Wie die Hoffnung nicht aufgeben? Von Lea Susemichel
Gäbe es ein Pendant zum ikonischen Obama-Plakat, auf dem in großen Lettern „HOPE“ prangt, müsste unter Trumps Porträt „DESPAIR“ (Verzweiflung) stehen.
Tiefe Hoffnungslosigkeit und das lähmende Gefühl von überwältigender Hilflosigkeit sind als erste Reaktion auf die politischen Ereignisse der Gegenwart wohl unausweichlich. Doch wie da nun möglichst schnell wieder rauskommen?
„Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt“, hat der damit zuletzt viel zitierte Ernst Bloch geschrieben. Das stimmt wahrscheinlich, leider macht es diese Androhung nicht besser. Wer kann schon auf einen Appell hin Zuversicht mobilisieren? Hilfreicher ist da vielleicht Max Frisch: „Eine Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Allerdings: Der kommende Faschismus ist unbestreitbar eine Katastrophe. Der Ausweg besteht darin, sich eine Haltung zu erarbeiten, die als „strategischer Optimismus“ bezeichnet wird. „Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens“ ist die Parole Antonio Gramscis, die deutlich macht, dass es tatsächlich strategisch eingesetzte Willensstärke braucht, um nicht zu verzweifeln, wenn die Zeiten derart dunkel sind. Die nüchterne Einsicht, dass die Lage objektiv schon mal besser war, ist freilich dennoch unerlässlich. Psychologische Studien legen nämlich nahe, dass die meisten Menschen sogar übertrieben optimistisch sind und positive Erwartungen an die Zukunft haben, selbst wenn das die gegenwärtige Situation nicht zulässt. Doch wenn faschistische Tyrannen gerade dabei sind, überall auf der Welt die Macht zu übernehmen, braucht es unbedingt eine realistische Einschätzung, wie ernst die Lage ist, um den akuten Handlungsbedarf zu erkennen. Etwas, das ÖVP, Republikaner:innen und all die anderen Steigbügelhalter weltweit offenbar versäumen.
SHE PERSISTED. Den eigenen Kampfgeist stärken, das lässt sich mit Beispielen mutig handelnder Frauen besser als mit bloßen Bonmots berühmter Männer. Etwa mit dem Beispiel der Bischöfin Mariann Edgar Budde, die beim Gottesdienst in Washington direkt in die verächtlich verzerrten Gesichter der Trump-Truppe hinein Kritik an seiner mitleidlosen Politik geäußert hat. Sie wird hoffentlich nur den Anfang gemacht haben. Wir erinnern uns: Auch in Trumps letzter Amtszeit waren es vor allem Politikerinnen, die Trump die Stirn boten, etwa Justizministerin Sally Yates, die sich der Umsetzung seines „Muslim Ban“ widersetzt hat. Oder Elizabeth Warren, die gegen die Nominierung von Jeff Sessions opponierte und deshalb mit „Nevertheless, she persisted“ in die Geschichte einging.
Es sind auch keineswegs nur individuelle Widerstandsakte Einzelner, die Zuversicht geben. Die feministische Bewegung hat durch ihre kollektive Stärke insbesondere im letzten Jahrzehnt so gewaltige Fortschritte erzielt, dass es langfristig hoffentlich einfach kein Zurück mehr gibt. Denn der gewaltige Backlash durch die „Broligarchy“ ist genau das: ein Gegenschlag. Und wie Susan Faludi schon 1991 in ihrem gleichnamigen Buch schrieb: „Der antifeministische Backlash wurde nicht durch den Kampf der Frauen um volle Gleichberechtigung ausgelöst, sondern durch die Tatsache, dass ihre Chancen gestiegen waren, diesen Kampf zu gewinnen. Es handelt sich um einen Präventivschlag, der die Frauen weit vor der Ziellinie stoppt.“
Es ist ja nicht das erste Mal in der Geschichte, dass Faschisten, Demagogen, Autokraten, Antifeministen und Despoten die Macht übernehmen. Und wir haben gesehen, dass sie auch wieder gestürzt werden können, oft sogar viel schneller als gedacht. Es lohnt sich, die historischen Kämpfe von Antifaschist:innen und die Strategien erfolgreicher sozialer Bewegungen zu studieren, um von ihnen zu lernen.
Die Gewissheit, schon so viel erreicht zu haben, kann dabei Ansporn sein, das Erreichte mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Wir dürfen dabei aber nicht den Fehler machen und bescheiden werden. Von den fanatischen Techno-Liberalen und Longtermisten wie Musk, deren Dystopien vor allem die fernere Zukunft im Blick haben, gibt es zumindest eine Sache zu lernen: Auch wenn es in der nahen Zukunft vor allem darum gehen wird, Errungenschaften zu verteidigen, sollten wir uns bitte nicht darauf beschränken. Auch die eigenen Visionen und Gegenentwürfe dieser anderen Welt, die selbstverständlich weiterhin möglich ist und das gute Leben für alle zum Ziel hat, dürfen nicht aus den Augen verloren werden. Widerstand mag für viele von uns vorerst vielleicht nur im Kleinen und Lokalen möglich sein, aber: Think big!