Von Halbe-Halbe im Haushalt sind auch scheinbar emanzipierte Paare meilenweit entfernt. Das gestehen sie sich aber meist nicht ein, haben CORNELIA KOPPETSCH und SARAH SPECK mit einer Studie herausgefunden.
Die gute Nachricht: Frauen sind sichtbarer denn je. Wir haben eine deutsche Bundeskanzlerin und in den Fernsehstudios geben sich Talkmeisterinnen, Ministerinnen, Richterinnen und Wissenschaftlerinnen die Klinke in die Hand. Allerdings hat sich in Arbeit und Familie weitaus weniger geändert. Denn obwohl viele Frauen von sich behaupten, nicht von geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Unterbezahlung betroffen zu sein, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Insbesondere in Familie und Partnerschaft halten sich traditionelle Rollen besonders hartnäckig: Haus- und Familienarbeit sind im Wesentlichen Frauensache – selbst bei kinderlosen, und auch bei „aufgeklärten“ und gut ausgebildeten Paaren. Frappierend ist dabei vor allem, dass die meisten Paare ursprünglich eine partnerschaftliche Aufteilung von Haus- und Familienarbeit angestrebt hatten und nun Schwierigkeiten haben, sich einzugestehen, dass es ganz anders gekommen ist. Die meisten leben lieber weiterhin in dem Glauben, „in etwa“ eine gleichberechtigte Beziehung zu führen.
Hauptverdienerin. Im Rahmen einer Studie sind wir den Ursachen für diese Lebenslüge auf den Grund gegangen. Wir haben Interviews mit heterosexuellen Paaren geführt, bei denen die Frau das Haupteinkommen verdient, weil der Mann aufgrund einer Erwerbskrise nichts oder im Rahmen einer prekären Beschäftigung sehr viel weniger verdient. In Deutschland betrifft dies ca. zehn Prozent der Paare, doch werden es aufgrund wachsender Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt zukünftig vermutlich noch mehr werden. Denkbar wäre ja nun, dass der Mann die Hauptverantwortung für Haushalt und Kinder übernimmt – so wie in umgekehrten Fällen zumeist die Frau.
Ein konkretes Beispiel: Frank Maus (37) und Lisa Müller (32), beide ausgebildete ArchitektInnen, leben gemeinsam mit ihrem einjährigen Kind in Berlin. Lisa verdient monatlich ca. 2.000 Euro netto, während Frank als Architekt nicht Fuß fassen konnte und als selbstständiger Handwerker mit kreativen Auftragsarbeiten ein monatliches Durschnitts-Netto von etwa 400 Euro verdient. Obwohl Frank kaum über eigene finanzielle Mittel verfügt, versucht das Paar den Anschein zu erwecken, sich die gemeinsamen Ausgaben zu teilen. Frank gibt vor, sich von Lisa Geld zu leihen, und Lisa scheint zu vergessen, ihn an die Rückzahlung zu erinnern. Diese Vereinbarungen betonen Franks Unabhängigkeit. Die Position Lisas als Hauptverdienerin und Familienernährerin wird auf diese Weise verschleiert. Dazu zählt auch, dass Frank seine Rolle als alternativer Handwerker auf- und den beruflichen Einsatz Lisas abwertet, etwa wenn er erklärt, die Familie komme auch mit weniger Geld aus, Lisa müsse doch nicht so „herumrödeln“ und solle lieber mal so gelassen bleiben wie er. Dies ist ein weiteres typisches Verhaltensmuster – Lisa sei ehrgeizig und zu sehr auf Geldfragen fixiert. Und obwohl sich Lisa und Frank die Betreuungsarbeit eigentlich teilen wollten, ist es Lisa, die sich zu großen Teilen um das Kind kümmert. Eine Entlastung erfährt sie von den Eltern. Im Endeffekt übernimmt Lisa fast schon beide Rollen: die der Familienernährerin und die der Hausfrau.

Verschleierungstaktik. Ein Rollentausch findet bei den meisten der von uns befragten Paaren nicht statt, das zeigen wir in dem aus unserer Studie hervorgegangenen Buch „Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist“. Im ländlichen Milieu und dem der Arbeiter und Handwerker ist er von vornherein nicht vorgesehen. Doch auch bei den akademisch gebildeten GroßstädterInnen, den Paaren aus dem individualisierten Milieu, Männern und Frauen aus Kultur- und Medienberufen, der Wissenschaft und anderen kreativen Jobs haben wir ihn nicht gefunden: „Wenn einer mehr Geld verdient als der andere, heißt das nicht, dass der andere mehr im Haushalt tun muss“, so die einhellige Meinung dieser Paare, die sich in der Regel als emanzipiert verstehen. Stattdessen gilt „Fifty-fifty“ als Devise – die Paare wollen sich die Arbeit im Haus und mit den Kindern gleichermaßen teilen. Überraschend ist nun, dass dies bei den von uns untersuchten Paaren mitnichten realisiert wird. Vielmehr kümmern sich die Frauen neben ihrer aufreibenden Berufsarbeit in der Regel darum, dass auch zu Hause alles läuft. Und dennoch haben die Paare den Eindruck, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen.
