Und die Kunst ist immer politisch, sagt die feministische Ikone der Medien- und Performancekunst VALIE EXPORT. JULIA MARTIN traf sie zu einem Gespräch über Feminismus in schlimmen Zeiten.
Die bekannte feministische Künstlerin VALIE EXPORT setzte für ihre provokante Performancekunst häufig ihren eigenen Körper ein. In den 1960er- und 1970er-Jahren löste sie mit Performances wie dem „Tapp- und Tastkino“ oder der „Aktionshose Genitalpanik“ Skandale in der bürgerlichen Gesellschaft aus.
Auf dem Xposed Film Festival in Berlin zeigte sie nun ihren ersten Spielfilm „Unsichtbare Gegner“ aus dem Jahr 1977. Ein „psychischer Science Fiction Film“ über das Leiden einer jungen Frau in einer patriarchalen Gesellschaft.
an.schläge: Vor genau vierzig Jahren haben Sie zum ersten Mal Ihren Film „Unsichtbare Gegner“ in Berlin vorgestellt. Nun zeigen Sie den Film wieder hier auf dem Xposed Queer Film Festival. Wie ist es, damit zurück zu sein?
VALIE EXPORT: Es ist spannend, die Reaktionen im Publikum zu sehen. Ich sehe einen riesigen Generationsunterschied zu damals, und dass die jungen Leute den Film heute so positiv aufnehmen, freut mich sehr.
Wie aktuell ist der Film für Sie heute?
Aufgrund der gegenwärtigen politischen Verhältnisse, die noch schrecklicher geworden sind, ist er sicherlich noch sehr aktuell. Die Wahrnehmungen der Figur sind noch immer dieselben, es herrscht noch immer die gleiche Verunsicherung, wie ich sie damals im Film ausgedrückt habe.
Finden Sie es ermutigend, dass sich so viele junge Leute für Feminismus interessieren?
Der große Unterschied ist, dass die Zeiten anders sind. Man sieht, dass feministische Themen überall auf der Welt wichtig werden, besonders für junge Leute, die die Zukunft zu gestalten beginnen. Durch die kulturellen Bewegungen in den letzten fünfzehn Jahren sind andere Interessen und Fragestellungen dazugekommen, wie etwa die Ausweitung auf andere Kulturen mit dem Hauptthema Frauen und Feminismus. Feminismus richtet sich ja nicht per se gegen Männer. Frauen wollen die gleichen Rechte, die gleiche Bezahlung, weil wir alle Menschen sind – darum geht es doch eigentlich. Die Gesellschaft heute sagt aber, dass es den Frauen doch mittlerweile eh gut geht. Nur stimmt das überhaupt nicht. Ich denke sogar, dass es Rückschritte gegeben hat. Den Frauen wird gesagt, sie sollen Mut haben und männlich dominierte Berufe erobern. Doch einer Frau muss man keinen Mut zusprechen, das braucht sie nicht. Die Gesellschaft muss Frauen Gleichstellung ermöglichen, die Strukturen müssen einfach gegeben sein.
In Ihrem Film wird die Figur aufgrund der patriarchalen Strukturen krank und die Beziehung zwischen Frauen und Männern ist das große Thema. Glauben Sie, dass sich in diesem Bereich etwas verändert hat?
Die Strukturen sind noch härter geworden, was die Beziehung von Frauen und Männern angeht.
Aber die Frau im Film ist nicht krank. Sie zeichnet nur auf, was um sie herum passiert. Sie scheint krank, aber sie macht eine Aussage über die Gesellschaft und sich selbst. Die Kämpfe sind heute immer noch die gleichen.
Würden Sie also sagen, die Frau in Ihrem Film ist nicht krank, sondern die Gesellschaft, in der sie lebt?
Die Gesellschaft ist immer krank. (lacht)
Sie sagen, dass Sie mit Ihrem Film auch die Heuchelei und das Verlogene in Österreich thematisieren. Wie empfinden Sie dies gegenwärtig, hat sich da etwas verändert?
