Auf Corona-Demos werden feministische Slogans wie „My body, my choice“ von Impfgegner*innen vereinnahmt. Lea Dora Illmer hat mit der Politikwissenschaftlerin Judith Goetz darüber gesprochen, warum das nicht nur dreist, sondern auch gefährlich ist.
Plötzlich findet sich mit „My body, my choice“ ein zentraler feministischer Slogan auf Schildern von Impfgegner*innen. Ist der Vergleich berechtigt?
Auffällig ist aus feministischer Perspektive die Verteidigung körperlicher Souveränität, sobald es eben nicht ausschließlich um Frauen geht. Gerade in Bezug auf restriktive Abtreibungsgesetzgebungen haben dieselben Personen, die sich nun für körperliche Entscheidungsfreiheit einsetzen, oftmals kein Problem damit, wenn Frauen dieses Recht verwehrt wird. Der Vergleich hat also ganz und gar keine Berechtigung.
In der Umdeutung dieser Forderung kommen zudem gleich mehrere gefährliche Denkmuster zusammen: antikommunistische Ressentiments, wonach sich die Demokratie in eine Tyrannei bzw. Diktatur mit staatlich auferlegten Zwängen entwickelt; die antisemitische Vorstellung, dass okkulte Kräfte in den Hinterzimmern einen geheimen Plan mit der Impfung verfolgen; aber auch sozialdarwinistische Aspekte, wenn im Sinne eines „Survival of the fittest“ behauptet wird, das Virus könne gesunden Körpern nichts anhaben.
Inwiefern können Slogans und Parolen überhaupt einer Bewegung „gehören“?
Begriffe und Parolen haben zumeist eine Geschichte, die sich auch weiterentwickelt und auf aktuelle (feministische) Debatten reagiert. Das zeigt sich beispielsweise an der Parole „Abtreibung ist Frauenrecht“, die inzwischen auch in der Version „Abtreibung ist Menschenrecht“ zu hören ist, um alle Gender-Identitäten zu inkludieren. Dennoch sind entsprechende Entwicklungen nicht beliebig und gerade rechte Szenen sind dafür bekannt, die Umdeutung von Parolen und Begriffen gezielt als eine Normalisierungsstrategie ihres Gedankenguts einzusetzen.
Auch „Nein zu abtreibungsverseuchten Impfstoffen“ ist auf Plakaten zu lesen. Welche Bedeutung haben Corona-Demonstrationen für rechte Gruppierungen?
Viele rechte und fundamentalistische Gruppierungen haben erkannt, dass sich im Zuge der Covid-19-skeptischen Debatten neue Partizipationsfelder für sie eröffnen. Dabei werden Ängste bedient, z. B. dass die Impfung zu Unfruchtbarkeit oder Impotenz führe oder dem Fötus schade. Indem rechte Botschaften mit aktuellen Forderungen verbunden werden, lässt sich in Spektren punkten, sie sich weitgehend als unpolitisch verstehen. Gleichzeitig ermöglicht die Teilnahme den Rechten eine Selbstinszenierung als einfache Menschen mit Hausverstand sowie als Teil des „verärgerten Volks“. •