In gewisser Weise verhalten sich die Paare so, wie es ihrem Leitbild von Gleichheit entspricht. Die von uns befragten Frauen zögern, ihre Position als Hauptverdienerin allzu deutlich auszuspielen oder mehr Engagement bei der Haus- und Sorgearbeit zu verlangen. Eher stellt man eine Putzfrau ein, um Konflikte zu vermeiden. Partnerschaft bedeutet für sie, den anderen nicht bei seiner beruflichen Selbstverwirklichung zu behindern. Und das gilt erst recht in Zeiten persönlicher Krisen. Je schlechter die Karriereperspektive eines Mannes, desto intensiver muss er sich um sein Fortkommen kümmern. Paradoxerweise gilt die primäre Sorge der Frau nun weniger ihrer eigenen Gleichberechtigung im Sinne einer fairen Aufteilung der Haus- und Familienarbeit als vielmehr der des Mannes: Die Frauen möchten den Eindruck vermeiden, der Mann werde beruflich benachteiligt. Umgekehrt wäre das kaum denkbar.
Gelernte Muster. Gleichheitsillusionen gehören zum Alltag der meisten Paare, sie zeigen sich aber auch in Beruf und Öffentlichkeit, gerade in akademischen Berufen. Geschlechtsspezifische Verhaltensmuster und Zuschreibungen erfolgen im Regelfall nicht bewusst oder in diskriminierender Absicht, sondern sind Resultat impliziter Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit. Sie bewirken jedoch, dass sich auch im Berufsalltag – ähnlich wie bei den beschriebenen Paaren – ein Prozess der unbemerkten Rollenbildung vollzieht: So sind es meist die Frauen, die im Team die „Hausarbeit“ übernehmen, sich also Gemeinschaftsaufgaben widmen, liegen gebliebene Aufgaben erledigen, eine kollegiale Atmosphäre herstellen oder Konflikte schlichten.
Offenkundig ist es leichter, das Gefüge globaler Arbeitsteilung zu verändern als die Aufgabenteilung innerhalb der eigenen Partnerschaft. Durch die massenhafte Beschäftigung von Migrantinnen in privaten Haushalten findet im globalen Rahmen eine Neuverteilung der Arbeit unter Frauen statt. Die notwendige Care- und Hausarbeit wird an Au-Pairs, polnische Pflegerinnen oder lateinamerikanische Haushaltshilfen delegiert. Migrantinnen sichern so das Gefühl vieler beruflich stark eingebundener Frauen ab, sie würden eine moderne, egalitäre Beziehung leben.
Überraschenderweise scheint ein Rollentausch am ehesten in wertkonservativen Milieus möglich. Unter den von uns befragten Paaren aus dem mittleren Angestelltenmilieu mit einer starken Familien- und Gemeinschaftsorientierung, für die berufliche Selbstverwirklichung eine untergeordnete Rolle spielt, haben wir tatsächlich Hausmänner und – zumindest in Teilen – eine Loslösung der geschlechtlichen Kodierung von Sorgetätigkeiten gefunden. Hier findet oftmals eine hinsichtlich der Belastung „fairere“ Arbeitsteilung statt. Dass das so ist, sollte, so denken wir, zum Nachdenken über Gleichheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen anregen.
Die Soziologinnen Cornelia Koppetsch und Sarah Speck sind Autorinnen der Studie „Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist“ (Suhrkamp 2015).
1 Kommentar zu „Fifty-fifty“
Sehr interessante Zusammenfassung! Ich kann das aus meinem großstädtischen Umfeld nur bestätigen. Ich kenne zwei Frauen, die Hauptverdienerinnen sind, die Männer arbeiten selbstständig, konnten aber noch nicht Fuß fassen. Alles kein Problem, es gibt ja auch zahlreiche Frauen, die neben der Familienarbeit nur minimal selbstständig sind. Auffällig ist aber, dass beide meiner Freundinnen trotz ihrer Berufstätigkeit den Hauptteil der Familienarbeit und -betreuung leisten. Sie vermissen die Kinder und freuen sich nachmittags auf sie, andererseits fehlt ihnen der Rückhalt eines Partners in Haushaltsdingen. Schwierig.