Frauen haben nicht nur real viel weniger Geld als Männer, auch auf der symbolischen Ebene ist ihr Anteil am Goldtopf deutlich glanzloser. Von LEA SUSEMICHEL
Ausgerechnet auf das Cover ihrer mexikanischen Ausgabe setzte die Zeitschrift „Vanity Fair“ Ende Januar die frischgebackene First Lady Melania Trump. Doch nicht alleine die Person, vor allem ihre Pose sorgte in Mexiko für Empörung. Melania Trump ist auf dem Titelblatt vor einer kleinen Schale gefüllt mit Schmuck sitzend zu sehen. In ihrer Hand hält sie eine Gabel, auf der sie Ketten wie dicke Spaghetti aufrollt. Das Bild könnte die Persiflage einer zeitgenössischen Marie Antoinette sein: „Wenn die Armen kein Brot haben, dann sollen sie doch ihren Familienschmuck essen!“
Doch das Titelbild repräsentiert nicht alleine die abstoßende Dekadenz der Superreichen, die in den USA ihre oberschichts- und finanzmarktfreundliche Politik machen dürfen. Das Motiv erinnert zugleich an den Mythos von Midas, der die Gabe besaß, alles in Gold zu verwandeln, was er berührte. Weil dadurch jedoch unweigerlich auch seine Nahrung zu Gold wurde, drohte ihm der Hungertod.
Big Dealer. Auch Donald Trump rühmt sich stets, ein „Big Dealer“ zu sein, in dessen Händen alles zu Gold würde. Dennoch erinnert er eher an einen feisten Dagobert Duck als an einen hungrigen Midas. Weniger geschmacklos als das „Vanity-Fair“-Cover sind die Herrscherbilder des US-Präsidenten in seinem Goldturm allerdings nicht. Woran liegt es, dass solche obszönen Inszenierungen von Überfluss immer noch Teil der populären Bildpolitik der Reichen und Mächtigen sind, obgleich sie neben Faszination verlässlich auch moralische Abscheu hervorrufen? Woher rührt diese vulgäre Fetischisierung von Geld und Reichtum? Und was hat sie mit Geschlecht zu tun?
In den USA, wo der neoliberale Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Mythos immer noch ein wichtiger Teil des nationalen Narrativs ist, erklärt sich das zum Teil aus dem scheinbar unausrottbaren Glauben, dass Reichtum tatsächlich für unternehmerische Entschlossenheit, fleißigen Ehrgeiz und Erfolg stehen würde. Es ist die Gegenerzählung der seit Charles Dickens kulturell ebenso wirkmächtigen Figur des moralisch korrupten Kapitalisten, der seinen Reichtum nur der Ausbeutung der Armen verdankt. Doch in den USA hat sich diese Diskreditierung des Großkapitalisten nicht durchsetzen können: Dort adelt der Erfolg den Reichen und gibt ihm in den Augen vieler buchstäblich Recht.
Geld und Potenz. Die opulente Zurschaustellung von Reichtum ist vom Pharaonen bis zu Puff Daddy immer auch eine unverhohlene Machtdemonstration – und in aller Regel eine männliche. Denn sie symbolisiert männliche Potenz, weshalb auch Trumps überlanges Krawatten-Phallussymbol nicht zufällig in der Mitte seiner großkotzigen Bling-Bling-Shows prangt.
Das Wissen um den Zusammenhang von Macht, Potenz und Geld provoziert zwar die subversive Aneignung durch weibliche Stars wie Missy Elliott, die in Videoclips mit Geld um sich schmeißen und fette Autos fahren. Doch traditionell werden Frauen höchst selten mit dem Gestus des mächtigen Big Spenders inszeniert. Das hat einen handfesten Grund: Sie haben in aller Regel einfach nicht viel Geld.
Natürlich gibt es einzelne Milliardärinnen (und ihre Zahl steigt in den letzten Jahren sogar rasant an), dennoch lässt sich sowohl global wie auch auf nationaler Ebene sagen: Frauen haben im Durchschnitt viel weniger Einkommen und Vermögen als Männer und werden sogar beim Erben weiterhin übervorteilt (auch hierzulande). Lediglich ein Prozent des Weltkapitals gehört Frauen, obwohl sie weltweit zwei Drittel der Arbeit leisten. Die reichsten acht Menschen der Welt besitzen gemeinsam mehr als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, und diese acht sind allesamt Männer.