Die Heuchelei gibt es noch immer, sie war nie weg. Der Film war ja damals auch ein Angriff auf die religiöse bürgerliche Haltung. Die ist heute noch immer so wie früher, aber sie vermindert sich. Die Kirche hat nicht mehr so viel Macht, weil sie es nicht schafft, sich zu reformieren. Deshalb treten immer mehr Leute aus, junge wie alte. Aber die Heuchelei, die wird bleiben.
Welche Bilanz ziehen sie als Feministin? Gerade angesichts der derzeitigen weltpolitischen Lage und der Wahl von Donald Trump?
Wir stehen gerade sehr schlecht da. Keine einzige Frau in den USA hätte Trump wählen sollen, angesichts seiner Haltung ihnen gegenüber. Es wundert mich, dass überhaupt eine einzige Frau ihn gewählt hat! Die Widerstände gegen seine Präsidentschaft sind eine ganz klare Reaktion, die hoffentlich auch zu politischen Veränderungen führen kann. Diese Veränderungen kommen aber nicht allein von den Frauenmärschen, da muss eine größere Verunsicherung stattfinden. Männer müssen sich solidarisieren, sie müssen genauso mitmachen.
Sie als Video- und Performancekünstlerin haben ja gesellschaftliche Zustände oft mithilfe des eigenen Körpers und Nacktheit thematisiert, und die Öffentlichkeit hat oft schockiert reagiert. Glauben Sie, dass der weibliche Körper noch heute dieselbe Kraft hat, politische Zustände zu thematisieren?
Ja natürlich, er hat dasselbe Potenzial wie damals. Man sieht ja auch in Russland die Proteste von FEMEN und Pussy Riot. Proteste geschehen durch den weiblichen Körper. Körper haben noch immer die gleiche Bedeutung, denn sie drücken noch immer aus, was den Menschen ausmacht. Dadurch formt er ja auch die Welt.
Was hat feministische Kunst generell in den letzten fünfzig Jahren geleistet?
Feministische Kunst ist ein politischer Ausdruck und sensibilisiert im künstlerischen Bereich für feministische Themen. Feministische Künstlerinnen haben sehr viel zu einem neuen Kunstbewusstsein und zu einem neuen politischen Bewusstsein beigetragen.
Christin Macel ist heuer die Kuratorin der Biennale – und damit übrigens erst die vierte Frau in dieser Rolle in der ganzen Biennale-Geschichte. Sie hat sich in einem interview gegen die Politisierung der Kunst ausgesprochen. Wie politisch muss Kunst Ihrer Meinung nach sein?
Kunst ist immer politisch. Man kann nicht behaupten, dass es so etwas wie eine reine Kunst gibt. Kunst ist politisch und daher macht es für mich keinen Sinn zu sagen, sie soll nicht politisch sein.
Auf der Biennale vertreten heuer Brigitte Kowanz und Erwin Wurm Österreich. Brigitte Kowanz musste dabei auf einen Außenraum ausweichen, weil Wurm darauf bestanden hat, den Pavillon alleine zu bespielen.
Sie ist ein sehr aussagekräftiges Zeichen, dass sich hier ein Künstler hinsetzt und eine Frau aus dem Pavillon herausdrängt. Es ist außerdem eine schlechte Entscheidung der Kommissarin und des Kulturministers, einem Künstler nachzugeben, den ganzen Pavillon für sich selbst zu beanspruchen. Eigentlich müsste man sagen, wenn du nicht teilen möchtest, dann kannst du halt nicht dabei sein. Der Pavillon hat eine Geschichte, nicht das Außen drumherum, das die Frau dann bespielen soll. Die Frau wird aus dem Raum herausgedrängt – und die österreichische Kulturpolitik stimmt zu.
Hat sich generell etwas geändert am Sexismus im Kunstbetrieb?
Manche Dinge haben sich schon geändert. Es gibt mehr Direktorinnen, es gibt mehr Kuratorinnen als früher. Da ist man schon offener und aufmerksamer für Frauen geworden. Aber vieles hat sich auch nicht geändert, es gibt weiterhin mehr erfolgreiche Männer, viel Namedropping. Da ist noch viel Arbeit nötig, wahrscheinlich jahrzehntelang.
Haben Sie zum Abschluss noch einen Ratschlag für junge Frauen, was geben Sie der nächsten Generation Feministinnen mit auf den Weg?
Glaubt an Utopien.