Pink stinks? Sind die rosa Glitzer-Tüllklamotten einfach nur sexistisch-kapitalistischer Konsumterror? Oder sollte stattdessen das ewige feministische Rosa-Bashing selbst kritisch hinterfragt werden? CORNELIA GROBNER und ULLI WEISH diskutieren.
Mädchen mögen keine Monster. Mädchen mögen auch keine Superhelden. Oder Ritterburgen. Auch keine Autos und keine Raketen. Mädchen mögen Rosa. Das lernen sie von klein auf, wenn sie nur mit offenen Augen an den Plakatwänden, den Einkaufsregalen und Schaufenstern vorbeitrödeln. Dafür werden sie belächelt und die Eltern, die sie mit dem Zuckerwatte-farbenen Spielzeug und Gewand eindecken, vom intellektuellen Mainstream geschmäht. Rosa verdirbt den emanzipativen Charakter. Oder?
Pinkstinks heißt jener Verein, der öffentlichkeitswirksam gegen Werbe- und Medieninhalte auftritt, die Kinder in limitierende Geschlechterschubladen zwängen. Schon im Namen dafür herhalten muss die zum Sündenbock stilisierte Farbe: „Rosa stinkt“. Die Organisation wurde innerhalb der feministischen Szene zu Recht dafür kritisiert, dass sie mit der Abwertung von Pink zugleich alles abwertet, was damit assoziiert wird: Feminität, Homosexualität, Mädchensein. Nebenbei ignoriert der aggressive Kampf gegen die Pinkifizierung kapitalistische Verwertungszusammenhänge und läuft zudem Gefahr, verhohlen Klassismus abzufeiern. Denn gerade in den Billigstläden haben Konsument*innen oft keine andere Wahl: Pink oder Spiderman, etwas anderes gibt es nicht. Und wo Normschönheit, Heteronormativität und Passivität von Mädchen und Frauen dekonstruiert werden sollten, erschöpft sich die Kritik an der Pinkifizierung meist in der Diskriminierung jener, die sozial ohnehin am Rand stehen. Was bleibt unterm Strich? Der weiße, intellektuelle Mittelschichtsfeminismus zeigt mit dem Finger auf die rosa Unterschichtsmädchen und deren Eltern, sprich auf die für Einkäufe vermutlich hauptverantwortlichen Mütter.
Pink ist bestimmt nicht der Feind. Mir macht nicht das rosa T-Shirt Sorgen, sondern das Mädchen, das sich darauf abgedruckt sexualisiert in Pose wirft. Und die tailliert geschnittenen Jeans für Dreijährige.
Nein, Pink ist nicht der Feind. Ich plädiere für mehr Pink – für die Aneignung und nicht für die Verteufelung: rosa Monster, rosa Superheld* innen, rosa Ritterburgen, rosa Autos, rosa Raketen. Pinkifizierung for the win!
Cornelia Grobner ist freie Journalistin. Sie hat als Mutter einer Tochter die Farbe Pink selbst lange Zeit als Feindin aus der Ferne beobachtet, bevor sie sich zur Kollaboration entschlossen hat.

Kreisch-Blink-Farben locken Kids-Begehrlichkeiten im Postkapitalismus. Auch der minderjährige Spross gehört längst zur Zielgruppe von Markenfirmen und Brands der gesättigten Märkte. Plastikramsch aller Art wird im Kinder-Fernsehen und in Kinderzeitschriften verkauft. An Mädchen, an Jungs, an größere Mädchen, an größere Junges, an trendsettende Teenies, an die KonsumentInnen von heute und von morgen. Brands wechseln, Farben auch. Der Verkaufszirkus dreht sich damit schneller, Waren müssen wechseln und das Volumen der ge- und verbrauchten Dinge wird auch dank geschlechtergetrennter Warenkreise garantiert größer, zumeist verdoppelt. Das Jammern der Kinder peitscht die versorgende Elternwelt in innere und äußere Widersprüche. Was wem gefällt, was wer anderer hat, was ein sogenanntes „Must have“ ist, wird familienintern weiterverhandelt. Die Ängste der Eltern verbinden sich mit denen der Kinder: Genderangepasster Konsum wird zur Voraussetzung, um Rangordnungskämpfe in Kindergruppen, Schulklassen und Horts zu führen, also überall dort, wo kollektive Momente in einer Gesellschaft der krassen Gegensätze noch möglich sind. Ein kleiner Schritt in der Alltäglichkeit der Anpassung Richtung „Normalität“. Dabei erscheinen heute Farben als ahistorische „Naturalisierung“, als geschlechtlich codiert und bilden eine sekundenschnelle Distinktionsschablone für Kinder (und Erwachsene) an, um ihre Umwelt als „typisch Mädchen“, „typisch Bub“ wahrzunehmen. Wenn Mädchen von diesen engen symbolischen wie realen Pfaden abweichen, so gilt dies heute zwar nicht mehr als völliges No-Go, Girls-Leadership sieht aber anders aus, denn es kommt heute wieder kess daher: mit Tüll und Zauberstab, als sexy Hexy. Die Genderkostüme für Jungs sind vergleichsweise eng und maskulistisch geblieben. Hier wird Abweichung häufig mit Füßen, Fäusten und vollem Körpereinsatz verhandelt, nach wie vor. Konsumpraktiken und Farbsymbolik sind die Trennlinien von Klasse und Geschlecht heute. Gnadenlos in Windeseile hergestellt. Und immer auch kostenpflichtig.
Ulli Weish ist kritische Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Wien. Als Mutter von zwei schulpflichtigen Töchtern ist sie verstrickt in Konsumkritik und -enthaltsamkeit, was den Kindern manchmal peinlich, manchmal rückenstärkend ist.
