Immer mehr Menschen wollen ihren Kinderwunsch auch ohne Partner*in umsetzen. Solomüttern werden dabei viele Steine in den Weg gelegt.
Es ist verrückt«, sagt Sabrina Mondini, während sie ihr einjähriges Kind vor dem Bauch trägt. „Einerseits erlebe ich die Solomutterschaft als emanzipatorischen Akt: Ich habe mich für etwas entschieden, das ich mir sehr gewünscht habe – und ich hatte die Möglichkeit, es zu verwirklichen.“ Das Baby, dessen alleinige Erziehungsberechtigte Sabrina Mondini ist, schlummert zufrieden in der Trage. „Andererseits hat mich diese Entscheidung in eine Situation gebracht, in der ich stark benachteiligt bin – sowohl finanziell als auch aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung“, fährt sie fort. „Ich lebe nun ein Minderheiten-Familienmodell, das viele Menschen nicht kennen oder nicht für unterstützenswert halten.“
EINELTERNFAMILIE. Sabrina Mondini versteht sich als Solomutter – und folgt dabei der Definition, die auch der Verein Solomütter Deutschland nutzt: Eine Person entscheidet sich aktiv dafür, ein Kind zu bekommen – und zwar weder in einer Partnerinnenschaft noch in einer Co-Elternschaft. Darüber hinaus unterscheiden sich Solomütter von Alleinerziehenden durch eine Familienplanung, die unabhängig von weiteren Personen verwirklicht wurde, auch wenn die Lebensrealitäten sich mitunter ähneln. Für die meisten Solomütter ist dieser Weg nicht die erste Wahl, erzählt Sabrina Mondini, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses. Er erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage: Möchte ich ein Kind – und bin ich bereit, eine Einelternfamilie zu gründen, die von heteronormativen Familienmodellen abweicht? Ist die Entscheidung gefallen, bedeutet das keineswegs, dass der darauffolgende Weg vorgezeichnet und ohne Hürden ist – im Gegenteil. Für Menschen mit Uterus stellt sich nun die Frage, wie sie schwanger werden.
In Deutschland ermöglichen immer mehr Bundesländer Alleinstehenden den Zugang zu Kinderwunschkliniken. Dennoch bleibt die finanzielle Hürde hoch: Während verheiratete heterosexuelle Paare staatliche Unterstützung für Kinderwunschbehandlungen erhalten, sind queere und unverheiratete Paare oft auf komplizierte, schwer zugängliche Förderprogramme angewiesen. Für Solomütter ist die Lage besonders schwierig: Sie müssen sämtliche Kosten – von der Behandlung über Medikamente bis zur Samenspende – selbst tragen, ohne Aussicht auf Erstattung durch Krankenkassen oder Finanzämter. Besonders betroffen sind Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen wie Endometriose, die oft intensivere Behandlungen benötigen – und damit noch höhere Kosten zu stemmen haben. Unabhängig davon, ob eine Kinderwunschklinik aufgesucht wird oder die Befruchtung anderweitig erfolgt, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um schwanger zu werden: mittels einer anonymen Samenspende über eine Samenbank oder einer privaten Spende. Beide Wege bergen eigene Herausforderungen.
Bei einer „anonymen Samenspende“ bleibt die Identität des Spenders gegenüber der Empfängerin anonym. Dennoch haben Kinder, die auf diesem Weg gezeugt wurden, das Recht, ihre genetische Herkunft zu erfahren. Dieses Recht ist seit dem 1. Juli 2018 in Deutschland im Samenspenderregistergesetz (SaRegG) verankert: Ab dem 16. Lebensjahr können betroffene Kinder Auskunft über die Identität des Spenders erhalten. Damit soll ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewahrt bleiben, während die Anonymität des Spenders gegenüber der Empfängerin bestehen bleibt. Auch in Österreich haben durch Samenspende gezeugte Kinder das Recht, die Identität des Spenders zu erfahren – dort bereits ab dem 15. Lebensjahr.
