Von London bis Wien: Monarchen-Kitsch lässt die Kassen klingeln. Mit der Romantisierung der Ausbeuter und Antifeminist:innen muss endlich Schluss sein, findet Brigitte Theißl
Ende Dezember hielt die Welt den Atem an. Würde König Charles sich auf Samoa für „die Versklavung von Millionen Menschen unter der Herrschaft des Britischen Weltreichs zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert“ entschuldigen? Nö, wieder nix geworden. Sollte man aber auch nicht so eng sehen, seine „tiefe Trauer“ über die Sklaverei hatte der Windsor-Sprössling ja bereits 2022 kundgetan. Und überhaupt: Bestimmt vergessen, sobald Jo Hansford, einst persönliche Frisier-Dame von Camilla, endlich ihre pikanten Details über die Windsor-Hochzeit 2005 auspackt. Oder aber sich ein neues Kapitel im royalen britischen Bruderzwist auftut (wer von den beiden ist nochmal das Arschloch?).
Royal-Content gänzlich auszuweichen, wie ich das fast schon krampfhaft versuche, erweist sich als regelrechter Spießroutenlauf: Aus den Streamingkanälen quellen Königshäuser-Serien geradezu hervor, jedem halbwegs prominenten Monarchen-Tod widmet der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine mehrstündige Liveübertragung. Dass meine Kenntnis der europäischen Adelsclans nicht weit über William und Harry hinausreicht, empfinde ich fast schon als Errungenschaft.
Immerhin weiß ich, dass das britische Königshaus von der Einkommenssteuer, der Kapitalertragssteuer und der Erbschaftssteuer ausgenommen ist. Laut „Guardian“ besitzt Charles III. rund 1,8 Milliarden Pfund, 2022 durften die britischen Steuerzahler:innen dem Königshaus dennoch 98 Millionen Euro überweisen – für Haus- und Hofdamen etwa und für offizielle Reisen, bei denen das Fußvolk immer wieder aufs Neue auf ein „Sorry“ für die Verbrechen der Krone hoffen darf.
Nun gut, als Österreicherin sollte ich nicht zu laut lachen über die Engländer:innen, die in London stunden- oder tagelang Schlange stehen, um ihrem König einmal zuwinken zu dürfen. Habsburger-Nostalgie ist auch hierzulande ein florierender Geschäftszweig, auf dem „Kultur- und Informationssender“ ORF III sind geschätzte dreißig Prozent der Inhalte den „schönsten Schlössern Österreichs“ und sonstigem Adels-Trara gewidmet. Selbst wer unbedacht durch den Wald spaziert, darf sich dem Adel verbunden fühlen. 81 Prozent der Waldflächen befinden sich in Privatbesitz, unter den großen Forstbetrieben sind neben der Kirche vor allem Adelsfamilien zu finden. Während in den meisten anderen Kronländern der Adel nach dem Ersten Weltkrieg nämlich enteignet wurde, ließ man das in Österreich sein.
Aber keine Sorge, ihr Geld und ihre Tagesfreizeit investieren einflussreiche Adelsfamilien gerne zum Wohle der Gesellschaft: z. B., um für ein Totalverbot der Abtreibung oder für den Aufstieg der AfD zu kämpfen. Quer durch Europa sind Adelsnachkommen bestens vernetzt in rechtskatholischen Kreisen – skurrile Figuren wie Heinrich XIII. Prinz Reuß (ja, der Reichsbürger, der vermutlich einen Staatsstreich plante) betrauern schon mal öffentlich den Untergang der Feudalherrschaft.
Frauen in ihren Rechten zu beschneiden – da haben freilich auch Prinzessinnen und Kaiserinnen immer schon mitgemischt. Maria Theresia etwa ließ Abtreibung mit dem Tod durch das Schwert bestrafen – trotzdem können es Feministinnen nicht lassen, immer wieder aufs Neue die Frauenrechtlerin oder zumindest ‚Powerfrau‘ in der Monarchin zu suchen. So auch im Falle von Quotenbringerin Sisi, die laut Historiker:innen zu Lebzeiten kaum bekannt war und erst später durch verkitschte – und historisch falsche – Erzählungen zur Ikone wurde. So fand Sisi, dass Frauen in der Politik nichts verloren haben, für ihre aufwändigen Flechtfrisuren und Schönheitsbehandlungen interessierte sie sich wohl mehr als für die hungernde Bevölkerung. Nun gut, von Blaublütern, die meinen, sie wären dazu auserwählt, andere auszubeuten und zu beherrschen, darf man vermutlich nicht zu viel erwarten: Klassenkampf von oben mit Gottes Hilfe – Grund genug aber, statt auf Prinzessinnen und Fürsten in Kinderbüchern einfach mal auf Revolutionärinnen zu setzen. Hashtag „Princess Treatment“? Wie wär’s mit Enteignung!