leben mit kindern
Der uralte Nachbar, der die Kinder des Hauses mit Schlecker versorgt: „Wo ist denn ihre Tochter immer, ich seh’ sie ja so selten?“ Die Verwandte einer Freundin: „Auch praktisch, wenn das Kind mal beim Vater ist!“ Der Betreuer im Kindergarten: „Ah, fahren Sie auf Urlaub, weil Sie sich erst nächste Woche wieder sehen?“ Ein Kollege: „Schade, dass ich nicht Alleinerzieher bin, da gibt’s so tolle Urlaubsangebote!“ Die Tante: „Schau mal, die Seifenblasen sind zu dritt – wie Mama, Papa, Kind!“ Jetzt reicht es mir aber – DAS SIND SEIFENBLASEN! Die sind jetzt auch schon FAMILIE? Geht’s noch? Mein Kind lebt Halbzeit bei dem einen Elternteil und Halbzeit beim anderen. Nein, das ist nicht dauernd total cool, weil ich so viel „frei“ hab, sondern manchmal fühl ich mich wie eine halbe Person ohne sie. Neulich musste ich im Kaffeehaus heulen, weil ein süßes Kind neben mir gespielt hat und meines nicht da war. Meine Tochter erzählt gerne von ihren drei Wohnungen und zwei Autos, die unterschiedlichen Routinen und Ortswechsel sind normal geworden und es passt gut für sie. Ich bin mit Mitte Dreißig auf Identitätssuche. Eigentlich denke ich, dass ich doch ohnehin nie die war für Vater-Mutter-zwei-Kinder-Haus-Hund-Bausparvertrag-Marillenknödel. Manchmal krieg’ ich panische Zustände, aus lauter Angst vor der alleinigen Verantwortung für mein Kind. Was, wenn das Kind zu wenig Vitamine gegessen hat, die Gummistiefel plötzlich zu klein sind oder es in der Früh mal keine Milch gibt? Wenn meine Tochter mit großer Spannung meine Grenzen austestet, um mir dann beim Auszucken zuzusehen, weiß sie mittlerweile, dass möglicherweise kurz darauf Hilfe gerufen wird und dann steht schon mal meine beste Freundin oder der Papa vor der Tür, um uns das Leben zu retten. Ich lerne dazu, sie lernt dazu. Beim Fortgehen freue ich mich, dass ich machen kann, was ich will, und am nächsten Tag niemand um sieben Uhr etwas von mir braucht. Abends mit dem Freund die neue Gegend erkunden, unkompliziert woanders übernachten, Zeitung lesen, spontan wem aushelfen, mal länger arbeiten. Es gibt Freiheit. Möglichkeiten. Es gibt eine neue Liebe mit allem Drum und Dran. Es gibt Sehnsucht. Es gibt das Gefühl, dass niemand mich versteht. Es gibt das Gefühl, dass unser Modell Vorbild sein kann. Es gibt Wut auf die Bilderbuch-Familien. Es gibt wunderbares unverhofftes Glück. Riesenstolz auf dieses unglaubliche Kind. Lachtränen werden plötzlich zu Verzweiflungstränen. Die Bekannte: „Wie geht’s dir denn?“ Ich: „Mal so, mal so!“
Kristina Strauß-Botka ist Politikwissenschaftlerin und Elementarpädagogin sowie getrennt erziehende Mutter einer Dreijährigen.
