SILVIA STIENEKER arbeitet daran, andere Frauen für Wikipedia zu begeistern. Mit BRIGITTE THEIßL sprach sie über das Wikimedia-Projekt „Women edit“ und verspricht offene Arme für Newbies.
an.schläge: Das Wikimedia-Projekt „Women edit“ möchte Frauen motivieren, sich aktiv an Wikipedia bzw. Wikimedia zu beteiligen. Was unternehmen Sie, um dieses Ziel zu erreichen?
Silvia Stieneker: Wir bieten in Berlin jeden Monat ein Wikipedia-Treffen für Frauen an, bei dem die Teilnehmerinnen zusammen über Wikipedia diskutieren und Artikel bearbeiten können. Besonders schön finde ich, dass immer erfahrene Autorinnen dabei sind, die den Neuen zeigen, wie eine Mitarbeit bei Wikipedia funktioniert. Recht neu ist, dass wir jetzt auch „Edit-a-thons“ machen, also Editier-Marathons, bei denen Wikipedia-Artikel zu bestimmten Themen geschrieben werden, zum Beispiel über Frauen in der Wissenschaft.
Wikimedia Deutschland will das ehrenamtliche Engagement von Wikipedia-Frauen unterstützen. Alle, die einen „Edit-a-thon“ oder ein Wikipedia-Treffen für Frauen anbieten möchten, können sich gerne bei uns melden, wir helfen bei der Organisation und Durchführung der Veranstaltungen. Es wäre großartig, wenn es bald auch in anderen Städten solche „Women edit“-Aktivitäten gäbe.

Gibt es bereits erste Erfolge?
Das Thema „Gender Gap“ wird in der Wikipedia-Community, also unter den Wiki-AutorInnen, diskutiert. Viele sind inzwischen davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, Frauen gezielt zur Mitarbeit zu bewegen und einzuladen. Dieses Empowerment ist enorm wichtig. Wir haben durch das „Women edit“-Projekt bereits einige neue Autorinnen gewonnen, die fleißig Artikel schreiben und sich auch an den Debatten bei Wikipedia beteiligen. Vor allem die deutschsprachige Wikipedia ist stark männerdominiert.
Was sind denn die Hürden, die Frauen Ihrer Erfahrung nach abschrecken?
Die BenutzerInnenoberfläche von Wikipedia wirkt leider etwas unattraktiv. Es ist zwar nicht schwer, Artikel zu bearbeiten, aber die Technik ließe sich durchaus einfacher gestalten. Nicht, weil Frauen das Ganze nicht lernen können, sondern weil ein Einstieg in die Wikipedia-Arbeit für alle so leicht wie möglich sein sollte. Da aber alle Veränderungen gemeinsam in der Community beschlossen werden, kann es noch ein Weilchen dauern, bis sich da etwas tut.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass es leider immer wieder einzelne Wikipedia-Leute gibt, die nicht besonders nett zu Neulingen sind: Manche Frauen bekommen da statt einem „Herzlich willkommen!“ die Ansage „Was willst du denn hier?“ zu hören. Davon sollten sie sich aber nicht abschrecken lassen, die deutliche Mehrheit der WikipedianerInnen freut sich über Newbies, es gibt sogar ein ehrenamtliches MentorInnenprogramm, das die Neuen bei ihren ersten Schritten unterstützt.
In Österreich wird geschlechtersensible Sprache gerade heftig diskutiert. In der Wikipedia sind Binnen-I, Gender Gap und Co. nicht erwünscht und werden gelöscht. Wie könnte sich das ändern?
Auch bei Wikipedia wird ständig darüber diskutiert. Aktuell ist es aber so, dass sich eine Mehrheit gegen die geschlechtersensible Sprache stellt. Das kann sich nur ändern, wenn sich mehr Menschen beteiligen, die das anders sehen. Die Wikimedia-Vereine, also beispielsweise Wikimedia Deutschland oder Wikimedia Österreich, können und wollen das nicht von oben herab bestimmen – die Wikipedia-Community ist völlig autark, auf Inhalte und Regeln wird kein Einfluss genommen.
Welche Bedeutung hat Wikipedia für Sie als Nutzerin?
Egal, was ich recherchiere, ich lande immer wieder bei Wikipedia, und ich finde es großartig, dass mir hier derart viel Wissen kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Mir ist es sehr wichtig, dass alle Zugang zu Wissen und Bildung erhalten, Wikipedia hat da eine einzigartige Pionierarbeit geleistet. Statt sich einen unfassbar teuren Brockhaus zu kaufen, können jetzt alle bei Wikipedia nachschlagen. Bei Wikipedia gibt es zwar auch Besserwisser, aber das Projekt ist sehr demokratisch. Alle dürfen mithelfen, Wissen aufzubereiten und zu verbreiten, nicht nur wie früher Professoren und Buchverlage. •
Silvia Stieneker ist als freiberufliche Texterin, Lehrerin und Medienpädagogin in Berlin tätig. Für den Verein Wikimedia Deutschland e.V. leitet sie das Projekt „Women Edit“.