In meinem Leben mit Behinderung beschäftigt mich das Gefühl, durch meine Krankheit nicht nur körperlich, sondern auch sozial eingeschränkt zu sein.
Und damit meine ich jetzt nicht wegen der mangelnden Barrierefreiheit, die mich oft daran hindert, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Vielmehr fühle ich mich durch meine körperlichen Lähmungen oft um eine zentrale Komponente des zwischenmenschlichen Miteinanders gebracht.
Seit 16 Jahren sitze ich aufgrund meiner ALS-Erkrankung im Rollstuhl. Auch meine Arme, Hände und Finger kann ich inzwischen nur noch sehr eingeschränkt bewegen. Dadurch sind gewisse Dinge, die andere vielleicht für selbstverständlich halten und die wesentlich dazu beitragen, sich in sozialen Situationen wohl, unbefangen, selbstbestimmt, authentisch und vor allem auf Augenhöhe zu fühlen, für mich nicht oder nur schwer umsetzbar. Zwischen stehenden Körpern auf halber Höhe sitzend und zur bewegten Interaktion kaum fähig, fühle ich mich oft starr und distanziert – und befürchte, auch so wahrgenommen zu werden.
Denn häufig bin ich diejenige, die keine herzliche Begrüßung mit ausgebreiteten Armen anbietet – weil ich meine Arme nicht heben kann. Es kommt vor, dass ich mich an einer lebhaften Unterhaltung nicht beteilige, weil sie hinter mir stattfindet und ich mich nicht umdrehen kann. Jemandem aktiv entgegenzukommen oder meinen Körper zuzuwenden, um Interesse oder Offenheit zu zeigen, ist unmöglich, weil ich mich im Rollstuhl nicht aus eigener Kraft bewegen kann. Ich kann mich auch nicht von Menschen abwenden oder den Abstand vergrößern, wenn mir danach ist. Jemanden tröstend in den Arm zu nehmen oder nach einer Hand zu greifen, um wortlos Mitgefühl auszudrücken: Fehlanzeige.
Weder kann ich mit anderen feierlich anstoßen noch beim Abschied freundlich zurückwinken. Und selbst eine Berührung während des Gesprächs oder ein freundschaftliches Schulterklopfen bleiben mir verwehrt.
Manchmal, wenn ich andere Menschen genau diese Dinge tun sehe, beneide ich sie um deren Leichtigkeit. Meine eigene Situation zeigt mir, wie bedeutend kleine Gesten im sozialen Umgang sein können – weil sie so viel von der Persönlichkeit eines Menschen nach außen tragen.
Bianca Riedmann reflektiert als @bibi_wheelchair_traveller auch über die sozialen Aspekte ihrer Behinderung.