Von Fluff
Viele Geschichten über Transgeschlechtlichkeit fangen mit Spiegeln an. Oder beinhalten Spiegel. Es wird danach gefragt, ob wir uns darin sehen oder nicht sehen (nein, wir sind keine Vampire, es geht eher um „sich selbst erkennen“), ob wir Veränderungen genießen oder unseren Körper beängstigend finden.
Wie weit uns Operationen verändert haben oder Hormontherapien oder (die zu uns passende) Kleidung.
Ich stehe vor keinem Spiegel.
Ich brauche keine Reflexion, um zu wissen, wer ich bin. Selbst mit geschlossenen Augen spüre ich die Grenzen meines Körpers. Das ist neu. Früher fühlte es sich an, als würde ich mich auflösen.
Jetzt fühlt es sich an, als wäre ich ein pulsierender Springbrunnen.
Eine Champagnerflasche voll kleiner Bläschen.
Meine Haut ist empfindlicher geworden, die Klitoris wächst spürbar. Ich bilde mir ein, das Muskelwachstum zu fühlen. Ich bin dehnbar geblieben und stärker geworden.
Yoga-Posen kann ich ohne Mühe länger halten. Ich genieße dieses Körpergefühl. Das ist mein Körper, zum ersten Mal in meinem Leben. „Du bist aufgeblüht“, höre ich öfter. So fühlt es sich auch an. Als wäre da eine Knospe aufgebrochen und entwickelt sich. Es ist eine langsame Veränderung, beinahe unmerklich, aber schlussendlich gibt es eine wunderschöne Blüte.
Meine Blütenblätter entfalten sich, ich wachse.
Meine Stimme ist tiefer geworden. Sie ist die erste Veränderung, die anderen Menschen aufgefallen ist. Ich bekomme mittlerweile viele Komplimente für meine Stimme (und habe immer noch keinen Podcast). Ich höre mich gerne sprechen, mittlerweile.
Alles ist „mittlerweile“, als ob da ein ganz neuer Mensch mit eigenen Vorlieben aus mir herauskäme. Gleichzeitig wachse ich in diesen Menschen hinein, finde meine Grenzen und Bedürfnisse neu.
„Wer bin ich?“, ist eine begleitende Frage, wie in jeder Pubertät. „Wie soll ich mich fühlen?“, kommt direkt hinterher. Es ist nicht alles rosa Zuckerwatte und Glitzer. Aber es gibt eine Mitte.
Wie im Taipei 101, dem einst höchsten Wolkenkratzer der Welt, dessen Stabilität durch eine Stahlkugel im Inneren garantiert wird, während er sich wie ein Bambusrohr im Sturm biegen kann, gibt es in mir neuerdings eine Stabilität, eine Balance, die vorher nicht da war. Das ist Geschlechtseuphorie? Dieses „Richtigsein“? Krass!
„Die beste Rache ist ein gutes Leben“, hat mir eine gute Freundin geraten, als ich voll Verzweiflung darüber war, dass ich als trans Person attackiert wurde. Dass Menschen sich nicht einmal meine Argumente anhören wollten, weil ich als trans Person ohnehin keine Expertise hätte – worin auch immer.
Seitdem ist das mein Leitspruch geworden. Ein gutes Leben. Mein gutes Leben. Meine Existenz zu zelebrieren. •
Fluff ist autistisches Bildungsreferentix, freies Journalistix und queere Kunstperformance in Dauerausstellung.