20 Jahre lang war die militante Frauengruppe in der BRD aktiv und wurde für ihre Anschläge kritisiert und gefeiert. Von KATHARINA KARCHER
In den frühen Morgenstunden des 2. Februar 1978 brach ein Feuer in einem Sexshop in Koblenz am Rhein aus. Niemand wurde verletzt, aber der Brand verursachte einen Sachschaden von 300 DM. Bei den Aufräumarbeiten fand der Besitzer des Ladens Überreste eines Brandsatzes und eine Ampulle mit einer gelblichen Flüssigkeit, die sich als Stinkbombe erwies. Bereits einige Tage zuvor waren sechs Einbrüche in Sexshops in Köln gemeldet worden, die zur selben Ladenkette gehörten. Angeblich wurden hier Filme und Unterwäsche im Wert von fast 200.000 DM entwendet.
Mauern und zündeln. Zu den Anschlägen bekannte sich die militante Frauengruppe Rote Zora. In ihrem Bekennerschreiben verkündete die Gruppe: „In der Karnevalszeit, wo (…) die Männer mal wieder die Gelegenheit erblicken Frauen anzumachen und zu ihrem Spaß zu benutzen, haben wir uns auch mal unseren Weiberfastnachtsspaß erlaubt, nach der Devise: Mit List und Tücke hauen wir die Pornoshops in Stücke!“ Die Rote Zora wollte nicht mehr länger hinnehmen, dass Frauen „auf ihren Körper reduziert“ und „zur Sexmaschine degradiert“ würden. Sie lieferte sogleich Vorschläge, wie dieser Widerstand aussehen könnte: „Autos von Frauenfeinden anmalen – Zucker in den Tank schütten, Reifen durchstechen, frauenfeindliche Institutionen schließen durch Zumauern oder stören durch Gestank, herbeigeführten Kurzschluss, Bombenalarm, Klos verstopfen.“
Obwohl wenige Frauen diese Vorschläge in die Tat umsetzten, gab es in der Frauenbewegung durchaus Sympathie für die Anschläge. Die März-Ausgabe des feministischen Magazins „EMMA“ enthielt etwa Auszüge des Bekennerschreibens, und eine Cartoon-Figur neben dem Text verkündete: „Hilfe, da überkommt mich ja klammheimliche Freude.“ Dies war vor allem deshalb brisant, da knapp ein Jahr zuvor ein Artikel in einem Göttinger StudentInnenmagazin für heftige Kontroversen gesorgt hatte, indem er von „klammheimlicher Freude“ über die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch Mitglieder der RAF sprach.
Im Visier der Roten Zora. Ähnlich wie die RAF wurde auch die Rote Zora von der Bundesregierung als eine „terroristische Vereinigung“ eingestuft. Sie hatte sich Mitte der 1970er-Jahre als Teil des linksmilitanten Netzwerks „Revolutionäre Zellen“ formiert und war bis 1995 aktiv. Im Unterschied zu den Anschlägen der RAF und anderer militanter Gruppierungen in der BRD haben jene der Roten Zora jedoch niemanden verletzt oder getötet. Doch auch die Rote Zora hat Sprengstoff, Brandsätze und andere gefährliche Materialien verwendet und damit einen Sachschaden in Millionenhöhe verursacht. Neben Sexshops richtete sich der Zorn unter anderem gegen die Autos vermeintlicher Frauenhändler und Immobilienhändler, gegen die deutsche Ärztekammer, die Pharma-Industrie, Unternehmen und Forschungsinstitute im Bereich der Gen- und Reproduktionstechnik sowie gegen Filialen der Bekleidungskette Adler.
Obwohl die Rote Zora sich als Teil der Frauenbewegung verstand, stieß ihr militanter Aktivismus gerade dort auf heftige Kritik. Viele Feministinnen hielten die Aktionen nicht nur für das falsche Mittel, um für Emanzipation und Befreiung zu kämpfen, sie fürchteten auch, dass durch sie die gesamte Frauenbewegung mit Gewalt und Terrorismus assoziiert würde. Am Beispiel einer Anschlagsserie im Jahr 1987 lässt sich zeigen, dass diese Angst keineswegs unbegründet war.

© Katharina Karcher
Nähe und Distanz. Im Mai 1986 baten Arbeiterinnen in einem südkoreanischen Werk des deutschen Bekleidungskonzerns Adler Frauen in Deutschland um „schwesterliche Hilfe“. Sie wollten sich gegen Ausbeutung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu Wehr setzen, aber die Konzernleitung ignorierte ihre Forderungen. Frauengruppen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften in der BRD forderten daraufhin bessere Arbeitsbedingungen im südkoreanischen Adlerwerk. Besonders aktiv waren Mitglieder der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, die mit Infoveranstaltungen, Zeitungsartikeln und Demonstrationen versuchten, Adler zum Einlenken zu bewegen. Trotz aller Proteste weigerte sich der Konzern, die Forderungen der Arbeiterinnen zu erfüllen.
