„Deutsch ist Pflicht, Habibi.“ So stand es auf einem Wahlplakat. Offiziell. Gedruckt. Abgesegnet. Irgendwo zwischen Hipness und Härte. Zwischen „Schau, wie locker wir sind“ und „Wir meinen das todernst“. Plakatiert für die Wien-Wahl von der Wiener Volkspartei, die wieder einmal die FPÖ rechts überholen will. Ein Satz, der gefallen will – aber nur trifft. Und zwar genau die, die eh nie wirklich adressiert sind, aber immer angesprochen werden.
Und wir? Wir schauen kurz hin. Und dann wieder weg. Weil wir’s kennen. Weil wir’s schon hundertmal gesehen haben. Weil der Wahlkampf wieder da ist – mit seinen Reizwörtern, seinen Worthülsen, seinen alten Tricks. Weil es wieder nicht um Lösungen geht, sondern um Lautstärke. Um Bilder. Um Macht.
Deshalb folgt hier keine Analyse. Keine Empörung. Keine satirische Brechung. Keine moralische Bewertung, keine kluge Pointe. Nur ein Gedanke: Vielleicht müssen wir uns nicht jedes Mal neu aufreiben, wenn sich politisch eh alles wiederholt. Vielleicht dürfen wir auch einfach mal kurz raus aus diesem immergleichen Kreisverkehr der Krisen.
Der Asphalt dampft leicht nach dem ersten Regen, und irgendwo fällt Kirschblütenstaub auf das Display eines Smartphones, das niemand mehr anschaut. Ein Kind zählt Ameisen, mit ernster Miene und ausgestrecktem Finger, als würde jede von ihnen eine Geschichte erzählen. Eine alte Frau trägt frische Minze nach Hause, fest eingewickelt in Zeitungspapier, das nach Markt duftet. Ein Fenster steht offen. Die Gardine bewegt sich sacht im Wind. Drinnen läuft eine türkische Serie. Jemand lacht – laut, warm, schön vertraut. Vielleicht reicht das nicht. Vielleicht ist es naiv. Aber es erinnert daran, dass das Leben mehr ist als seine Parolen. Und was das Wahlplakat betrifft: Sprache ist nicht das Problem – Rassismus ist eines.
Fatima Kandil beobachtet Wahlkämpfe und Kirschblüten mit derselben Mischung aus Müdigkeit und Hoffnung.