Feministische Medien berichten nicht nur über sogenannte „Frauenthemen“, sondern machen deutlich, dass jedes Thema feministisch ist. Und verändern damit die Welt. Von LEA SUSEMICHEL
„Yours in Sisterhood“ heißt ein Dokumentarfilm, der 2018 in die Kinos kam. Darin werden LeserInnenbriefe vorgelesen, die in den 1970ern zu Tausenden an die Redaktion der feministischen US-Zeitschrift „Ms. Magazine“ geschickt wurden. Die Briefe kamen von Mädchen und Frauen (und auch einigen Männern) jeden Alters überall aus den USA. Sie enthalten persönliche Schilderungen von Coming-out und Männergewalt, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Alltagssexismus und feministischer Frustration. „Ms.“ war damals eine der wenigen Anlaufstellen, an die sich Frauen mit ihren Erfahrungen und ihrer Wut wenden konnten.
Solche Stellen sind heute glücklicherweise zahlreicher, dennoch sind feministische Medien weiterhin zentrale Orte, an denen Frauen mit ihren Erfahrungen ernst genommen werden und wo sie ihre feministischen Forderungen artikulieren können.
Nach innen und außen. Feministische Medien wirken immer in zwei Richtungen, sie „sind eine Mobilisierungsressource nach innen wie nach außen“, schreibt die Medienwissenschaftlerin Elisabeth Klaus in einem an.schläge-Kommentar. Und gerade diese Wirksamkeit nach innen darf nicht unterschätzt werden. Denn jede soziale Bewegung braucht eigene Medien, um inhaltliche Auseinandersetzungen zu führen, gemeinsame Positionen zu erarbeiten und dabei Zusammenhalt und Zugehörigkeit zu schaffen. Feministische Medien – und dazu gehören inzwischen auch digitale und Soziale Medien – dienen so als wichtiges Instrument für die Selbstvergewisserung feministischer Bewegungen weltweit.
Aber auch den Einfluss nach außen gibt es. Zwar stellt sich angesichts der oft überschaubaren Reichweiten unweigerlich auch für uns Medienmacherinnen immer wieder die Sinnfrage, doch es ist unbestreitbar: Feministische Medien sind gesellschaftspolitisch wirksam.
Auch wenn es mitunter quälend langsam vonstatten geht, es findet ein Thementransfer statt. Etablierte Medien müssen irgendwann notgedrungen feministische Inhalte aufgreifen, die (oft lange) zuvor als radikale Forderungen von Feministinnen in den gesellschaftlichen Diskurs gebracht wurden.
Unverzichtbares Korrektiv. Das linksalternative Medienspektrum bildet so ein demokratiepolitisch unverzichtbares Korrektiv zum medialen Mainstream, denn es erweitert den Raum des Denk- und Sagbaren, der sich sonst, hierzulande insbesondere aufgrund der enorm hohen Medienkonzentration und der Übermacht des Boulevards, immer weiter einschränken würde. Es wirkt der schleichenden Verschiebung des öffentlichen Diskurses nach rechts entgegen, die sich weltweit beobachten lässt, seit rechtspopulistische bis rechtsextreme Regierungen und illiberale Demokratien global auf dem Vormarsch sind.
Unter diesen Regierungen stehen nicht nur demokratische Grundrechte zunehmend unter Beschuss, sondern auch die Pressefreiheit selbst.
Drastische Verschlechterung. Wie schnell es bergab gehen kann, zeigt sich eindrücklich am Beispiel Österreichs: Unter Schwarz-Blau gab es eine drastische Verschlechterung der Pressefreiheit, wie die NGO „Reporter ohne Grenzen“ im April kritisierte. „Österreich verliert seine Einstufung als Land mit guter Pressesituation“, zeigte sich die Organisation in einer Aussendung alarmiert. Auch „die Gefährdung der Grund- und Freiheitsrechte liegt in der Luft“, hatte zuvor bereits der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) gewarnt. Und ein Rating des internationalen Netzwerkes Civicus kam zu dem Schluss, dass Aktivitäten der Zivilgesellschaft in Österreich schwieriger geworden seien – Österreich wurde unter Schwarz-Blau von bisher „offen“ auf „eingeengt“ herabgestuft.
Überall auf der Welt, wo rechte Regierungen an der Macht sind, gibt es diese Angriffe und dieselben Muster: Attacken gegen Minderheiten, Angriffe auf die Medien – und immer auch auf den sogenannten „Gender-Wahnsinn“. Und wegen dieser dezidiert antifeministischen Agenda sind innerhalb der linken Gegenöffentlichkeiten feministische Positionen so besonders wichtig, die den drohenden Backlash skandalisieren.
