Und plötzlich wusste ich, dass wir die Politik wachrütteln können: Die Studentin und Friday-for-Future-Aktivistin FRANZISKA MARHOLD berichtet über ihren klimapolitischen Weckruf.
Vor einem Jahr hatte ich noch nie für etwas demonstriert. Ich saß brav in der Schule und konzentrierte mich darauf, gute Noten in meinem Maturazeugnis zu bekommen, eine bessere Basketballerin zu werden und Zeit mit meinen Freund*innen zu verbringen. Politisch interessiert war ich jedoch immer. Dem Thema Klimawandel wich ich aber aus. Für mich war das zu groß, zu abstrakt, zu beängstigend und zu fern von meinem Alltag, um mich ausführlicher damit zu beschäftigen. Außerdem dachte ich naiverweise: Wäre Klimawandel ein Problem, das bereits eine akute Bedrohung darstellt, würden wir doch anders handeln, oder? Politiker*innen würden die Bevölkerung über die Gefahr informieren, Wissenschaftler*innen würden Entscheidungsträger*innen beraten, wie wir das Klima am besten schützen können, und Maßnahmen würden rasch umgesetzt werden, oder? Falsch gedacht.
Trotzdem fing ich an, mich selbst über den Klimawandel zu informieren. Bald sagte ich nicht mehr „Wandel“, sondern Klimakrise. Ich sah, dass man sich international darauf geeinigt hatte, die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stabilisieren, wir aber derzeit in Österreich auf drei bis vier Grad zusteuerten. Ich las darüber, welche katastrophalen Auswirkungen dieser Temperaturunterschied haben würde. Arten würden massenhaft aussterben, immer mehr Menschen wären von Naturkatastrophen betroffen, ganze Küstenabschnitte durch die ansteigenden Meeresspiegel vom Untergang bedroht. Das sind nur einige wenige der bekannten Auswirkungen. Ich wollte mir nicht vorstellen müssen, was noch auf uns zukommen könnte.
Was kann man schließlich tun? Ich kann die Arten nicht retten, die Taifune nicht aufhalten oder die Meeresspiegel wieder senken.
Doch dann kam der erste weltweite Klimastreik von Fridays for Future vergangenen März. Dort sah ich Tausende junge Menschen, die in Wien auf die Straße gingen, um für Klimaschutz zu protestieren. Zu Hause im Fernsehen sah ich, dass es weltweit Millionen waren. Und plötzlich wusste ich, dass wir gemeinsam die Kurve kratzen und die Politik wachrütteln können. Es dauerte nicht lange, bis ich selbst Fridays for Future beitrat und dabei mithalf, Massendemonstrationen zu organisieren. Seitdem bin ich so gut wie jeden Freitag auf der Straße.
Genau deswegen ist Klimaaktivismus so wichtig. Durch Aktionen und viel Durchhaltevermögen weckt man nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei anderen Hoffnung. Hoffnung allein reicht aber nicht. Der beste Zeitpunkt, an dem die Politik handeln müsste, ist schon längst vorüber. Denn schon seit etwa dreißig Jahren weiß die Wissenschaft über die Klimakrise Bescheid. Dreißig Jahre lang hat die Politik sich geweigert, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen: Mit unserer Lebensweise zerstören wir die Zukunft aller nachfolgenden Generationen, die aber keinen Platz am Verhandlungstisch hatten. Doch diese Generationen sind jetzt hier und nehmen das nicht mehr so einfach hin! Der letzte Zeitpunkt zu handeln ist jetzt.
Wir fordern, dass Österreich bis 2030 auf netto-null Emissionen kommt. Das heißt, dass alle ausgestoßenen Emissionen auch wieder von natürlichen Ökosystemen aufgenommen werden können. Um das zu erreichen, brauchen wir u. a. 2020 unbedingt eine ökosoziale Steuerreform und ein Ende klimaschädlicher Subventionspolitik.
Klimaaktivismus hat dieses Jahr vor allem bewirkt, dass das Thema bei allen Leuten ankam. Kein*e Politiker*in entkommt der Klimafrage mehr. Diesem Bewusstsein müssen aber jetzt sofort auch Handlungen folgen, denn die Uhr tickt. Bis dahin werden wir weitermachen – und größer und lauter werden. Und wir fordern alle auf, mitzumachen! Egal ob jung oder junggeblieben – wir brauchen jetzt alle, um die Kehrtwende in der österreichischen Politik einzuleiten. Wir sehen uns alsohoffentlich am Freitag und vor allem auch am 29.11. – dem nächsten weltweiten Klimastreik.
Franziska Marhold ist seit Mai 2018 bei Fridays for Future.