Frauen-Football läuft in Österreich unter dem Radar. Völlig zu Unrecht, wie ein Besuch bei den Vienna Vikings Ladies zeigt. Von Brigitte Theißl und Anika Haider
Auf dem Weg zum Training der Vienna Vikings Ladies liegt die Temperatur knapp über null Grad, es ist ein dunkler Montagabend Ende Jänner. „Hier in Simmering ist es immer noch ein bisschen kälter“, sagt Conny. Auf der Sportanlage der Vienna Vikings im 11. Bezirk, unweit des Simmeringer Friedhofs, haben sich rund zehn Frauen eingefunden. Kraftraum, Spielfeld und Kabinen teilen sich die Viking Ladies mit den Männerteams. Während der beiden Pandemie-Jahre sind einige Spielerinnen verloren gegangen, früher hätten hier regelmäßig bis zu dreißig Spielerinnen trainiert. „Oft haben wir gar nicht genug Leute, um Spielzüge zu trainieren“, sagt Susie. Ressourcen fehlen an allen Enden und Ecken, der Stimmung im Team tut das kaum Abbruch. „Du steckst so viel in diesen Sport und das Team, es ist schwer, wieder davon loszukommen“, formuliert es Conny.
Randsportart. Obwohl wie in nahezu jeder Sportart auch im American Football die Männer besser aufgestellt sind, hat es Football hierzulande insgesamt schwer. Österreicher*innen lieben Skifahren und Fußball, Highlights wie die Hahnenkamm-Abfahrt in Kitzbühel oder UEFA-Europameisterschaften verfolgen regelmäßig Hunderttausende. Schon im Volksschulalter treten viele dem lokalen Fußballverein bei, 125.000 Kinder und Jugendliche trainieren laut Zahlen des ÖFB aktuell in Nachwuchsmannschaften. American Football und auch andere US-amerikanische Sportarten boomen zwar, doch die Zahlen sprechen für sich: Laut American Football Bund Österreich waren 2020 7.300 Athlet*innen in 42 American- und 40 Flag-Football-Vereinen aktiv. Flag Football, eine Variante des American Footballs, ist im Kommen: Bei der laufbetonten und passlastigen Sportart stehen sich nur fünf Spieler*innen eines Teams gegenüber, Körperkontakt ist dabei verboten.
Den Fans hat American Football einiges zu bieten: Die körperbetonte und auch taktisch anspruchsvolle Disziplin liefert oft spannende und vor allem abwechslungsreiche Partien. Anders als beim Flag Football gibt es viel Körperkontakt: Etwa, wenn bei einem oft brutal wirkenden Tackle die Gegnerin zu Boden gebracht wird. Wer zum ersten Mal ein Spiel verfolgt, kann jedoch vom Geschehen auf dem Platz schnell überfordert sein – American Football hat ein komplexes Regelwerk. Das Grundprinzip des Spiels ist dennoch schnell erklärt: Zwei Mannschaften zu je elf Spieler*innen treten in vier Quarters zu je 15 Minuten gegeneinander an und versuchen mit dem Ball das Ende der gegnerischen Spielhälfte zu erreichen. Wer die meisten Punkte erzielt, gewinnt, ein Unentschieden gibt es in manchen Ligen im Gegensatz zum Fußball nicht. Ganze sechs Punkte gibt es für den berühmten Touchdown, ein Field Goal zählt drei Punkte. Eine Besonderheit: Offense und Defense, also Angriff und Verteidigung einer Mannschaft, stehen nie gemeinsam auf dem Spielfeld – und werden auch von eigenen Spezialist*innen trainiert.
Körperliche Vielfalt. „Das Beste am Football ist, dass so unterschiedliche Typen darin Platz haben“, sagt Martina Beisteiner aus dem Trainer*innen-Team der Vikings Ladies. Einen genormten athletischen Körper gibt es beim Football nicht, kleine, wendige Menschen sind ebenso gefragt wie große kräftige, die vor allem in der Verteidigung zum Einsatz kommen. „Teamgeist, Smartness, Kraft, Schnelligkeit und Härte“ seien gefragt, ist auf der Website der Vikings zu lesen.