Gewissen für Geschlechtergerechtigkeit. Denn andere Medien erfüllen die Aufgabe, ein Gewissen für Geschlechtergerechtigkeit zu sein, weiterhin sehr schlecht – wovon selbst Medien des linksalternativen Spektrums nicht immer ausgenommen sind, denn auch in deren Redaktionen gibt es Machos und Mansplaining. Frauen, Frauenpolitik und feministische Themen sind dementsprechend medial immer noch massiv marginalisiert. Medial präsent sind fast ausschließlich „Aufreger-Themen“ wie etwa Burka-/Kopftuch- oder #MeToo-Debatten, wobei eine sensationalistische Berichterstattung dominiert, die sich nur äußerst selten strukturellen Schieflagen widmet.
Über Diskriminierung oder Gewalt gegen Frauen wird hingegen nur nach aktuellen Ereignissen mit Nachrichtenwert, wie besonders blutigen Straftaten, berichtet. Und was Nachrichtenwert hat und was nicht, ist das historische Resultat einer immer schon männlich dominierten Medienwelt. Für feministische Medien gelten deshalb bei der Berichterstattung grundsätzlich andere Kriterien: Was als „soft oder hard news“ gilt, wird neu definiert, der berühmte feministische Spruch „Das Private ist politisch“ findet also auch bei der Auswahl der Themen seinen Niederschlag. Das heißt, auch die politische Relevanz von Themen wie beispielsweise Sexualität wird verhandelt.
Feministische Evergreens. Die Aufgabe feministischer Medien besteht also einerseits darin, über vernachlässigte feministische Themen kontinuierlich zu berichten und solche feministischen „Evergreens“ – wie z. B. Abtreibungsrecht, Gewalt gegen Frauen, Gender Pay Gap, Aufteilung von Haus- und Erziehungsarbeit, Körperbilder, Sexualität – konsequent zum Thema zu machen. Aber sie erschöpft sich dabei keinesfalls im Aufgreifen solcher sogenannter „Frauenthemen“. Vom feministischen Medien wie an.schläge werden stattdessen sämtliche Themen aus einer feministischen Perspektive beleuchtet. Wir lösen damit ein, was wir auch politisch fordern, nämlich dass Feminismus eine Querschnittsmaterie sein muss, dass also Feminismus in jeder Disziplin und Frauenpolitik immer und in jedem Ressort mitgedacht werden muss.
Jedes Thema ist feministisch. Denn jedes Thema hat immer auch feministische Aspekte, das bedeutet, dass die Implikationen für Frauen andere sind als für Männer, egal ob es um die Klimakatastrophe oder eine Steuerreform geht. Und nach wie vor kommen solche geschlechtsspezifischen und im Idealfall auch intersektionalen Analysen in den etablierten Medien so gut wie gar nicht vor.
Aber es sind nicht nur feministische Topics, die ausgeblendet werden, es sind auch die Frauen selbst. Laut Global Media Monitoring sind drei von vier Personen, die in den Nachrichten Erwähnung finden, Männer. Und die Studie #frauenzählen der Universität Rostock kommt zu dem Ergebnis, dass etwa achtzig Prozent aller non-fiktionalen Unterhaltungsprogramme Männer zeigen. Diese Asymmetrie setzt sich auf der visuellen Ebene fort, die Geschlecht weiterhin oft sehr klischeehaft ins Bild setzt. Feministische Medien setzen dem eine alternative Bildpolitik entgegen.
Feministische Medienpolitik zielt aber nicht nur aufs große gesellschaftspolitische Ganze, sondern auch auf die eigenen Arbeitsbedingungen – die in den eigenen prekären Projekten freilich auch nicht immer rosig sind – und die Missstände in anderen Redaktionen ab. Die an.schläge haben sich deshalb zum Internationalen Frauentag an einem Streikaufruf von Journalistinnen beteiligt, in dem es heißt: „Auch innerhalb der Redaktionen ist männliche Dominanz tagtäglich zu spüren – z. B. wenn es darum geht, wer die Themen setzt, wessen Beitrag einen prominenten Platz erhält oder wer als kompetenter gilt, ein Thema zu kommentieren.“ Und zum Pay Gap: „Rund 35 Prozent der weiblichen Freelancer sind Geringverdienende, bei ihren männlichen Kollegen sind das nur etwa 23 Prozent. Freiberuflichkeit trifft Frauen also härter. Eine Journalistin in Deutschland verdient durchschnittlich 2436 Euro netto, ein Journalist 3151 Euro.“
Feministische Medienpolitik muss also auf vielen Ebenen gleichzeitig ansetzen, sie muss in eigenen Medien stattfinden, aber auch in andere Medien vordringen. Und sie darf angesichts des gegenwärtigen Gegenwinds vor allem eines nicht: die eigene Relevanz unterschätzen und den Mut verlieren.
BAM!
Die an.schläge sind Teil des Bündnis Alternativer Medien BAM!, einer Allianz kritischer Medien, die sich unter Schwarz-Blau gegründet hat: www.bam.jetzt