Big Swinging Dick. Dieses realpolitische Verhältnis von Geld und Geschlecht spiegelt sich auch auf der symbolischen Ebene. Seit es Goldmünzen gibt, wird Geld mit dem männlichen Geschlechtsorgan assoziiert, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Bettina Mathes (1). Ein beliebtes Motiv der Kunstgeschichte ist etwa Zeus, der Danae in Gestalt eines Goldregens befruchtet, der ihr in den Schoß fällt. Auch Georg Simmel beschreibt in seiner berühmten „Philosophie des Geldes“ dessen Energie als „besamende Kraft“. Diese Allegorie der Wirkmacht, der „Potenz“ von Geld spiegelt sich auch im Ehrentitel „Big Swinging Dick“, der besonders erfolgreichen Börsenbrokern verliehen wird.
Die Fruchtbarkeit des Geldes wird symbolisch also als rein männlich imaginiert und bildet eine wichtige Figur in den diversen Theorien des Geldes. Das kommt auch in den unterschiedlichen Metaphern vom Wachstum und der Blüte der (Geld-)Wirtschaft zum Ausdruck.
Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun zeigt in ihrer Studie „Der Preis des Geldes“, wie eng zudem die metaphorische Verknüpfung von Geld mit Flüssigkeit ist, insbesondere mit Blut und Wasser. Liquidität, „flüssig sein, liquide sein“ sind seit jeher häufig gebrauchte Vokabeln bei der Rede von Reichtum. Blut und Wasser sind als Symbole des Lebens ihrerseits wiederum eng verbunden mit der Fruchtbarkeitssymbolik.
Geld und Glaube. Diese Kopplung von Geld und Fruchtbarkeit rührt von Braun zufolge daher, dass Geld als letztlich künstliches und zunehmend immaterielles Gut Vertrauen und einen Glauben an seine Gültigkeit herstellen muss, der fast schon religiöse Züge hat. Er ist eine buchstäbliche „Beglaubigung“, um die Kreditabilität, also den Wert des Geldes zu sichern. „Ohne irgendeinen Glauben, dass der 100-Euro-Schein, den ich Ihnen rüberschiebe, Ihnen auch tatsächlich die Möglichkeit gibt, etwas damit zu erwerben“, gehe es nicht, sagt von Braun in einem Interview (2). Dieses Vertrauen wird nun über die vorgetäuschte Natürlichkeit der Währung erreicht, wodurch gerade die Tatsache verschleiert wird, dass Geld eben ganz und gar nichts Naturgegebenes ist.
Geld habe von Anfang an nicht mit einem tatsächlichen materiellen Wert, wie etwa dem Goldwert der Münze, korreliert, schreibt von Braun. Doch im Laufe der Zeit sei diese Anbindung immer loser geworden und analog zur Entwicklung vom Münz- zum Papiergeld, von Schuldscheinen zu den bloßen Ziffern der Aktienkurse, die heute auf dem Bildschirm erscheinen und wieder verschwinden, habe es sich immer mehr von jedem konkreten Gegenwert (wie etwa staatlichen Goldreserven) abgekoppelt. Geld hat dabei einen immer höheren Abstraktionsgrad erreicht. Der spekulative Finanzmarktkapitalismus heute fußt geradezu auf der völligen Ablösung des Geldes, das nunmehr zum großen Teil reines Kreditgeld ist, von realen Gegenwerten. Doch paradoxerweise wurde zugleich seine Wirkmacht über die Realität immer größer, seine Auswirkungen auf das reale Leben (und Sterben).
Das Geld kriegt Junge. Die Fruchtbarkeit des Geldes verbürgt nicht nur seine vermeintliche Natürlichkeit, sondern bezieht sich auch auf das Zinsgeschäft, bei dem das Geld sprichwörtlich „Junge bekommt“. Während Aristoteles das Kreditgeschäft noch verurteilte und von „widernatürlichem Zins“ sprach, weil ihm nicht geheuer schien, dass sich etwas Unbelebtes vermehren könne, ist die Produktivkraft des „fruchtbaren“ Kapitals, das reichlich Rendite bringt, inzwischen die zentrale Figur des Finanzkapitalismus. Zugleich ist sie nicht nur auf der symbolischen Ebene eine rein männliche, denn auch in der Realität ist der Finanzsektor eine von Männern dominierte Szene. Der konkrete Deal und das Finanzgeschäft selbst jedoch werden symbolisch-semantisch wiederum als verführerische Frau entworfen und das Spekulationsgeschäft als erotische spannungsgeladene Umwerbung. Ist die „Verführung“ erfolgreich, entstehen daraus die „Sprösslinge“ des Geldes.
