MARGARET CHO macht Stand-up-Comedy über schwulen Sex, ihre Mutter und asiatischen Hühnchensalat. Von LEA SUSEMICHEL
Margaret Cho ist wahnsinnig witzig, ganz egal ob sie in einer Stand-up-Show pantomimisch den Weg durch die Sitzreihe im Flugzeug nachstellt („Put your ass in my face. Do it now!“) oder ob sie dreckige Witze über Darmspülungen und über nach exzessivem Dildogebrauch ausgeleierte Vaginas macht. Letzteres ist aber eindeutig das Spezialgebiet der 1968 geborenen Komikerin, die seit ihrem vierzehnten Lebensjahr auf der Bühne steht. Fäkalhumor und Obszönität waren immer ihre Leib- und Lieblingsthemen, lange bevor Vulgarität generell zum Gütesiegel erfolgreicher weiblicher Comedy – wie aktuell etwa der von Amy Schumer – avanciert ist. Wieso aber funktioniert das so verlässlich, ist es tatsächlich immer noch ein Tabubruch, wenn Frauen ordinär sind?
„Männer sind auch krass obszön, werden aber nicht so wahrgenommen“, sagt Margaret Cho im an.schläge-Interview. „Vulgarität verleiht zudem eine Art Stärke. Ich bin vulgär, weil ich das einerseits sehr lustig finde. Als ich jünger war, nutzte ich es aber auch, um älter und erfahrener zu wirken.“ Über sämtliche Spielarten von Sex zu sprechen, sei zudem definitiv feministisch und queer, so Cho weiter. Denn sexuell explizit zu sein, stehe in der Tradition der sexpositiven Bewegung der 1990er, als deren Teil sich die feministische „Fag Hag“ begreift.
Chicken salad. Chos Comedy war deshalb immer politisch, auch wenn ihr die Welt des politischen Humors lange als eine Domäne weißer Männer erschien. „Zu politischem Humor muss man sich befugt fühlen, das habe ich lange Zeit nicht getan. Ich musste mir dieses Recht erst nehmen, niemand hat es mir verliehen. Weibliche Comedians sind oft unsichtbar, deshalb müssen wir darum kämpfen, gesehen zu werden. Aus diesem Grund glaube ich, dass politisches Engagement auch auf der Bühne sehr wichtig ist, denn allein die Tatsache, dass wir Comedians sind, ist bereits politisch.“
Politisch betroffen ist die US-Amerikanerin mit koreanischem Background auch von einem Phänomen, das sie „SARS – Severe Asian Racism Syndrome“ nennt. Die Hass-Mails, die sie erhält, sind ausnahmslos offen rassistisch, doch der Rassismus, mit dem sie beständig konfrontiert ist, kann viele Formen annehmen. „Er ist barbarisch oder auch sehr subtil. Es sind zum Beispiel weiße, akademische besserwisserische Belehrungen, es sind durch und durch rassistische Beschimpfungen oder irgendwelche Geschichten über hundeessende AsiatInnen. Ich weiß inzwischen, dass es auf keinen Fall etwas bringt, mit Argumenten dagegenzuhalten. Ich habe gelernt, es einfach als Kapitulation zu akzeptieren.”
