Die Satirikerin und „Titanic“-Redakteurin Ella Carina Werner über feministische Spitzenwitze, das Humor-Matriarchat und den Segen ironischer Distanz. Interview: Lea Susemichel
an.schläge: Im letzten Kapitel Ihres neuen Buches „Der Untergang des Abendkleides“ versammeln Sie Kommentare wie „für eine Frau ganz witzig“ oder „in ein paar Jahren sind Sie vielleicht richtig gut“. Hat die Männerdominanz im Humorbusiness nicht endlich mal ein Ende? Wie sieht es beim Satire-Magazin „Titanic“ aus?
Ella Carina Werner: Unter den HumorproduzentInnen – vor allem im Bereich der politischen Satire – sind immer noch locker neunzig Prozent männlich. Das ändert sich aber aktuell rasant, insbesondere bei „Titanic“: Vor fünf Jahren hat noch kaum eine Frau fürs Heft geschrieben, inzwischen ist ein Drittel des Nachwuchses weiblich. Das Humor-Matiarchat wird also irgendwann Realität. Es scheint so schwer und ist gleichzeitig so einfach: Frauen ziehen Frauen nach! Wenn erst mal weibliche Namen und Gesichter zu sehen sind, fühlen sich andere Frauen inspiriert, Beiträge einzureichen – auch wenn man Autorinnen anfangs oft mehr bestärken und ermuntern muss als Autoren. Nur unter den CartoonistInnen beobachte ich leider wenig weiblichen Nachwuchs: Auf bekannte, erfolgreiche Zeichnerinnen wie Katharina Greve oder Miriam Wurster folgt zur Zeit kaum eine nach. Und: Putzigen bis nervigen Paternalismus erlebe ich trotz allem noch, denn unter den älteren, arrivierten Humoristen sind ja fast alle männlich, und da gibt es eben weiterhin teils produktive, teils auch rührend altväterliche Tipps.
Comedians wie Lisa Eckhart bedienen sich kalkulierter Tabubrüche (die ja in Wirklichkeit keine Tabubrüche sind, sondern oft die Mehrheitsmeinung spiegeln) und bekommen dafür viel Aufmerksamkeit. Feministinnen hingegen wird immer wieder Humorlosigkeit unterstellt, es heißt, dass Political Correctness einfach nicht lustig sei. Sie beweisen das Gegenteil.
Das Vorurteil, dass Komik und Feminismus einander ausschließen, ist leider nicht totzukriegen, obwohl ja seit Jahren zahlreiche Feministinnen auch mit komischen Mitteln arbeiten und in ihren Äußerungen viel Humor beweisen – etwa Margarete Stokowski oder die Künstlerin Stephanie Sarley, die vulvaähnliche Früchte für Instagram-Fotos bearbeitet. Anders herum sind etliche namhafte Humorproduzentinnen auch bekennende Feministinnen und machen Spitzenwitze zum Themenfeld Geschlechterungleichheit, von Carolin Kebekus bis Amy Schumer – kurz, Feminismus und Komik sind heute eng verzahnt und befruchten sich gegenseitig.
Selbiges gilt für Komikproduktionen, die Haltung zeigen, die sozial achtsam agieren, ich mag den Ausdruck „Political Correctness“ nicht – da muss man sich doch pointentechnisch gar nicht groß einengen, nur eben eher nicht von oben nach unten treten bzw. vom Mainstream Richtung Minderheit. Wirklich „politisch korrekt“ sind meine Texte aber auch nicht. In meinem Buch gibt es etwa die Geschichte „Finnland erwache“, in der ich die real existierende Begeisterung der Finnen für Atomkraft veralbere und sämtliche Finnlandklischees („Rentierfresser“, knochige Gesichter etc.) auffahre – was niemanden stört, weil die Finnen eben eher zu den Gewinnernationen zählen und es keine Diskriminierungshistorie zwischen Deutschen und Finnen gibt. In solch unverschämtem Ton würde ich aber ganz bestimmt nicht über Polen, Russen oder gar Israelis schreiben. Es kommt also immer auch den gesellschaftlichen und historischen Kontext an.
Humor erfüllt ja viele unterschiedliche Funktionen und hat durchaus auch mit Macht zu tun: Wer lacht mit wem worüber, über wen wird gelacht? Inwieweit unterscheidet sich der Humor von Frauen bzw. Feministinnen?
Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass es „weiblichen“ oder „männlichen“ Humor überhaupt nicht gibt und die bestehenden beobachtbaren Geschmacksunterschiede lediglich eine Sache der unterschiedlichen Sozialisation sind: Als Junge wirst du eher ermuntert und darin bestärkt, über derbe Witze zu lachen, denn als Mädchen, das doch bitte den „versöhnlicheren Humor“ bevorzugen soll. Auch als erwachsene Frau erhalte ich noch von Verlagen oder Literaturagenten den Tipp, dass „sanfter, selbstironischer Humor“ aus Frauenfeder besser auf dem Buchmarkt ankommt. So ein Blödsinn. Die Realität sieht für mich aber anders aus: In meinem Freundeskreis tummeln sich vor allem Frauen, die den aggressiven Spaß bevorzugen, den politischen, aggressiven oder auch mal zotigen Witz lieben.
Dass Feministinnen eine eigene Komik haben, beobachte ich auch nicht, aber ihnen liegt ein wunderbar komisches Erfahrungsfeld zu Füßen, das viele Möglichkeiten für gute Pointen bietet, allein schon die gesamte Geschichte! Noch vor hundert Jahren galten Frauen als frivol oder bekloppt, wenn sie Hosen trugen oder Fahrrad fuhren – wie lustig ist das denn, bitte? Kein Wunder, dass es gerade zur Historie der Frau so traumhaft komische Comics gibt wie „Der Ursprung der Welt“ oder „Das Problem mit den Frauen“. Mit meinen Geschichten erlebe ich auch immer wieder, dass durch die männliche Dominanz unter humorvollen Autoren viele lustige Themen noch gar nicht beackert sind, etwa das Thema Geburt. So viel Raum für steile Pointen!
Hannah Gadsby hat in ihrer viel beachteten Show „Nanette“ gesagt, dass Selbstironie für Marginalisierte meist bloß eine weitere Selbstverletzung und -herabwürdigung ist. Würden Sie dem zustimmen?
Schwierige Frage, und ich weiß nicht, ob ich mir da ein kundiges Urteil erlauben mag, weil ich zwar eine Frau in einer immer noch patriarchalischen Gesellschaft bin, aber eine weiße, heterosexuelle, akademische und recht nach bürgerlichen Normen lebende und somit keine derartigen Diskriminierungserfahrungen habe wie etwa die lesbische Comedian Hannah Gadsby.
Interessant ist, dass die komische Wirkung von selbstironischen Comedians sehr unterschiedlich ist: Bei der US-Komikerin Amy Schumer in „Inside Amy Schumer“ etwa funktioniert die ironische Übertreibung bzw. Bejahung weiblicher Stereotype sehr gut, in vielen deutschen Comedy-Beiträgen das ironische Sich-Kleinmachen überhaupt nicht.
Grundsätzlich finde ich, dass man bei Selbstironie nicht stehen bleiben sollte, sondern immer auch bestehende Herrschaftsstrukturen sichtbar machen bzw. verlachen, verdrehen, veralbern sollte, dann hat es Schlagkraft.
Die subversive Macht von Satire wird offenbar weiterhin so groß eingeschätzt, dass aktuell in China die Stand-up-Comedian Yang Li zensiert wurde, nur weil sie männliche Egos aufs Korn genommen hat. Lässt sich mit Ironie tatsächlich das Patriarchat stürzen?
Ich fürchte nicht. Weder in einer autoritären und noch weniger in einer liberaleren Gesellschaft wie der unseren. Aber Hut ab vor Yang Li. Auch wenn sie das Patriarchat wohl nicht stürzen wird, trägt sie dazu bei, dass es in China überhaupt sichtbar wird und damit bröckelt.
Ihre Mutter spielt eine zentrale Rolle in Ihrem Buch. Können Sie das empfehlen, familiäre und andere Zumutungen einfach mit Humor zu nehmen?
Oh ja, grundsätzlich lässt sich mit ironischer Distanz zu den Dingen fast alles leichter nehmen. Auch wenn sicher nicht jede familiäre Zumutung, etwa Gewalterfahrungen, mit Humor zu bewältigen ist.
Ich sehe das vor allem aus Pointen-Perspektive: Gerade die eigene Familie ist ein sehr gutes Spielfeld für intensive, komische Dialoge. Man ist so eng miteinander, ist auf Gedeih und Verderb ewig aneinander gebunden. Das birgt Stoff für allerlei Reibereien, Kontraste, Widersprüche.
Meine Mutter ist in meinen Geschichten mein liebster Widerpart. Ich sehe diese Konstellation aber nicht nur als etwas Privates, sondern auch in einem größeren gesellschaftlichen Kontext. Etwa, wenn die eigene Mutter heute plötzlich Feministin wird und da verschiedene Frauengenerationen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Zielen aufeinanderprallen.
Ella Carina Werner ist Autorin, Satirikerin und Redakteurin des Satiremagazins „Titanic“. Zuletzt von ihr erschienen: „Der Untergang des Abendkleides“, Satyr Verlag 2020.