RECHTLICHE RISIKEN. Ein zweiter Weg zur Solomutterschaft ist die private Samenspende – entweder durch Bekannte oder vermittelt über eine Plattform. Dabei vereinbaren die Beteiligten individuell, welche Rolle der Spender spielen soll. Diese Option ist kostengünstiger und oft auch leichter zu realisieren, da Klinikbehandlungen und Spendersamen teuer sind und privat finanziert werden müssen. Doch sie birgt auch rechtliche Risiken – etwa im Umgang mit Behörden oder bei späteren Unterhaltsfragen. Die Gefühle aller Beteiligten – Mutter, Spender und Kind – können sich im Laufe der Zeit ändern, was dazu führen kann, dass frühere Absprachen angefochten oder für ungültig erklärt werden. Ein weiteres Problem ist die Unterhaltspflicht: Ist der Samenspender bekannt, könnten Ämter verlangen, dass er anstelle staatlicher Unterstützung für den Kindesunterhalt aufkommt. Notarielle Vereinbarungen, in denen er auf Rechte und Pflichten verzichtet, bieten dabei keine rechtliche Sicherheit.
NICHT MEHR, NICHT WENIGER. Als Solomutter bewegt man sich, wie queere Familien auch, ohnehin in einem System, das heteronormative Elternschaft nicht nur privilegiert, sondern gar nichts anderes anerkennt: Kinder haben zwei gegengeschlechtliche Eltern, nicht mehr, nicht weniger. Das entspricht weder der Lebensrealität von Solomüttern noch von queeren Familien oder Patchwork-Konstellationen. Für Solomütter bedeutet diese Nicht-Anerkennung ihres Familienmodells beispielsweise, dass ihnen auch die staatliche finanzielle Unterstützung vorenthalten wird, die Alleinerziehende bekommen. Sabrina Mondini erinnert sich noch gut an den Moment, als ihr eine Behördenmitarbeitende sagte, sie solle sich darüber nicht so ärgern. „Ich hätte das doch von Anfang an gewusst; jetzt müsse nicht die Gemeinschaft für mein privates Glück zahlen.“
So haben Solomütter beispielsweise im Gegensatz zu Alleinerziehenden in Deutschland keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Alleinerziehende, bei denen der Vater bekannt ist, können diesen vom Staat beantragen, der in Vorlage tritt, wenn der Vater nicht zahlt. In der Praxis bekommt der Staat den gewährten Unterhaltsvorschuss nur selten zurück. Solomüttern wird diese Unterstützung trotzdem verwehrt, schließlich könne es der Staat von niemandem zurückfordern. Eine zentrale Forderung von Solomüttern – und anderen sozial- und familienpolitisch Engagierten – ist deshalb, finanzielle Unterstützung stärker an die Kinder selbst zu binden, statt sie an bestimmte Familienkonstellationen oder den rechtlichen Status der Eltern zu knüpfen.
Doch auch unabhängig davon gilt es, für die Anerkennung von Solomutterschaft und -elternschaft als selbstbestimmte Familie zu kämpfen. „Es ist eine richtige Community und die Hilfsbereitschaft ist groß“, erklärt Sabrina Mondini. „Aber es gibt noch viel Potenzial für mehr Unterstützung und Vernetzung, besonders durch selbstorganisierte Initiativen und Gemeinschaften“, fügt sie hinzu.
Im Austausch mit anderen Solomüttern hat sie das Gefühl, endlich verstanden zu werden. „Für Solomütter sind Themen wie Veränderungen in der Partnerschaft nach der Geburt eines Kindes oder die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit eher unwichtig“, sagt Mondini. „Dafür beschäftigen uns die große Verantwortung, etwa, wenn viele anstrengende Nächte aufeinanderfolgen, die alleine bewältigt werden müssen, oder das Kind krank ist und intensivere Betreuung erfordert.“ Ihr Alltag unterscheidet sich ansonsten nur unwesentlich von anderen Eltern; die Bedürfnisse der Kinder prägen das Leben: Essen, Schlaf, Spiel, Bewegung, Gesundheit, Entwicklung und ganz viel Interaktion. Darüber tauscht sich Sabrina Mondini gern auch mit anderen Eltern aus, unabhängig von der Familienkonstellation.
Denn Solomutterschaft bedeutet natürlich nicht, permanent alleine mit dem Kind zu sein: Sabrina Mondini hat einen großen Freund*innenkreis, die regelmäßig Zeit mit ihr und dem Kind verbringen, ebenso wie liebevolle Eltern, die verzückt vom Enkelkind sind. „Als mein Kind da war, war die Freude enorm“, erzählt sie. „Ab dann ging es darum, dem kleinen Menschen zu geben, was er braucht: Liebe und Nähe von mir und ein stabiles und tragfähiges Umfeld“, sagt Mondini, während ihr Baby immer noch friedlich vor ihrem Bauch schläft.
Merle Groneweg ist politische Ökonomin und Autorin.