Auf ihrem Debütalbum zeigt das Duo Aze verschiedene Facetten von R&B – vorgetragen mit smoother Stimme. Ein Gespräch über Blockflöten, Aufzugsmusik und vekrustete Förderstrukturen. Von Barbara Fohringer
Ezgi Atas und Beyza Demirkalp sind zusammen aufgewachsen, schon ihre Mütter waren beste Freundinnen. Mittlerweile sind sie bei Ink Music unter Vertrag, am 24.6. erschien ihr Debütalbum.
an.schläge: Wie ist euer musikalischer Werdegang verlaufen – habt ihr immer schon Musik gemacht?
Beyza: Zusammen sind wir Aze, seit 2019 machen wir gemeinsam Musik. Ich habe mit elf oder zwölf angefangen, Gitarre zu spielen und mich am Produzieren versucht. Schon als Teenies haben wir Songs gecovert, aber 2019 haben wir dann unseren ersten eigenen Song geschrieben.
Ezgi: Und seitdem geht’s dahin (lacht). Meine Mutter hat mich früh musikalisch gefördert. Mein Name bedeutet auch Musik auf Türkisch – und ich komme nach meinem Namen, sagt sie jetzt. Sie hat mich in die musikalische Früherziehung gesteckt und eigentlich wollte ich Gitarre spielen, aber meine Finger waren way too short, daher durfte ich Blockflöte spielen – so wie es viele anfangs machen. Später lernte ich doch Gitarre, aber ging lange mehr in die klassische Richtung. Irgendwann ist dann Beyza eingestiegen und ich habe mich mehr auf das Singen konzentriert. Unsere Rollen in der Band haben sich also so ergeben, denn ich finde es anstrengend, gute Guitar-Lines zu spielen, während ich singe. 2019 konnte ich erstmals einen guten Text schreiben, davor hatte ich es lange nicht geschafft, etwas zu schreiben, das sich reimt bzw. eine Melodie hat. Meine Texte stellte ich dann auf meinem Tumblr-Blog. Das war zwar ein großer Moment für mich, aber richtige Musik war das doch nicht. Es hat bei mir erst Klick gemacht, als eine Freundin mir ur das Herz brach. Da war ich so sad, dass ich zu Beyzas Musik schreiben konnte.
War es furchteinflößend, schließlich in einem Studio zu sein?
Beyza: Bevor wir hinfuhren, waren wir schon ein bisschen gestresst. Wir dachten uns echt so…
Ezgi: Kann ich überhaupt Musik machen?
Beyza: Aber wir wollten mit freiem Kopf ins Studio gehen, ohne sich im Vorfeld zu denken, dass da nun 15 Songs fertig werden müssen.
Ezgi: Wir wären auch happy gewesen, wenn wir mit drei Songs die Studio-Session verlassen hätten. Es war für uns wie ein Experiment: Was passiert, wenn man Wien ausklammert und sich nur auf die Musik konzentriert? Wir waren letztendlich vier oder fünf Tage im Studio und dann hatten wir ungefähr elf Songs.
Hattet ihr davor einen Plan, in welche Richtung es gehen soll?
Ezgi: Unsere ursprüngliche Challenge war zu entdecken, wie viele Seiten von R’n’B wir bespielen können. Ich meine schon, dass unsere Musik in das Genre R’n’B reinpasst, aber alle Songs sind quasi Unter-Genres von R’n’B: Von Neo-Soul bis Latino ist alles dabei. Wir wollten unsere Einflüsse vereinen.
Durch das Album ziehen sich Voice-overs.
Beyza: Wir waren im Studio und einem Freund von uns ging es gerade nicht so gut, also wollten ihn Ezgis Schwestern mit diesen Sprachnachrichten aufmuntern.