Körper und Kapital. Das Kapital würde in diesem Prozess geradezu vermenschlicht, konstatiert Christina von Braun, was sich in Formulierungen zeige, wonach falsch oder nicht investiertes Geld regelrecht „gemordet“ worden wäre. Im Umkehrschluss wären jedoch auch Menschen zum „Kapital“ gemacht worden. „Das moderne Geld, das keinen materiellen Gegenwert hat, wird durch den menschlichen Körper ‚gedeckt’.“
Von Braun führt diese Verbindung von lebendigem Körper und Geld auf den ursprünglichen Zusammenhang von Geld und Opfer zurück. Das Geld sei aus dem Opferbrauch entstanden, sagt sie, denn jedes Opfer stellt ein Tauschgeschäft dar – ich opfere etwas, dafür erbitte ich etwas anderes – und ist zugleich auch ein Stellvertretungsvorgang: Ein Tier ersetzt z. B. das ursprüngliche Menschenopfer. Diese beiden Elemente, nämlich Tausch und Stellvertretung, sind auch Grundcharakteristika des Geldgeschäftes.
Das wertvollste Opfer war traditionell das Stieropfer, und das erste staatliche Zahlungsmittel war Opferfleisch, was sich auch etymologisch niedergeschlagen hat: „Gelt“ heißt „Opfer“. Auch der britische Ausdruck für Börse „stock exchange“ verweist auf diesen Hintergrund, bedeutet er doch sowohl „Schlachtbank“ als auch „Viehhandel“. Der Bulle vor der Börse erinnert noch heute an diesen Bedeutungshorizont. Laut von Braun hat die allmähliche Ersetzung des realen Tieropfers durch symbolische Gegenstände wie Opferfiguren der Entwicklung des Geldes den Weg bereitet.
Auch der Ethnologe David Graeber hat mit seiner aufsehenerregenden Studie über Schulden (3) zu zeigen versucht, dass nahezu alle Theorien des Geldes falsch sind, die seit Adam Smith davon ausgegangen waren, dass das Geld irgendwann einfach den Tauschhandel ersetzt hat, weil man zur Vereinfachung der Transaktionen eine Währung eingeführt hätte. Statt solcher Tauschökonomien (die laut Graeber in der Regel nur zwischen Fremden, aber nicht innerhalb bestehender Gemeinschaften existiert hätten) habe es früher ein komplexes System von Krediten und Schulden gegeben, das sich vor allem in Form von Geschenken und Gefälligkeiten vollzog und keineswegs immer direkte Gegenleistungen verlangte.
Monetäres Regime. Der Übergang von der Subsistenz- zur Geldwirtschaft war laut Silvia Federici zugleich eine ganz entscheidende Zäsur in der Geschichte der Unterdrückung von Frauen. Sobald „monetäre Beziehungen das Wirtschaftsleben zu dominieren begannen“, schreibt die politische Philosophin, sei es für Frauen ungleich viel schwerer als für Männer gewesen, ihren Unterhalt eigenständig zu bestreiten. Zunächst hatte es eine Einheit von Reproduktion und Produktion gegeben, die am Eigenbedarf orientiert war. Doch „unter dem neuen monetären Regime galt nur die Produktion für den Markt als wertschöpfende Tätigkeit. (…) Die wirtschaftliche Bedeutung der im Haushalt geleisteten Reproduktion der Arbeitskraft wurde jedoch (…) unsichtbar gemacht und als natürliche Berufung oder Frauenarbeit mystifiziert. Hinzu kam, dass Frauen von vielen entlohnten Tätigkeiten ausgeschlossen wurden. Wenn sie gegen Lohn arbeiteten, dann erhielten sie – im Vergleich zum durchschnittlichen männlichen Arbeiter – nur einen Hungerlohn.“ (4)
Unbezahlbar. Eine wichtige Aufgabe der feministischen Kapitalismus- und Ökonomiekritik ist es deshalb, zu zeigen, dass die weiterhin überwiegend von Frauen geleistete Reproduktionsarbeit und Care-Arbeit in essenzieller Weise der Wertschöpfung dient und damit die Basis gegenwärtiger kapitalistischer Ökonomien bildet. Doch diese buchstäblich als „unbezahlbar“ geltende Arbeit wird weiterhin oft als reiner Liebesdienst betrachtet. Die Hausarbeitsdebatte des marxistischen Feminismus, bei der für und wider eine Entlohnung dieser reproduktiven Tätigkeiten argumentiert wurde, setzt sich dementsprechend bis heute etwa in den spezifisch feministischen Debatten um ein bedingungsloses Grundeinkommen fort.
