Elisabeth Wehling landete mit ihrem Sachbuch „Politisches Framing“ einen Beststeller. Wer die eigenen Botschaften durchbringen will, muss sie sprachlich geschickt verpacken, steht darin. Doch das auch unter Linken populäre Konzept des „Framings“ ignoriert Fragen nach Macht und Geschlecht. Von BARBARA STEFAN
Angesichts der aktuellen autoritären Wende und des politischen Rechtsrucks quer durch Europa stellt sich die Frage, wie progressive politische Inhalte kommuniziert werden sollen, dringender denn je. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump, der Kommentator_innen allerorts ratlos zurückließ, gelang der in den USA forschenden Neurolinguistin Elisabeth Wehling mit ihrem Erklärungsansatz des politischen Framings ein durchschlagender Erfolg.
In ihrem Buch „Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet“ definiert sie Frames als gedankliche Deutungsrahmen, die Ereignisse und Phänomene bewerten und interpretieren und damit unser Denken und Handeln anleiten – ohne dass wir es merken. Nicht Fakten, sondern Frames bestimmen unser politisches Entscheidungsverhalten, so die fast mantraartige Wiederholung im Buch. Fakten ohne Frames blieben bedeutungslos, eine Kommunikation außerhalb von Frames sei nicht möglich.
Gefühle statt Fakten. Am Beispiel gängiger Begrifflichkeiten wie etwa „Steuern“, „Schwangerschaftsabbruch“ oder „Islamophobie“ erklärt Wehling, wie konservative Kräfte Frames erfolgreich nutzen, um Phänomene durch das Heraufbeschwören von Metaphern bedrohlich erscheinen zu lassen. Widerstand sei zwecklos, da alleine die Verwendung der Begriffe immer wieder die gleichen Frames aktivieren würde und damit die konservative Argumentation unterstütze. So spricht man beispielsweise von „Steuerlast“ oder vom Gegenstück der „Steuererleichterung“, davon wen Steuern „treffen“ würden, von „Steuerschlupfloch“, „Steuerflüchtlingen“ und „Steuerparadiesen“. Jeder dieser Begriff bezieht sich wiederum auf einen Frame, der sich aus unserer Alltags- und Erfahrungswelt speist und damit auch Gefühle hervorruft. All diese Frames – selbst wenn sie scheinbar positiv sind, wie die Steuererleichterung – lassen Steuern dennoch implizit als Bedrohung erscheinen, die uns einengt und vor der Menschen zu flüchten versuchen. Dass Steuern ein Beitrag zu einem solidarischen System sind, das Individuen je nach ihren Möglichkeiten unterstützt, blenden diese Frames geschickt aus, so Wehling.
Als Beleg ihrer Argumente greift die Autorin auf Experimente zurück. Beispielsweise ließen Forscher_innen eine Gruppe einen Text lesen, der das Wort „Schildkröte“ beinhaltete, eine andere bekam einen Text mit dem Wort „Gepard“. Die Gruppe, die den Text mit dem Wort „Schildkröte“ gelesen hatte, stufte danach die Gehgeschwindigkeit eines Mannes auf einem Video als langsam ein, während die „Gepard“-Gruppe ihn als schnell einordnete. Ein anderes Experiment legt nahe, dass Menschen, die einen Text lasen, der viele Vokabel enthielt, die mit hohem Alter assoziiert werden, danach langsamer gingen als Menschen, die einen neutralen Text lasen. Diese Experimente würden beweisen, dass sprachliche Frames nicht nur die Sprachverarbeitung oder die Wahrnehmung bestimmen, sondern auch unser Handeln.
Besonders relevant seien solche Phänomene für die Politik: Denn Menschen würden ihre politischen Entscheidungen nicht aufgrund von Fakten, sondern anhand geschickt instrumentalisierter Frames treffen, wie eben dem im politischen Diskurs beständig als bedrohlich „geframten“ Islam. So führt die mediale Verhandlung von Migration als einem Sicherheitsthema zu anderen Reaktionen, als sie die Thematisierung von Migration als Menschenrecht hervorrufen würde.
Für progressive Kräfte wäre es deswegen einerseits wichtig zu lernen, solche Frames zu identifizieren, um ihnen etwas entgegensetzen zu können. Andererseits gelte es, die eigenen Werte ebenfalls in Frames einzubetten. Denn bislang sind es vor allem Rechtskonservative, die auch Thinktanks zur Entwicklung solcher Frames anheuern, damit diese sie erfolgreich anwenden.
Erlerntes Urteil. Bereits der Soziologe Erving Goffman versuchte 1974 mit seiner Rahmenanalyse zu erklären, wie sich Menschen Alltagserfahrungen begreifbar machen und mit Sinn ausstatten. Bereits Goffman definierte Frames als eine Art Deutungsrahmen, innerhalb dessen eine bestimmte Erfahrung eingeordnet werden kann. Goffmans Theorie bietet einen Erklärungsansatz für die schwere Veränderbarkeit sozialer Wirklichkeit an, indem soziale AkteurInnen erlebte Ereignisse immer in den Rahmen eines bereits bestehenden Deutungssystems einordnen und so eine gesellschaftlich geteilte Vorstellung von Normalität erzeugen.
