Der Feminismus hat nicht nur die Feuilletons im Sturm erobert. Wer braucht da noch die an.schläge? Von LEA SUSEMICHEL
Wir geben es natürlich nicht gerne zu, aber eigentlich hat sich unsere Arbeit nach 35 Jahren erledigt. Es braucht keine eigenen feministischen Medien mehr. Denn was wir immer gefordert haben, ist tatsächlich eingetreten: Die Mainstream-Medien haben den Feminismus entdeckt und unsere Aufgabe übernommen.
#MeToo hat es zuletzt unmissverständlich gezeigt: Selbst der Boulevard skandalisiert sexuelle Gewalt, sogar als Aufmacher auf dem Titel! „Sex am Arbeitsplatz!“ schreit es uns dort über dem Bild einer tiefdekolletierten Sekretärin aufgebracht entgegen.
Auch im Feuilleton der konservativen Medienriesen räsonieren die Herren plötzlich über „die Abschaffung der Geschlechter“, auch wenn die „F.A.Z.“ – freilich einzig der guten Ausgewogenheit halber – zugleich eilfertig klarstellt: „Mehrheit der Männer findet MeToo-Debatte übertrieben“.
Catherine Deneuve & Alice Schwarzer. Dass selbst das linksliberale Medienspektrum kurz nach der großen Einigkeit schon wieder nach Beef giert und die antifeministischen Sager von Nina Proll oder Catherine Deneuve ausschlachtet – geschenkt. Wir alle kennen schließlich die medialen Spielregeln, da braucht es einfach hin und wieder eine Eva Hermann oder Ronja von Rönne, um die Aufmerksamkeit hochzuhalten. Und verlässlich kommt zum Ausgleich ja immer wieder Alice Schwarzer zu Wort, um über Kopftuch und die „islamistische Bedrohung“ für westliche Frauenrechte zu wettern. Und spätestens seit der Kölner Silvesternacht gibt es keinen Zweifel mehr daran, wie entschlossen man dann gemeinsam gegen Männergewalt auftreten kann. Freilich nur die der anderen, aber irgendwo muss man ja schließlich anfangen.
Anmaßendes Mansplaining? Wer wollte so vorgestrig sein und kleinlich beklagen, dass Frauen immer noch massiv unterrepräsentiert sind, sowohl in den Redaktionen als auch bei der Berichterstattung? Schließlich erhebt inzwischen noch jeder FPÖ- und AfD-Politiker in den Medien stellvertretend seine Stimme für sie und tritt für feministische Freiheitsrechte ein.
Man kann dergleichen als anmaßendes Mansplaining abtun, aber wenn zum Beispiel ein erfahrener Journalist wie Florian Klenk seine Investigativ-Expertise in eine „Falter“-Geschichte über Abtreibung investiert, ist solch eine Häme einfach nur undankbar.
Dasselbe gilt für den offenbar völlig zu Unrecht als Antifeminist verschrienen Journalisten Michael Fleischhacker. In seinem neuen Medienprojekt „addendum“ ist tatsächlich ein ganzer Feminismus-Schwerpunkt enthalten! Dass Feminismus als linkes Projekt dabei diskreditiert wird, sollte uns nicht als Vorwand dienen, diese große solidarische Geste nicht angemessen zu würdigen.
Antisexistische Kampfmontur. Doch nicht nur die Nachrichtenmedien haben einen tiefgreifenden Wandel erlebt, auch die so lange für ihre Diät- und Schminktipps belächelten Frauenmagazine haben sich inzwischen längst zu emanzipatorischen Kampfschriften gemausert. Im „Cosmopolitan“ etwa wird das Thema „Der neue Feminismus“ elegant und niederschwellig abgehandelt, indem en Detail über Lena Dunhams kurze Hosen berichtet wird.
Auch die „Woman“ vermag es geschickt, bestehende Lesegewohnheiten subversiv zu bedienen: Sie verlegt den Geschlechterkampf kurzerhand auf den Laufsteg. Nachdem es inzwischen Feminismus als Statement-Shirts von der Stange bei „H&M“ gibt, liegt es schließlich nahe, ihn auch auf den Modeseiten zu feiern: „In anmutigen Militärkonstruktionen in gedeckten Camouflage-Farben und mit aufwendigen Lederdetails schritten sie wie resolute Kämpferinnen“, solche und andere hilfreiche Tipps gibt es dort für die Kampfmontur gegen Alltagssexismus.
„Politik, Sex & Lametta“. Mindestens so beliebt wie die Strategie, das Thema Geschlechtergerechtigkeit mit dem Glamour eines Designerfummels zu versehen, ist die bewährte Sex-sells-Methode. Sie verfolgt etwa der „Brigitte“-Ableger „F-Mag“ schon im Titel: „Politik, Sex & Lametta“. Feministisches Empowerment funktioniert hier über Slogans wie „Wir finden Politik sexy“ und „Wir masturbieren gern“.
Da wirkt die Medienmutter „Brigitte“ fast altbacken, obwohl auch sie sich 2017 mutig an die brandaktuelle Frage wagte, „warum Feminismus NICHT männerfeindlich ist“.
Schwimmen im Sisterhood-Strom. Angesichts dieser medialen Allgegenwart feministischen Kampfgeistes wird es die an.schläge wohl bald nicht mehr geben. Wir werden vielleicht noch ein kleines Weilchen rein aus nostalgischer Anhänglichkeit weitermachen und siegestrunken im gewaltigen Sisterhood-Strom mitschwimmen. Danach werden wir zufrieden die Füße hochlegen und dankbar auf unsere Pionierinnenleistung zurückblicken. Die auch finanziell fette Anerkennung für die jahrzehntelangen Mühen wird uns sicher sein.