Zur diesjährigen Nationalratswahl treten mehrere neue Parteien an. Dennoch findet man in der politischen Landschaft Österreichs nur wenige linke und feministische Inhalte oder gar Frauen an der Spitze. Von BRIGITTE THEIßL
Drei Parteien sind bei der kommenden Nationalratswahl zum ersten Mal österreichweit auf dem Stimmzettel vertreten: Mit dem Team Stronach, den Neos und den Piraten gibt es neue Alternativen zu den etablierten Parlamentsparteien. Protestwähler_innen, die den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den berüchtigten Denkzettel verpassen möchten – laut einer aktuellen Umfrage des Linzer Market Instituts sind 59 Prozent der Wahlberechtigten der Meinung, die Regierung mache ihre Sache eher schlecht – steht damit eine Vielfalt an Möglichkeiten für das Kreuz am Wahlsonntag offen. Doch so unterschiedlich die Neuen auch sein mögen – sie alle eint die Haltung, „weder links noch rechts“ zu stehen, und das Ziel, eine „neue Politik“ umsetzen zu wollen, wie sie selbst immer wieder betonen.
Obwohl auch für die Neos und die Piraten der Einzug ins Parlament laut Umfragen nicht sehr wahrscheinlich ist und das BZÖ ums Überleben kämpft, sieht es links der Mitte noch düsterer aus. Die in Graz sehr erfolgreiche KPÖ konnte zwar abermals die notwendigen Unterstützungserklärungen sammeln und tritt bundesweit an, ihre Chancen, die Vier-Prozent-Hürde zu schaffen oder gar ein Grundmandat zu erreichen, sind jedoch verschwindend gering. Auch für die neue linke Plattform „Der Wandel“, die von unbekannten Gesichtern getragen wird und in Wien und Oberösterreich dennoch genügend Unterstützer_innen fand, liegt der Einzug in den Nationalrat außer Reichweite – ganz zu schweigen von der Sozialistischen Linkspartei, die wie immer nur in der Bundeshauptstadt antritt und statt Reformen gleich eine „revolutionäre Veränderung“ fordert.
Personalnot. Bemühungen, als breite linke Plattform bei der Wahl anzutreten, gab es – zum wiederholten Male – seitens der KPÖ, jedoch ohne Erfolg. „Wir haben uns sehr genaue Kriterien auferlegt“, erzählt Melina Klaus, die von 2006 bis 2012 gemeinsam mit Mirko Messner das Amt der Bundessprecherin innehatte. „Wir wollten sehr viele Kandidatinnen und Kandidaten finden, die nicht von der KPÖ sind, bis zu zwei Drittel – und das ist bei Weitem nicht gelungen.“ Weder prominente Persönlichkeiten, noch bei anderen Parteien Engagierte – immer wieder gebe es SPÖler_innen und Grüne, die ihre Sympathien für die KPÖ kundtun – konnten gewonnen werden. Die Scheu vor einer Kandidatur sei einfach zu groß, meint Klaus. „Es gibt Leute, die zwar interessiert sind, aber aufgrund ihres Jobs bei einer parteinahen Institution Grüne oder SPÖ nicht verärgern wollen.“
Beim „Wandel“ engagieren sich alle Personen aus dem Team zum ersten Mal in einer Partei. „Politik, so wie sie bisher gemacht wurde, war einfach nicht interessant, nicht relevant für uns – es werden einfach die falschen Fragen gestellt“, sagt Daniela Platsch, die als politische Geschäftsführerin neben dem Vorsitzenden Fayad Mulla agiert. Dass Freda Meissner-Blau, Mitte der 1980er erste Parteivorsitzende der Grünen, in einer Videobotschaft ihre Unterstützung für den „Wandel“ verkündet, helfe zwar hinsichtlich der medialen Aufmerksamkeit, es sei jedoch kein Ziel gewesen, möglichst bekannte Gesichter in den eigenen Reihen zu haben. „Wir möchten vielmehr die Themen Chancengleichheit und Verteilungsgerechtigkeit wieder in den politischen Diskurs bringen und auch die Regierungsparteien dazu zwingen, sich diesen Themen zu stellen“, so Platsch.
Männliche Spitze. Was der KPÖ fehle, sei eine integrative Führungsfigur, meint die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle, doch mit hierarchischen Strukturen hätten gerade linke Gruppierungen, die stärker auf Basisdemokratie und Autonomie setzen, ihre Probleme. In der politischen Landschaft Österreichs sind Führungsfiguren nach wie vor männlich – einzige weibliche Parteivorsitzende unter den aktuell im Parlament vertretenen Parteien ist Eva Glawischnig, Bundessprecherin der Grünen. Auch die neuen Parteien geben sich in Sachen Geschlechterrepräsentation konservativ und setzen auf Männer in der ersten Reihe – bevorzugterweise auf solche mit Kapital.