Die Vikings Ladies sind kein Profi-Team, sämtliche Spielerinnen betreiben den Sport in ihrer Freizeit – auch die Trainer*innen arbeiten ehrenamtlich. Entsprechend niederschwellig ist auch ein Einstieg möglich. Interessierte können ab 14 Jahren zu einem Probetraining kommen, Vorkenntnisse braucht es keine. Teamspielerin Susie ist erst mit dreißig Jahren bei den Vikings eingestiegen – zumindest bis zum 40. Geburtstag ist es durchaus möglich, auf dem Feld zu stehen. Nur wenige im Team spielen schon seit Kindertagen Football, Cilia etwa turnte im Verein, auch ehemalige Fußballerinnen sind unter den Vikings. Die Saison mit Bewerbsspielen beginnt für die Vikings Ladies erst im Herbst, trainiert werden Fitness, Taktik und Koordination aber das ganze Jahr über, auch in der Off-Season.
Rekordmeister. Österreichweit sind aktuell drei Frauenmannschaften aktiv, die Vienna Vikings können einen beachtlichen Erfolg vorweisen: 2022 räumten sie bereits zum 20. Mal in Folge den österreichischen Meistertitel ab – ein Rekord, der seinesgleichen sucht. Im Finale im November bezwang das Team die Telfs Patriots Ladies aus Tirol mit einem sagenhaften 48:0-Sieg. Grund zum Feiern gibt es bei den Vikings Ladies also regelmäßig, hinter den Siegen steckt aber kein großzügiger Mäzen, sondern jede Menge Arbeit.
Do-it-yourself ist das Grundprinzip im Verein: Die Ausrüstung muss ebenso wie Transporte und Reisen zu Auswärtsspielen selbst organisiert werden, auch das Marketing stemmen die Vikings Ladies selbst. Da Frauen-Football international wenig Aufmerksamkeit bekommt, ist es äußerst schwierig, Sponsoren an Land zu ziehen – oft läuft die Suche über den Bekanntenkreis. Auch das österreichische Frauen-Nationalteam liegt derzeit auf Eis, die letzte Europameisterschaft wurde 2019 bestritten.
Eingeschworene Gemeinschaft. „Der Teamgeist bei uns ist aber wirklich unglaublich“, sagt Conny. Dieser Zusammenhalt ist es auch, der die Spielerinnen am Ball hält – denn der Hobbysport ist ein enormer Zeitfresser. Professionellere Strukturen finden sich in den skandinavischen Ländern, in Schweden konnte sich Quarterback Conny auch einen persönlichen Traum erfüllen. Die ehemalige Bürokauffrau spielte dort eine Saison und sammelte wertvolle Erfahrungen für die Heimmannschaft.
Trotz heftigen Körpereinsatzes sei die Verletzungsrate gering, erzählen die Spielerinnen. Passiert doch etwas, gibt es praktischerweise mehrere Physiotherapeutinnen im Team. Wie jede Mannschaft haben aber auch die Vienna Vikings Ladies eine legendäre Geschichte parat: Als Quarterback Conny sich in einem Bewerbsspiel den Finger ausrenkte, lief sie an den Spielfeldrand, ließ sich den Finger wieder einrenken und setzte das Spiel fort. „Man gibt eben alles für das Team“, sagt Conny lachend. •
Brigitte Theißl durfte auf dem Feld mit Quarterback Conny und Trainer Cameron Frickey ein paar Bälle werfen und würde ihre Kinder sofort zum Training schicken.
Anika Haider kann auch nach dem professionellen Coaching keinen Football geradeaus werfen, angefixt, ein neues Hobby aufzunehmen, wurde sie trotzdem.
Wer interessiert ist, ein Probetraining zu absolvieren, meldet sich unter: ladies@viennavikings.com. Auch auf Social Media sind die Vienna Vikings zu finden:
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