Indem Wehling sich jedoch ausschließlich auf die Tradition der Kognitionswissenschaften bezieht, blendet sie die im Feld der Sozialwissenschaft bereits bestehende Kritik an dem Konzept aus. So ist eine wesentliche Leerstelle des Konzepts etwa die fehlende Infragestellung situationsübergeordneter Machtverhältnisse. Generell scheinen Framing-Analysen den Begriff Macht weitgehend auszublenden. So wird weder die Frage gestellt, wie historisch spezifische soziopolitische Verhältnisse beschaffen sind, in denen Menschen politisch agieren, noch wird die gesellschaftliche Machtposition derjenigen thematisiert, die Frames anwenden. Wie die Kommunizierenden überhaupt in eine Position kommen, Frames vermitteln zu dürfen, interessiert Wehling schlichtweg nicht. Im Text wird vielmehr suggeriert, dass bereits die erfolgreiche Vermittlung von Frames eine Machtposition garantieren könne. Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass Faktoren wie Geschlecht, race und Klasse die individuelle Position entscheidend stärken oder schwächen.
Patriarchales Erbe. Wehling stellt fest, dass konservative Kräfte erfolgreicher in der Entwicklung von Frames und damit vermittelten Werten sind, aber sie beschränkt sich in ihrer Erklärung auf die sprachliche Analyse der verwendeten Metaphern und ignoriert bestehende gesellschaftspolitische Machtverhältnisse.
Auch feministische Sprachwissenschaft findet bei Wehling keine Beachtung. Wie soll frau sprechen, wenn sie keinen Zugang zur Sprache hat, außer durch Rekurs auf männliche Repräsentationssysteme, fragte die französische Philosophin Luce Irigaray schon in den 1970ern und verwies auf patriarchal geprägte Denksysteme, die sich in der Sprache manifestiert haben. Wehling lobt indes in einem Interview den FPÖ-Slogan „Herr im eigenen Haus bleiben“ als „fantastisch gelungen“, da er einen klaren konservativen Bezugsrahmen biete und Werte transportiere. Progressive würden hingegen viel zu abstrakt sprechen, wenn sie Gerechtigkeit oder Soziales ins Spiel bringen, kritisiert die Wissenschaftlerin. So als könnten sie eine über Jahrhunderte patriarchal geprägte Sprache, die unter anderem von militärischen Metaphern durchzogen ist, einfach für die feministische Sache umschreiben. Doch der „Herrin im eigenen Haus“ fehlt nicht nur das sprachliche Äquivalent, sondern auch der historische Bezugsrahmen.
Schwarz-Weiß-Denken. Natürlich kann die Empfehlung, komplexe Inhalte an eine Sprache anzupassen, die mithilfe von Frames die eigenen Wertvorstellungen aktiviert, unter bestimmten Bedingungen tatsächlich sinnvoll sein. Doch oft wird dabei die Tatsache ignoriert, dass ein Weltbild, das in binären Oppositionspaaren geordnet ist (gut-schlecht, männlich-weiblich, objektiv-subjektiv, oben-unten, religiös-säkular, gesund-krank, Krieg-Frieden, wir-andere usw.), wohl leichter zu kommunizieren ist als Weltbilder, die aus diversen und widersprüchlichen Ebenen bestehen. Die Logik der Antagonismen entspricht schließlich nicht nur einer rechtskonservativen Denkweise, sondern stimmt eben auch stark mit „okzidentalen“ Denktraditionen überein, die weiterhin über Medien und Bildungseinrichtungen vermittelt werden. Schlussendlich beruht das Framing der Rechten, das Wehling als vorbildhaft präsentiert, vielfach auf simpler Verdrehung: Eine Maßnahme, die Gewerkschaften zurückdrängen soll, wird bei den Republikanern dann zum „Right to work“.
Gender Gap. Hinzu kommt, dass dieses Weltbild vorwiegend von Männern verbreitet wird. Vor allem rechtspopulistische Parteien, die sich diese Sprache besonders erfolgreich aneignen und sie anwenden, bestehen nicht nur mehrheitlich aus Männern, sondern werden auch vorwiegend von ihnen gewählt. Dieser empirisch nachweisbare Gender Gap bei der politischen Orientierung gibt Aufschluss darüber, dass es eben nicht nur rechte Kräfte, sondern auch überwiegend Männer sind, die mit Frames erfolgreicher sind – und dass es auch Männer sind, die sich eher von rechten Frames überzeugen lassen. Auch auf dieser Ebene bleibt die Kategorie Geschlecht bei Wehling – sowie bei Frame-Analysen generell – kaum untersucht, ebenso wenig die Frage von möglichen kulturellen Unterschieden in der Kommunikation.
Mitarbeit: Brigitte Theißl