„Perilla“ ist ein neues feministisches Zine der asiatischen Diaspora in Österreich. Vina Yun hat mit Weina Zhao und Noo Poravee vom „Perilla“-Kollektiv über anti-asiatischen Rassismus und DIY-Zines als selbstbestimmte Medien gesprochen.
an.schläge: Unser Gespräch findet wenige Tage nach dem Anschlag in Atlanta in den USA statt, bei dem mehrheitlich asiatische Migrantinnen von einem weißen Täter getötet wurden. Was ging euch durch den Kopf, als ihr von den Morden erfahren habt?
Weina Zhao: Ich fand die Berichterstattung total frustrierend. Die Medien haben in erster Linie die Aussagen des Attentäters wiederholt: Demnach sei die Tat nicht rassistisch motiviert gewesen – er habe einfach einen schlechten Tag gehabt. Wären jüdische oder muslimische Orte attackiert worden, hätte niemand daran gezweifelt, dass antisemitische oder antimuslimische Motive dahinterstanden.
Noo Poravee: Allgemein gibt es nur wenig Bewusstsein für anti-asiatischen Rassismus. Viele sagen: Warum ist das so schlimm, wenn ich dieses oder jenes sage, da geht es doch nur um Essen oder asiatische Kultur! Da wird viel runtergespielt. Atlanta ist ein Beispiel dafür, dass es nicht um Befindlichkeiten geht, sondern um strukturellen Rassismus, der tödlich sein kann.
In der Corona-Pandemie ist nicht nur anti-asiatischer Rassismus sichtbarer geworden, sondern auch der Widerstand dagegen. So machen Initiativen wie #IchBinKeinVirus Attacken gegen Menschen öffentlich, die als asiatisch wahrgenommen werden, Netzwerke wie korientation klären über die Geschichte anti-asiatischer Darstellungen auf. Wie würdet ihr anti-asiatischen Rassismus definieren?
Zhao: Wir alle kennen die Klischees und Stereotype, mit denen wir aufgewachsen und gehänselt worden sind. Aber noch immer gelten der „CCC“-Spruch – die rassistische Variante von „Schere, Stein, Papier“ – oder das Verziehen der Augen als harmlos. Mit Corona ist das Ganze eskaliert, die verbalen und körperlichen Attacken gegen asiatische Menschen passieren nicht nur in den USA, sondern sind ein globales Problem. Dabei spielt die Objektifizierung von asiatischen Menschen eine sehr große Rolle, vor allem bei Frauen, wo sie in Hypersexualisierung mündet. Es ist diese Entmenschlichung, die Verbrechen wie jenes in Atlanta möglich macht. Diese Hypersexualisierung findet man überall. Z. B. blockt das Betriebssystem von Apple, sobald die Kindersicherung aktiviert ist, den Suchbegriff „Asian“, weil er als pornografisch eingestuft wird. Das wurde schon seit Längerem kritisiert, erst jetzt ist eine Änderung im Gespräch.
Noo: Entmenschlichung bedeutet auch: Du kannst nichts richtig machen, du bist entweder zu wenig oder zu viel. Wenn du als asiatischer Mensch etwas besonders gut machst, wirst du oft mit einem Roboter verglichen, mit einer Maschine. Ich finde das toxisch positiv.
Trotzdem werden Rassismuserfahrungen von asiatisch gelesenen Menschen häufig nicht ernst genommen. Ich selbst bekomme immer wieder zu hören, dass es sich gar nicht um „richtigen“ Rassismus handle, weil „die Asiaten“ vielfach positiv wahrgenommen würden.
Zhao: Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Wenn ich versuche, auf anti-asiatischen Rassismus aufmerksam zu machen, muss ich oft richtig brutale Beispiele hernehmen, damit die Leute verstehen, worum es geht. Alltagsrassismus und Mikroaggressionen gelten hingegen als „nicht so schlimm“. Ich behaupte mal: Den meisten Leuten ist klar, dass das N-Wort rassistisch ist, und sie würden das heutzutage nicht mehr infrage stellen. Natürlich hat der Rassismus gegen Schwarze Menschen eine andere Geschichte als bei asiatischen oder asiatisch gelesenen Menschen. Trotzdem ist es vom Verletzungsgrad her, von dem, was es mit mir macht, das Gleiche, wenn ich als Sauge bezeichnet werde.
