Die Linke hat die Politisierung von Verteilungskampf und Klimaschutz bisher den Rechten überlassen. Das muss sich ändern. Von Laura Helene May
Steuern wir als Menschheit unserem Untergang entgegen? Die Welt ist gespalten, wenn es um Fragen des Klimas geht. Auf der einen Seite pochen Aktivist:innen von Fridays For Future, der Letzten Generation oder Extinction Rebellion auf schnelles Handeln und warnen vor apokalyptischen Endzeitszenarien als Folge der Erderhitzung. Auf der anderen Seite erstarken weltweit Rechtspopulist:innen, die trotz wissenschaftlichem Konsens den menschengemachten Klimawandel leugnen und Klimaschutzmaßnahmen abschaffen möchten bzw. bereits dabei sind, das zu tun.
2024 war weltweit das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1850. Erstmals lag die globale Durchschnittstemperatur laut Weltmeteorologieorganisation (WMO) rund 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist laut Max-Planck-Institut bereits faktisch gescheitert. Klimafatalisten sehen die Menschheit bereits am Abgrund, der Klimakollaps sei längst da. Die Folgen sind sichtbar: Überschwemmungen, Stürme, Dürre und Waldbrände treffen Regionen auf allen Kontinenten. Bei 26 von 29 untersuchten Naturkatastrophen 2024 war nach Angaben der WMO der Klimawandel mitverantwortlich. Bis zum Jahr 2050 könnten über 140 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden, warnt die Welthungerhilfe. Die Zahlen sind alarmierend. Nicht erst seit gestern. Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler:innen vor einem Klimakollaps durch den menschengemachten Klimawandel; seit Jahrzehnten ringt die internationale Gemeinschaft um Kompromisse und Maßnahmen.
Doch jeder Schritt Richtung Klimaschutz ist ein politischer Kampf und wird weitgehend unabhängig von wissenschaftlichen Fakten geführt. Viele Menschen fürchten sich vor CO2-Besteuerung, die ihr Benzin teurer macht oder vor hohen Heizkosten durch die Energiewende. Rechtspopulisten versprechen ihren Wähler:innen, sie gegen die sogenannte „Öko-Eliten“ zu verteidigen. Dabei stützt die Politik von rechtspopulistischen und libertären Parteien weltweit die Interessen von Arbeitgeber:innen, Industrie und Fossil-Lobby. Rechte Parteien wie die FPÖ versprechen Geringverdienenden Schutz vor dem Klimaschutz – das Verteilungsproblem der Klimakrise werden sie allenfalls verschlimmern. In den Koalitionsverhandlungen kündigte Schwarz-Blau bereits an, den Klimabonus in Österreich abschaffen zu wollen. Der Klima-Bonus wurde 2022 unter Schwarz-Grün gemeinsam mit der CO2-Steuer genau dafür eingeführt, die finanzielle Last von Klimaschutz auf niedrige Einkommen auszugleichen. Donald Trump will in den USA die Nutzung fossiler Brennstoffe sogar fördern, während er gleichzeitig den Abbau des Sozialstaates plant.
Die Linke hat die politische Kommunikation zu Verteilungskampf und Klimaschutz bisher der Rechten überlassen. Deshalb werden Klimaschutzmaßnahmen als links-grüne Doktrin von oben wahrgenommen, die die Sorgen der einfachen Leute ignoriert. Das deutsche Wirtschaftsmagazin „Surplus“ fordert daher mehr „Klimapopulismus“. Klimapolitik müsse an das Verteilungsproblem gekoppelt werden. Populistische Erzählungen von „wir gegen die da oben“ könnten auch dem Klimaschutz dienen. Industrie und Superreiche müssten für die Klimakrise verantwortlich gemacht werden, fossile Profite müssten endlich politisiert werden. Während aktuell die Schuld für höhere Energiekosten auf Grüne projiziert wird, könnte klimapopulistische Politik die Ungleichheiten in der Verursachung der Klimakrise skandalisieren.
Das Erstarken rechter Parteien weltweit gefährdet den Kampf für mehr Klimaschutz.
Optimist:innen glauben, dass technologische Lösungen wie Geoengeneering (bewusste technologische Veränderungen des Klimasystems) oder Solar Radiation Management (technologische Beeinflussung der Sonneneinstrahlung auf die Erde) politische Versäumnisse beim Klimaschutz nachträglich ausbügeln könnten. Als vielversprechendste Technik scheint aktuell die sogenannte CO2-Speicherung zu sein, bei der Kohlenmonoxid im Meeresboden gespeichert wird, anstatt es in die Atmosphäre zu blasen, doch Umweltorganisationen wie Greenpeace kritisieren die Technologie als bloße Scheinlösung.
Die Politik müsse den Ausbau erneuerbarer Energien und die Mobilitätswende schneller vorantreiben. Um das Erreichen der Kipppunkte im Klimasystem zu vermeiden, fordern Klima-NGOs schnelle Maßnahmen. Fridays for Future fordert für die Rettung unserer Ökosysteme ein Ende der Subventionen für fossile Energieträger.
Die Verantwortung für eine bessere Klimabilanz weltweit liegt neben der Industrie vor allem bei dem reichsten Prozent der Weltbevölkerung, das so viele Treibhausgasemissionen verursacht wie die ärmere Hälfte der Menschheit. Zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels dürften pro Kopf jährlich nur 2,1 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf verursacht werden. Diese Grenze haben Superreiche 2025 bereits am 11. Januar erreicht.