Das Wiener Duo Bosna überzeugt auf seiner Debüt-EP „You Know Too Much“ mit rauen und zugleich melodischen Stücken. Alicia Emil Huppenkothen hat mit Pete Prison IV über das Herausfordern von Hörgewohnheiten, toxische Männlichkeit und rassistische Projektionen gesprochen.
an.schläge: Ursprünglich startete Bosna als ein akustisches Noise-Soloprojekt von dir, seit 2019 bilden du als Gitarrist*in und Sänger*in gemeinsam mit Sticky Lenz an den Drums und Vocals ein Duo. Im Juni habt ihr den Release eurer Debüt-EP „You Know Too Much“ im Fluc gefeiert. Was hat es mit dem Titel auf sich?
Pete Prison IV: Es ist weniger eine direkte Anklage als ein sarkastischer Spruch. Ich adressiere ihn an Menschen, die alles besser zu wissen glauben, und wollte auf zynische Weise ausdrücken, dass sie mit ihrer Klugscheißerei einpacken können. Vor allem: Wer hat Zugang zu Bildung und Wissen? Wer nimmt sich die Räume, um dieses Wissen wieder und wieder zu reproduzieren?
Ihr selbst beschreibt euren Sound als „hypnotische Loops und verdunkelte, dichte Gitarrenscapes, kombiniert mit melancholischen Vocals“. Im Opener der EP, „Miasma“, singst du: „We all end up rolling in mud like cold, cold turkey.“ Das klingt recht geheimnisvoll.
Der Begriff „Miasma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet in etwa „schlechter Hauch“ oder „schlechte Luft“. Das Lied basiert auf meinen eigenen Krankheitserfahrungen und thematisiert auch den kalten Entzug von Medikamenten, einen „Cold Turkey“, wie man ihn aus dem Drogenmillieu kennt. Es geht aber auch um den Entzug von sozialer Nähe. In dieser Gesellschaft müssen wir immer funktionieren – wenn man aber krank ist, fällt die Funktionalität aus und man wird isoliert. Es kommt schon vor, dass Leute eine*n besuchen, aber irgendwann werden die Besuche immer weniger und es bleibt nur der Kampf mit sich selber und der Krankheit.
Ein anderes Stück, „Tanzverbot“, spielt mit Rhythmen und vereint Jazziges mit noisigen Arrangements. Auf Textebene werden Themen wie toxische Männlichkeit aufgemacht, an einer Stelle heißt es: „My male friends, they never stand up for me, they rather do some male bonding behind doors secretly.“
Hier wird vieles verarbeitet, das sehr persönlich ist. Die Liedzeile beruht auf mehreren Erfahrungen, die ich mit weißen cis Freunden hatte, die mich in bestimmten Situationen im Stich gelassen haben. Das wollte ich in der Musik aufarbeiten. Bei Liveperformances benutze ich für dieses Lied meistens ein Telefon, das zu einem Mikrofon umgebaut worden ist – es ist ein Auskotzen in das Mikrofontelefon hinein.
Das Lied wird zuerst im 4/4-Takt gespielt, der jazzige Part in zwei unterschiedlichen 7/8-Takten. Das ist für mich eine Ausdrucksmöglichkeit dafür, dass nicht immer alles straight sein muss. Ich finde, es ist auch sehr dem westlichen Gehör angepasst, dass man immer nur im 4/4-Takt spielt. Wenn man z. B. in diverse afrikanische Musiktraditionen schaut, gibt es ganz viele unterschiedliche Polyrhythmen. Ich wollte mich mehr mit anderen Formen der Rhythmik befassen, damit experimentieren und unsere Hörgewohnheiten herausfordern.
Apropos Hör- und auch Sehgewohnheiten: In „Schijndood“ – zu Deutsch: Scheintod – geht es um das Nicht-Auffallen und Unsichtbarsein. Welche Geschichte gibt es zu diesem Lied?
Bei rassistischen Übergriffen auf mich gab es oft Situationen, in denen ich mich totgestellt, also nicht auf die Gewalt reagiert habe. So wie sich manche Tiere totstellen, wenn sie in Gefahr sind. Das war eine Art Schutzmechanismus, den ich lange Zeit verwendet habe. Irgendwann wollte ich das aber nicht mehr. Oft sind asiatische Personen mit diesen Stereotypen konfrontiert: immer fleißig, still und angepasst, quasi unsichtbar. Damit wollte ich brechen, ich wollte mich aus dieser Schutzhülle herausbegeben.
Rassifizierte Menschen und Körper auf Bühnen werden ja immer mit Bedeutung aufgeladen, sind nie einfach „nur“ Musiker*innen. Wie gehst du mit Projektionen auf dich als asiatische Person um?
Interessanterweise ist mir das mit Bosna noch nicht passiert, sehr wohl aber in meinem alten Bandprojekt Mekongg, wo ich zusammen mit zwei weißen cis Männern gespielt habe. Da sind nach den Konzerten Kommentare über mich gefallen, vor allem weiße Männer haben mit meinen Bandkollegen über mich gesprochen. Mein Umgang damit war aber immer situationsabhängig. Meistens hatte ich keine Lust, mich auf diese Gespräche einzulassen, weil ich sie als sinnlos empfunden habe. Dann habe ich entweder den Raum verlassen oder versucht, diese Situationen zu meiden. Es entstanden dadurch jedoch viele Probleme innerhalb der Band, die letzten Endes zur Trennung geführt haben.
Das heißt, bei Bosna fühlst du dich sicherer?
Ja, definitiv. Es ist wichtig, dass ich mit Personen in einer Band bin, denen ich auch auf politischer und menschlicher Ebene vertrauen kann. Es geht ja nicht nur um die Geschichten, die ich erzähle, sondern auch um eine bestimmte Sichtbarkeit: Wer stellt sich auf die Bühne, wer erzählt da welche Storys? Wenn das nicht verstanden wird, funktioniert das Zusammenarbeiten in der Band nicht.
Welche Orte sind euch für eure Auftritte wichtig? Habt ihr ein bestimmtes Publikum vor Augen?
Ich spiele gern in selbstorganisierten Räumen, letztes Mal waren wir z. B. in Graz im Café Wolf. Das hat einen Charme, man ist dem Publikum sehr nahe. Es ist eine sehr intime Situation, das gefällt mir schon gut. Aber oft kann man sich das Publikum gar nicht aussuchen. Ich finde es immer interessant, wer zu unseren Konzerten kommt. Es ist mir aber auch wichtig, dass wir nicht nur bei queerfeministischen Veranstaltungen auftreten, weil das – da spreche ich nur für mich – nicht der Grund ist, warum ich musiziere, ich spiele nicht nur für eine bestimmte „Szene“. Es ist wichtig, seine eigene Komfortzone, seine Bubble, zu verlassen.
Neben Bosna betreibst du als akustischer Dark-Folk-Liedermacher Vereter weiterhin ein Soloprojekt. Was genießt du im Gegensatz dazu an der gemeinsamen Arbeit als Duo?
Ich mag vor allem das Live-Spielen mit Sticky Lenz. Und ich mag diese Energie, die wir miteinander haben. Wir schauen aufeinander, das gefällt mir. Wir sind musikalisch sehr unterschiedlich, aber es funktioniert trotzdem gut. Das ergibt eine spannende Kombination. •
Alicia Emil Huppenkothen ist Sprachkunststudent*in in Wien.