Cho setzte sich in ihren Büchern zur Wehr und auf der Bühne begegnet sie Diskriminierungen, indem sie ihre gar nicht immer bösartigen, sondern mitunter einfach nur absurd-komischen Alltagserfahrungen reinszeniert: „I was on a plane, and the steward was coming down the aisle: ‚Asian chicken salad … Asian chicken salad … Asian chicken salad …‘ And he gets to me and he’s like: ‚chicken salad!‘ What does he think I’m gonna say? This is not the salad of my people! In my homeland, they use mandarin orange slices! And crispy wonton crunches!“
Die Mutter. Doch es gibt auch schonungslose Witze über die asiatische Community, insbesondere wenn Cho mit zurückgeschobenem Kinn ihre Mutter gibt, nach der mit „Mother“ auch ein ganzes Programm benannt ist. „Meine Mutter ist eine wichtige Figur meiner Stand-up-Comedy, weil sie auch die Stimme meiner ‚Asianness‘ ist. Gleichzeitig ist sie auch eine reale Person meines Lebens, die sehr wahrhaftig und sehr komisch ist. Ich habe immer wieder wirklich wahnsinnige Diskussionen mit ihr, weil sie sich weigert, sich von den Ansichten ihrer Generation zu verabschieden. Sie ist nicht bodypositiv, sie ist nicht direkt feministisch, aber ihre Stärke kommt von woanders, das versuche ich auf der Bühne zu vermitteln.“
Die Figur der Mutter ist besonders aus feministischer Perspektive sehr ambivalent: Sie muss einerseits wertgeschätzt und gegen eine patriarchale Welt verteidigt, andererseits aber von der Tochter auch herausgefordert werden. Dieser schwierige Spagat gelingt Cho und das hochkomische und dennoch liebevolle Vorführen ihrer Mutter macht diese Bühnenfigur beim Publikum wohl so beliebt.
Speck sales. Auch Feminismus ist für Cho „ein täglicher Kampf “, der sich für sie noch immer vor allem um Körperpolitik dreht, um „Sexpositivity“ wie um „Bodypositivity“. Für ihre Rolle in der US-Fernsehserie „All-American Girl“, eine Sitcom über eine amerikanisch-koreanische Familie mit Margaret Cho in der Hauptrolle, hatte man ihr bereits 1994 nahegelegt, abzunehmen: „Ich verstand es einfach nicht. Ich war zu fett, um mich selbst zu spielen?“
Cho, die früher massiv unter Essstörungen litt, stellt sich vehement gegen „Fatshaming“ und rigide Körperideale, die gerade für Frauen im Showbusiness weiterhin ein riesengroßes Thema seien. Dicksein allein ist deshalb bereits witzig und weibliche Comedians wie etwa auch Melissa McCarthy oder Amy Schumer nutzen diesen Normbruch als komödiantisches Mittel und lassen selbst noch das kleinste Speckröllchen zur Lachnummer werden.
Tough und stolz. Doch der Zugriff auf den eigenen Körper macht beim Gewicht nicht Halt. Vor Kurzem machte Margaret Cho öffentlich, dass sie von ihrem fünften Lebensjahr an bis in ihre Jugend sexuell missbraucht wurde. „Ich flüchtete mich in die Stand-up-Comedy, um dem Täter zu entkommen. Auf der Bühne war ich sicher, denn dort gab es Zeuginnen“, sagt sie im an.schläge-Interview. „Als Comedian hatte ich die Macht, die ich dringend brauchte, um zu überleben.“
Anfang November initiierte Cho die Social-Media-Kampagne #12daysofrage, um Vergewaltigungen öffentlich anzuklagen. Die Veröffentlichung ihres Video „(I Want to) Kill My Rapist“ bildete den Abschluss der Kampagne. Im Zuge von #12daysofrage sprach Cho auch erstmals offen über ihre Vergangenheit als Sexarbeiterin. „We were tough and proud!“, entgegnet sie auf Twitter, wenn es um die scheinheilige Stigmatisierung von Sexarbeit geht, die auch sie selbst erlebt hat.
Solche Erfahrungen im wahrsten Sinne mit Humor zu nehmen, das scheint fast zynisch. Doch Cho ist überzeugt: „Unsere Fähigkeit zu lachen geht direkt mit unserer Fähigkeit zu kämpfen einher. Wenn wir uns über etwas lustig machen können, können wir es auch verändern.“
Und das gilt ihr zufolge nicht nur für den politischen Kampf gegen Diskriminierungen, sondern auch für den ganz persönlichen. „Lachen bringt augenblicklich Erleichterung, Schmerzen werden gelindert, es ist ein magischer Vorgang. Ich habe selbst noch nicht herausgefunden, wie genau das funktioniert, aber wenn ich über etwas lache, beginnt die Heilung.“
Margaret Cho: The Psycho Tour
1.12.2015, 20.00 im Wiener Metropol