Dazugekommen ist für feministische Ökonominnen noch das weite Feld der Neoliberalismuskritik, um die spezifischen Auswirkungen von Deregulierungen und Prekarisierungen für Frauen sichtbar zu machen.
„Lehman Sisters“. Auch beim konkreten geschlechtsspezifischen Umgang mit Geld finden sich sexistische Stereotype, allerdings gibt es hier zwei rivalisierende Klischees.
Einerseits existiert das Vorurteil, wonach Frauen ungeschickter bei der Geldanlage und generell gedankenloser und verschwenderischer im Umgang mit Geld seien – die vermeintliche Shoppingsucht von Frauen ist nur ein Ausdruck dieser Unterstellung. Daneben gibt es aber auch die genau gegenteilige Annahme: Frauen würden viel vernünftiger und verantwortungsvoller mit Geld umgehen, heißt es, sie seien weniger an Geld interessiert und weniger gierig als Männer. Das brachte nach der Finanzkrise das oft strapazierte Bonmot hervor, dass uns die „Lehman Sisters“ im Unterschied zu den Brothers sicherlich vor dem Crash bewahrt hätten.
Diese größere finanzielle Verlässlichkeit von Frauen, die hart für die Zukunft ihrer Kinder arbeiten, steht bei der Politik der sogenannten Mikrokredite im Mittelpunkt, die eine „weibliche Rückzahlungsmoral kapitalisieren“, wie die Politologin Margit Appel kritisiert. (5) Die Frauen werden dabei als unternehmerische Subjekte eingebunden, aber nicht als solidarische Akteurinnen eines politischen Kampfes gegen strukturelle Missstände.
„Kein feminines Thema“. Doch um solch strukturelle Schieflagen bei der Vermögensverteilung und beim Thema Geld anzugehen, muss es erst einmal zum Gegenstand feministischer Debatten gemacht werden. Allerdings beklagen auch Feministinnen immer wieder das fehlende Interesse von Frauen für „Finanzielles“. Denn obgleich ökonomische Selbstständigkeit von Frauen seit jeher eine emanzipatorische Kernforderung ist, sei Altersversorgung, Kapitalanlage und Geld an sich „kein sehr feminines Thema“, kritisiert auch Brigitta Wrede in dem von ihr herausgegebenen Sammelband „Geld und Geschlecht“ (6): „Überraschend vielen klugen, kompetenten und verantwortungsvollen Frauen scheint beim Thema Geld die Aufmerksamkeit abhanden gekommen zu sein“, lautet ihr vernichtendes Urteil.
Um das zu ändern, müssen Feministinnen nicht die Antikapitalistin in sich verraten oder ihre Utopien einer geldlosen Gesellschaft aufgeben. Aber sie sollten sich klarmachen, dass man Geld zwar wirklich nicht wie Spaghetti aufgabeln und essen kann, man ohne Geld vielerorts aber trotzdem verhungern muss.
(1) Bettina Mathes: Under Cover. Das Geschlecht in den Medien, transcript Verlag 2006
(2) Deutschlandradiokultur: Das Unbewusste des Geldes. Christina von Braun über das wechselvolle Verhältnis der Menschen zum geprägten Zahlungsmittel
(3) David Graeber: Schulden: Die ersten 5000 Jahre. Klett-Cotta 2012
(4) Silvia Federici: Caliban und die Hexe, Mandelbaum Verlag 2012
(5) Margit Appel: Geld aus feministischer Perspektive, in Club of Vienna (Hg.): Wieviel Geld verträgt die Welt? Analysen und Alternativen, Mandelbaum Verlag 2016
(6) Brigitta Wrede (Hg.): Geld und Geschlecht: Tabus, Paradoxien, Ideologien, Springer Verlag 2003