Ezgi: Das sind also keine professionellen Aufnahmen, sondern einfach Freundschaftsposts. Nach einer Minute schnitt sie die Aufnahme ab und der zweite Post ging weiter mit „This bitch caught me off, this bitch caught me off“ – und das haben wir dann genau so am Album verwendet. Es sind zwei Memos, die sie ihm als Aufmunterung und uns als reality check geschickt hat. Wir haben sie zufällig abgespielt, im Hintergrund lief Musik. Zuvor hatte ich im Gespräch mit Jakob einmal den Begriff Elevator Jazz gedroppt, woraufhin er meinte: „Heast, wir machen hier gscheite Musik und du kommst daher und nennst das Aufzugsmusik.“ Auf jeden Fall begann ich aus Spaß mit Ansagen wie „Welcome to Aze Hotline. We help you with your problems by not dealing with them“. Als wir die Memos hörten, dachten wir sofort: „Fuck, das muss aufs Album.“ Und daraus ist schließlich auch unser Albumtitel „Hotline Aze“ entstanden. Alles aus Spaß, Selbsthilfe halt. Help me, help you quasi.
Beyza: Ich finde es irgendwie lustig, denn wir haben mit „Sweet Talk“ das Album begonnen und dieser Song ist auch aus einer Sprachmemo entstanden.
Ezgi: Es hat sich alles gefügt, wir haben nichts erzwungen. Keine der Voice-overs wurde extra aufgenommen, alles ist aus unserem Leben entstanden. Mit „My own Business“ wollten wir wiederum versuchen, eine Geschichte zu erzählen, ohne zu singen, das war unser Experiment. Da „Waterfalls“ so heavy am Album ist und eigentlich konzeptuell nicht dazu passt, ist es cool, dass nun davor so ein softer Track mit gesprochenem Intro alles verbindet. Es ist eh so arg, ein Album zu produzieren: Man geht nach Tagen aus dem Studio raus, sieht die Welt wieder und denkt sich: „Wow, das haben wir gerade fünf Tage gemacht.“
Was waren die größten Herausforderungen bisher?
Ezgi: Eine big challenge war auf jeden Fall die Einreichung beim Musikfonds. Ich verstehe schon, warum es hier gewisse Anforderungen gibt, aber ich denke, wenn man so ein ambitioniertes Projekt ist und wir uns obviously Gedanken gemacht haben und auch den Antrieb haben, eines Tages von der Musik zu leben, dann war das einfach ein schircher Moment to be confronted with. Dass man independently zwar alles richtig machen kann, aber immer wieder viele Hürden vor sich hat. Es kommen ja immer so Fragen wie: Warum machen Frauen und Migras weniger Musik? Die Antwort ist einfach: Weil halt gegatekeeped wird wie Sau, wer überhaupt Popmusik machen darf. Das finde ich halt ein bisschen unfair, weil Popmusik einfach das belangloseste Genre to make music in ist. I literally sing nothing außer sweet, sweet and I love it. Don’t get me wrong, I love being here, aber für die zwei sinnlosen Wörter, die ich sage, muss ich hundertmal beweisen, dass ich es wert bin? Und überhaupt: Wieso ist der Hawi, der schon seit hundert Jahren die gleiche Musik macht und noch immer – sorry – gleich scheiße ist, wieso bekommt der 15.000 Euro Förderung und wir erhalten keine 5.000 Euro?
Beyza: Ich finde das Album war from the artistic point of view einfach ein Album, keine allzu große Herausforderung, aber es war natürlich schon ein big thing in unserem artistic being. Es ist dennoch eine andere Dynamik als „nur“ eine EP zu veröffentlichen. Noch dazu, weil es ein Konzeptalbum ist.
Ezgi: Man will sich ja auch beweisen, man will versatile sein, but still in a genre. Lustig, aber gleichzeitig sexy. So nach dem Motto: Nimm mich ernst, aber nicht zu ernst. Und wie macht man das, ohne dass es zu ambitioniert ist? Wir haben es uns sicher auch nicht immer leicht gemacht. But why make it easy when it can be hard oder so. •
Barbara Fohringer lebt und schreibt in Wien sowie Niederösterreich.