Noo: Es ist schwierig, diese „kleineren“ Dinge, die im Alltag passieren, anzusprechen. Oft heißt es dann: Warum kannst du da nicht drüberstehen – das war ja nicht böse gemeint!
Zhao: Oder Leute fragen: Warum haben sich asiatischstämmige Menschen nicht schon viel früher aufgeregt, wenn es so rassistisch ist? Und dann kommt so etwas wie, es liege an „der Kultur“. Sich anzupassen und leise zu sein, hat aber nichts mit der Herkunftskultur zu tun, sondern ist eine Überlebensstrategie. Und wenn wir schon über „Kultur“ reden: Dieses Sich-nicht-Einmischen und Wegschauen ist schon sehr österreichisch.
Ja, in Österreich hinkt der Rassismus-Diskurs grundsätzlich Jahre hinterher. Die Frage ist aber auch: Was wird überhaupt als Widerstand gegen Rassismus wahrgenommen?
Noo: Natürlich ist es wichtig, auf Rassismus zu reagieren, und das, was da ist, wird zu wenig wahrgenommen. Aber bei „Perilla Zine“ wollen wir uns nicht bloß über Diskriminierung oder Rassismus definieren: Mit dem Zine haben wir die Möglichkeit, so repräsentiert zu werden, wie wir das wollen, und mehr von der Komplexität der asiatischen Diaspora zu zeigen. Letztlich geht es darum zusammenzukommen und zu suchen, was uns verbindet, was uns Halt und Stärke gibt. Dass wir uns selbst definieren, anstatt immer wieder von außen beschrieben zu werden.
Ihr beschreibt euch als intersektional feministisches Kollektiv. Wie äußert sich diese Haltung in „Perilla Zine“?
Zhao: Es geht um die verschränkten Diskriminierungen, die alle miteinander zu tun haben. In den Kämpfen dagegen wollen wir uns solidarisch zeigen und uns nicht spalten lassen. Innerhalb der asiatischen Diaspora existieren viele Diskriminierungsformen – sei es Klassismus, Sexismus oder anti-Schwarzer Rassismus –, die oft als „Tradition“ verpackt sind. Wir wollen das aufbrechen und nicht von einem „Model Minority“-Mythos, also vom Bild als Vorzeige-Migrant*innen, profitieren.
Noo: Wir wollen das Zine zugänglich gestalten und keine akademische Sprache nutzen. Wir müssen das Wort „intersektional“ nicht drinnen haben, um intersektional zu sein. Barrierefreiheit ist auch ein wichtiges Thema in der Gestaltung. Dabei geht es nicht darum, von Anfang an alles richtig zu machen, sondern dass wir nicht in dieses Denkmuster reinfallen wollen: Wenn es nur wenige betrifft, kann es nicht so wichtig sein.
Warum habt ihr euch für ein gedrucktes Medium entschieden – und nicht etwa für einen Blog oder Instagram-Kanal?
Noo: Es ist schön, etwas in der Hand zu halten, das man durchblättern kann, dieses Haptische. Aber wir überlegen auch, eine Website zum Zine zu machen.
Zhao: Wir wollten auch an die Tradition von DIY-Zines anschließen und das Zinemachen als eine Form von Protest sichtbar machen. Ich bin nicht sicher, ob wir wirklich Menschen der asiatischen Diaspora mit einem gedruckten Zine ansprechen können. Aber mein Gefühl ist, dass man in den Social-Media-Blasen zu sehr unter sich bleibt.
Warum habt ihr das Zine „Perilla“ getauft?
Noo: Perilla ist ein Gewürzkraut, das in vielen asiatischen Küchen verwendet wird. Es hat ein ganz eigenes Aroma und wächst praktisch überall – und über alles drüber.
Weltherrschaft! (Alle lachen.)
Zhao: Wir haben darüber diskutiert, ob wir negative Begriffe neu besetzen können. In Asian-American Kontexten wird z. B. „Yellow Peril“ („gelbe Gefahr“, Anm. d. Red.) neu angeeignet, aber wir wollten einen Namen, der nicht dieser Dafür-oder-dagegen-Logik folgt. Den Aspekt, dass Perilla im Westen als Unkraut betrachtet wird und so widerstandsfähig ist, fanden wir schön.
Vina Yun ist freie Journalistin und Autorin in Wien.
Die erste Ausgabe von „Perilla Zine“ ist ab April erhältlich und kann hier bestellt werden: perilla@riseup.net.
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