Da wäre etwa Milliardär Frank Stronach, der zwar auch Listenplätze an Frauen vergeben hat, jedoch wie kein anderer sein Team Stronach als unhinterfragbare Führungsfigur verkörpert. Das Gesicht der Neos ist Matthias Strolz, ein Vorarlberger Unternehmer, der als parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP in der Ära Schüssel bereits politische Erfahrung sammeln konnte. Im Zuge der Partnerschaft mit dem Liberalen Forum holten die Neos auch Financier Hans Peter Haselsteiner an Bord. „Die Neos versammeln Personen mit Erfahrung in der Gestaltung politischer Kampagnen und haben mit Matthias Strolz einen professionellen Kommunikator, der weiß, wie das Geschäft läuft. Ein Einzug ins Parlament wäre dennoch ein großer Erfolg“, resümiert Stainer-Hämmerle. In Sachen Medienpräsenz liegen die Neos damit klar vor den linken Parteien. So durfte Matthias Strolz etwa gemeinsam mit Piraten-Chef Mario Wieser in der „Puls4“-Show „Rezept für Österreich“ den Kochlöffel schwingen und ist ein beliebter Interviewpartner in TV und Printmedien. Bei ihren Themen setzen die Neos auf Steuersenkung, Bildungs- und Pensionsreform, Frauenquoten sehen sie laut Online-„Wahlhelfer-Test“ der „Wiener Zeitung“ als „kontraproduktiv für die Anliegen der Frauen“. Wenig überraschend sind auch auf der Liste der Piraten hauptsächlich Männer vertreten. Zumindest aber entgingen sie im Vergleich zu den deutschen Piraten bisher einer Diskussion über parteiinternen Sexismus.
Ideologiefrei. Dass elementare Fragen der Verteilungsgerechtigkeit angesichts von Finanz- und Wirtschaftskrise ebenso wie feministische und frauenpolitische Anliegen im bisherigen Wahlkampf kaum eine Rolle spielen, mag verwundern. „Grundsätzlich wäre links natürlich momentan nicht schlecht, schließlich gibt es rechts weitaus mehr Konkurrenz“, analysiert Stainer-Hämmerle, „außerdem ist die Wähler_innenschaft heute hoch mobil.“ Dennoch: Für einen Wahlerfolg müssen viele Faktoren wie Personalpolitik, Timing, Themensetzung, PR-Strategie und Budget zusammenspielen. Auffallend ist, dass Ideologien heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. „Es geht darum, die Wählerinnen und Wähler in ihren Bedürfnissen abzuholen und die richtigen Versprechungen zu bieten. Das Links-Rechts-Schema ist vielen mittlerweile egal, gerade junge Menschen sind da sehr pragmatisch“, so Stainer-Hämmerle.
Linke Konkurrenz. Positionen zu Frauen- und Geschlechterpolitik finden sich zwar in nahezu allen Parteien, feministische Politik als Kernanliegen ist jedoch in nur wenigen Programmen vertreten (s. auch Artikel von Maria Mesner auf S. 16–17). In der KPÖ sind feministische Anliegen im Kontext von Umverteilungsfragen zentral, der „Wandel“ setzt auf „Gleichstellungspolitik“, allerdings ohne den Begriff „Feminismus“ bewusst ausklammern zu wollen. „Das ist ein Problem der Linken. Wir diskutieren ewig über die richtigen Begriffe und verharren im Diskurs, ohne etwas weiterzubringen“, sagt Daniela Platsch. In der SPÖ und in den Grünen, wo Frauenpolitik traditionell stark verankert ist, sehen Klaus und Platsch dennoch keine (linke) Konkurrenz. „Sicher gibt es in einigen Bereichen bei den Grünen sehr engagierte Menschen, die progressiv denken, aber insgesamt sehe ich da wenig linke Politik. Nehmen wir das Beispiel Wien – wo sind da die linken Initiativen? Wenn die Grünen etwa das Jahresticket für die Öffis verbilligen und Einzelfahrscheine für Menschen, die sich eine Jahreskarte gar nicht leisten können, verteuern, betreiben sie einfach nur geschickte Klientel-Politik“, sagt Melina Klaus. Bei der SPÖ sehe sie die einzigen Berührungspunkte wiederum in frauenpolitischen Fragen.
Platsch stellt den Sozialdemokrat_innen kein besseres Zeugnis aus: „Die SPÖ wäre vielleicht eine linke Partei, aber sie ist nur noch ein großer bürokratischer Machterhaltungsapparat, da ist es fast schon egal, was in ihrem Programm steht.“ Mit den Grünen teile man zwar ein ähnliches Menschenbild, als „Öko- und Antikorruptionspartei“ würden diese jedoch die soziale Verträglichkeit ihrer Maßnahmen hintanstellen. Die Möglichkeit, die beiden etablierten Parteien öffentlich mit ihren Kritikpunkten zu konfrontieren, werden KPÖ und „Wandel“ nicht haben – in den Fernsehduellen ist kein Platz für sie reserviert. So wird wohl auch nach der Wahl der linke Platz im Parlament frei bleiben.