Rhonda D’Vine vom Verein Venib über die „Genderklage“, die sich gegen die Ungleichbehandlung beim Geschlechtseintrag richtet. Interview: Lea Susemichel
an.schläge: 2018 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass es alternative Geschlechtseinträge braucht, 2020 wurden die neuen Geschlechtseinträge „inter“, „divers“, „offen“ und „kein Eintrag“ geschaffen. Was ist das Problem damit, worin besteht die Kritik?
Rhonda D’Vine: Es gibt keine direkte Kritik am Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, sondern an der mangelhaften Umsetzung durch die Erlässe der Minister. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Ablehnung eines Geschlechtseintrags, der nicht auf weiblich oder männlich lautet, nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist. Die Minister haben sich dann entschlossen, diesen Entscheid so eng wie nur möglich zu fassen, im Erlass von Kickl ebenso wie im folgenden durch Nehammer. Demnach können trans Personen lediglich von einem binären Geschlecht zum anderen wechseln und nur inter* Personen stehen die alternativen Geschlechtseinträge offen, sonst niemandem.
Der Fokus liege weiterhin auf körperlichen Merkmalen, wird von der Initiative Genderklage kritisiert. Inwiefern?
Der Erlass des Ministeriums wurde eben sehr eng geschnürt: Es wird ein „einschlägiges medizinisches Gutachten“ gefordert. Das bedeutet eine Stigmatisierung und gegebenenfalls Retraumatisierung von inter* Personen, die seit der Geburt bereits ständig medizinisch begutachtet werden und sich erklären müssen. Des Weiteren führt es faktisch zu einer Ungleichbehandlung, da das einschlägige Gutachten eine inter* Diagnose verlangt und dadurch alle anderen Personen ausschließt.
Inwiefern sind trans Personen davon betroffen? Was ist in Österreich für sie derzeit erforderlich, um den Geschlechtseintrag zu ändern?
Der letzte große Schritt für endo trans Personen (endo sind alle Personen, die nicht inter* sind, Anm. d. Red.) fand 2009 statt, als der verpflichtende genitale Operationszwang wegfiel. Seither ist ein therapeutisches Gutachten notwendig, um den Personenstand ändern zu können. Allerdings lediglich zwischen weiblich und männlich – die durch den Erlass des Verfassungsgerichtshofs möglich gemachten alternativen Geschlechtseinträge sind aktuell ausschließlich inter* Personen zugänglich.
Wie zuversichtlich seid ihr, dass die Genderklage erfolgreich sein wird?
Aktuell wartet die Kläger*in der Genderklage auf den ersten Gerichtstermin des Landesverwaltungsgerichts Wien. Dieser wurde bereits dreimal wegen Krankheit der Richterin und des Anwalts verschoben.
Wir sind aber zuversichtlich, dass die Klage Erfolg haben kann, um diese Ungleichbehandlung zu beenden. Es gibt eine breite zivilgesellschaftliche Unterstützung der Klage und auch einige Parteien unterstützen sie aktiv – uns ist es allerdings wichtig klarzustellen, dass die Klage nicht aus einer Parteiinitiative heraus entstanden ist. Die Oppositionsparteien haben es über den Petitionsausschuss versucht, was aber an den Mehrheiten scheiterte. Die Regierung hat kein Interesse: Die Grünen wollen sich nicht gegen die Koalitionspartnerin positionieren. Die ÖVP könnte die Situation im Alleingang verbessern, wenn sie nur wollte. Würde der Innenminister morgen entscheiden, die Weisung bezüglich des Personenstands zu ändern, hätten wir übermorgen neue Dokumente. •
Venib (Verein Nicht-Binär) tritt für die Rechte von Menschen ein, die sich nicht (ausschließlich) dem binären Zweigeschlechtermodell zuordnen.
Rhonda D’Vine ist trans Aktivistin, Poetry Slammerin und im Vorstand von Venib.