Wer von Influencer*innen spricht, hat selten eine Schwarze Frau im Kopf. Christl Clear macht kristallklar, dass das ein Fehler ist. Von Vanessa Spanbauer
Christl Clear, österreichische Autorin und Influencerin mit nigerianischen Wurzeln, spricht über die schönen Dinge des Lebens, aber auch über die Momente, die wir oft lieber für uns behalten oder ausblenden. Es wirkt fast so, als könnte sie sich nicht entscheiden, wer sie im Netz eigentlich sein will – aber das muss sie auch nicht. Christl Clear besticht mit sehr offenen Storys aus ihrem Alltag – die trotz radikaler Offenheit wohlüberlegt sind. „Ich bin meistens sehr bedacht, was ich teile, weil das Internet einfach skrupellos ist“, erzählt sie im an.schläge-Gespräch. Neben zahlreichen farbenfrohen Postings zum neuesten Outfit oder der neuen Einrichtung bekommen die Follower*innen Talks aus dem Nähkästchen einer Schwarzen Frau, die mitten im Leben steht – Rassismus findet darin ebenso Platz wie ignorante Menschen oder Aspekte, die in einer (Liebes- oder auch freundschaftlichen) Beziehung nicht so rund laufen.
Nun hat Christl Clear auch ein Buch veröffentlicht, das Einblicke in ihr Leben gibt und besonders Frauen darin bestärkt, ihr Ding durchzuziehen. „Let Me Be Christl Clear“ ist genau das Richtige, wenn man Bestärkung dafür braucht, um auf Wienerisch „die Goschn“ aufzumachen. Bestärkung, egal ob es darum geht, dass man gerade eine sogenannte Fuck-Person datet, ob einem klar wird, dass man verdammt noch mal dieses Patriarchat endlich zertrümmern sollte, oder ob es um die Widerständigkeit geht, die man sich in Österreich als Schwarze Person ganz automatisch aneignet, um nicht permanent mit dem Kopf gegen eine Tischplatte dreschen zu müssen.
Davor, anderen klar die Meinung zu sagen, hat Christiana, wie sie eigentlich heißt, keine Scheu. „Ich hatte noch nie ein Problem, mir den Raum zu nehmen, aber seit ich selbstständig arbeite, ist es natürlich noch einfacher zu sagen, was ich will oder wann ich es will.“ Dass die Medienwelt so stark von weißen hetero cis Frauen geprägt ist, geht der ehemaligen Journalistin so auf die Nerven, dass sie sich vor einigen Jahren selbstständig gemacht hat, um ihre Perspektiven mit der Welt zu teilen. Und der Erfolg gibt ihr recht – denn diese Einblicke in das Leben einer Schwarzen Frau und ihre Sicht auf die Welt, die als nicht relevant galt, sind heute ein großer Erfolg.
Der Influencer*innen-Branche steht Christl Clear dennoch alles andere als unkritisch gegenüber und lehnt Aufträge auch immer wieder ab. Für Unternehmen soll Christiana oft die fehlende Diversity liefern – das ist ihr durchaus bewusst. Die Autorin zieht dennoch ihren Nutzen daraus: „Ich checke natürlich sofort, wer mich für was und aus welchem Grund buchen will. Aber ich habe vor einiger Zeit beschlossen, dass es schon auch ein wichtiger Punkt ist, wenn sich durch mich drei Leute abgeholt und repräsentiert fühlen, weil ich so aussehe wie sie.“ Wieso sollten nur weiße, eh schon privilegierte Frauen von dieser Branche profitieren? Dass Christl Clear sich nun Dinge leisten kann, die früher unerreichbar gewesen wären, genießt sie durchaus. In ihrer Kindheit sah das noch völlig anders aus – ein Aspekt, der in ihrem Buch ebenfalls Erwähnung findet. Dort schreibt sie über ihr Aufwachsen in einer Familie mit vier Kindern und berichtet von den ständigen Geldsorgen. Christl Clear ist auch deshalb so nah und relatable, weil sie sich über Chancen freut, die definitiv nicht den Alltag der meisten Schwarzen Frauen widerspiegeln, aber definitiv große „B*tch, Better Get Your Money!“-Vibes versprühen, wie auch ein Kapitel ihres Buches heißt. Darin verhandelt sie u. a. die leidigen Themen Gender Pay Gap und Pensionssplitting. Über Feminismus spricht sie auch, allerdings aus einer Perspektive, die im Feminismus oft fehlt, weil er immer noch viel zu einseitig und zu wenig intersektional ist. Christl Clear fehlen Räume zum Verlernen, Fehler-Eingestehen und Reflektieren – Räume, die sie sich einfach selbst schafft. •