Ob die eigenen vier Wände zum Dancefloor umgewandelt werden oder das Sofa zur Solo-Cocooning-Insel wird – in diesem Monat gibt es genug musikalische Gründe, um einfach mal drin zu bleiben. Von SONJA EISMANN
Sie hat das Zeug, der nächste Star der queeren, experimentierfreudigen und dennoch auch im Mainstream erfolgreichen HipHop-Szene zu werden. Nach dem Internet-Hype um die Rapperinnen Azealia Banks und Iggy Azalea ist Kreayshawn die erste der drei oft in einem Atemzug genannten Newcomerinnen, die mit Somethin ’Bout Kreay (Columbia/Sony) ein komplettes Album auf den Markt bringt. Jedoch wurde der erst Anfang-zwanzig-jährigen Kreayshawn, die sich in ihrem Internet-Hit „Gucci Gucci“ mit ikonischen Symbolen schwarzer Popkultur schmückte und als Abschlepperin und Disserin von „Bitches“ gerne eine klischiert männliche Sprechposition einnimmt, bereits mehrfach vorgeworfen, sich als Weiße parasitär bis parodistisch an Black Culture zu bedienen. Ein ernstzunehmender Vorwurf, mit dem die Kritik jedoch, so der Eindruck, bei weiblichen Akteuren schneller zur Hand ist, da diese per se als „Anomalien“ im Rap-Feld wahrgenommen werden. Doch was hat es denn nun mit der Musik der jungen Hipsterin auf sich? Schnell und frech gerappter Bubble-Gum-Electro-Rap, der an unvergessene Girl Crews wie JJ Fad denken lässt (deren Hit „Supersonic“ wird in „K234YSONIXZ“ auch unüberhörbar referenziert) und mit balleriger Unterstützung von Global Stars wie Diplo, 2Chainz und Kid Cudi ordentlich in die Ohren knallt. Wie lang die Halbwertszeit von so eingängigen wie cheesy 80s-Synthlines und „Lalala“-Chören aus der selbstbewussten Gören-Perspektive letztlich sein wird, muss sich noch zeigen – ein großer Partyspaß ist es jetzt gerade allemal.
Auch bei Catarina Aimée Dahms alias Cata Pirata und ihrem Global-Beats-Projekt Skip&Die ist es zunächst die Hautfarbe, die ins Auge sticht. Wieso betitelt ausgerechnet eine weiße südafrikanische Künstlerin, im Team mit ihrem ebenso weißen niederländischen Kollaborateur Jori Collignon, ihr erstes Album Riots in the Jungle (Crammed Discs/Indigo/Pias), den Opener darauf „Jungle Riot“ und Track 5 „Love Jihad“? Zwei Monate lang fuhren Cata und Jori dafür durch Südafrika und trafen zahlreiche MusikerInnen aus Genres wie Rap, Rock, Elektronik und Traditional. Mit ihnen nahmen sie das Grundmaterial für die zwölf Tracks der Platte auf, sodass „Riot in the Jungle“ maßgeblich durch die lokalen Kollaborationen geprägt ist. Dennoch, so verrät die Platteninfo, sähen Catarina und Jori das Endergebnis, das sie in Amsterdam mit Mitgliedern der Amsterdam Klezmer Band fertig arrangierten, „im Kern als ihr Projekt“. Globaler Folk als Ersatzteillager für First-World-Hipster? Oder wichtiges Engagement für eine postkoloniale Sicht auf Pop? Das muss wohl jedeR HörerIn beim Stöbern durch diese eklektische Sammlung selbst entscheiden. Ein willkommener Kontrapunkt zum okzidentalen Mainstream-Pop ist die catchy Platte ohne Frage.
Eine ganz andere Baustelle bedient die Norwegerin Susanne Sundfør mit ihrem dritten Album The Silicone Veil (Grönland Records/Rough Trade) – nämlich die des bombastischen Zauberwaldpops, in dem sie höchstselbst als singende Magierin herumgeistert. Auch wenn man zunächst den Eindruck hat, so viel überbordende Emotionalität und sanfte Düsternis (mit Sternenstaub versetzt, allerdings) sei schlicht nicht auszuhalten, schafft es die in ihrer Heimat extrem erfolgreiche Musikerin doch, für sich und ihr märchenhaftes Songwriting einzunehmen. Die zuckersüß wehmütigen, filmmusikartigen Kompositionen sind eben genau das Richtige, um sich zu Hause in eine warme Decke zu hüllen und leise melancholisch den Blättern beim Fallen zuzusehen.
Auch Chelsea Wolfe aus Nordkalifornien kann sich offensichtlich für die melancholischeren Aspekte des Lebens erwärmen, wie ihre erste reine Akustikplatte, Unknown Rooms: A Collection of Acoustic Songs (Sargent House/Cargo) beweist. Die in L.A. lebende Singer-Songwriterin, die für ihre doch recht ungewöhnliche Trademark eines dronigen Metal-Art-Folk bekannt ist, lässt hier die Geigen aufbranden, ihre Stimme aufseufzen, die Gitarren klimpern und die Frauenchöre jauchzen, all das gespeist aus einem riesigen Topf Honig mit einem Schuss brennenden Brandy – also perfekt für die Jahreszeit und eine Runde asoziales Cocooning. Ganz alleine im Lehnstuhl.
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