Im August 1987 verübte die Rote Zora eine Serie von Brandanschlägen auf Adler-Filialen, um den Arbeitskampf in Südkorea zu unterstützen. Nach Schätzungen des Konzerns belief sich der dadurch entstandene Schaden auf dreißig bis 35 Millionen DM. Nach einem weiteren Anschlag Anfang September erklärte die Geschäftsleitung, dass man sich „der Gewalt beugen“ wolle, um zukünftige Anschläge zu vermeiden. Terre des Femmes begrüßte zwar das Einlenken des Konzerns, bedauerte aber, dass man sich „letztlich nur der Gewalt“ beugte. Adler dagegen behauptete, Terre des Femmes habe „den Boden fruchtbar für Gewaltakte gemacht“.
Während einige Frauengruppen in der autonomen Szene der Roten Zora zu ihrem Erfolg gratulierten, distanzierten sich viele ausdrücklich von ihren Methoden. In einem Artikel in der „taz“ kritisierte die Frauenrechtlerin Christa Wichterich die Feuer als „voluntaristische Aktionen, die andere Widerstandsaktionen gefährden“. Die Soziologin Claudia von Werlhof, die in einem Bekennerschreiben der Zoras zitiert wurde, erklärte, dass der Aktivismus der Roten Zora eine Imitation des männlichen „Provinzmilitarismus“ sei, gegen den sich die Neue Frauenbewegung Ende der 1960er-Jahre gestellt hatte.
Späte Einsicht. In der folgenden Gewaltdebatte der 1970er-Jahre betonten Feministinnen, dass man Macht nicht erschießen könne – sondern nur Menschen. Nach dem „Deutschen Herbst“, der von den Attentaten der RAF geprägt war, distanzierten sich viele Frauen von der Roten Zora. Daraus ist aber nicht zwangsläufig abzuleiten, dass ihre Aktionen „den Feminismus keinen Millimeter nach vorne“ gebracht hätten, wie etwa der Wissenschaftler Vojin Saša Vukadinovic schlussfolgert.(1) Er kritisiert, dass die Rote Zora zwar Themen aus der Frauenbewegung aufgriff, ihr die analytische Schärfe und der kritische Impetus von anderen militanten Feministinnen jedoch fehlten. Vukadinovic schlägt vor, die Anschläge der Roten Zora als „frauenbewegte Militanz“ und nicht als „militanten Feminismus“ zu verstehen. Dieser Schluss ist jedoch voreilig. Eine der großen Stärken von Frauenbewegungen war schon immer ihre politische und methodische Vielfältigkeit. Obwohl sich beispielsweise in England die meisten Feministinnen gegen jegliche Gewalt aussprechen, sehen sie dennoch die Militanz in der Suffragettenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Teil ihrer Geschichte.
Rückblickend gaben die Zoras 1993 zu, dass eine „gewisse Portion an unhinterfragter bürgerlich-christlicher Moral“ in ihre Wut gegen die Sexindustrie eingeflossen sei. Sie hätten mittlerweile erkannt, dass Sexshops nur ein Teil umfassender sexistischer Gewaltstrukturen seien und dass Aktionen gegen die Sexindustrie dazu beitragen können, Frauen, die hier arbeiten, auszugrenzen oder zu schwächen. Die Frage, inwieweit die Aktionen der Roten Zora feministisch waren, sollten wir jedenfalls weiter diskutieren.
Katharina Karcher ist MHRA Research Fellow an der University of Warwick.
Fußnote
(1) Vojin Saša Vukadinovic: Spätreflex. Eine Fallstudie zu den Revolutionären Zellen, der Roten Zora und zur verlängerten Feminismus-Obsession bundesdeutscher Terrorismusfahnder. In Irene Bandhauer-Schöffmann and Dirk van Laak (Hg.): Der Linksterrorismus der 1970er-Jahre und die Ordnung der Geschlechter. Wissenschaftlicher Verlag 2013, 140–161.
weitere Informationen zur Roten Zora
Viele Texte der Roten Zora sind auf der Website www.freilassung.de zu finden. Außerdem sehr lesenswert ist das Kinderbuch: Die Rote Zora und ihre Bande von Kurt Held, auf das sich die Gruppe bezieht.