Apps wie Tinder und Bumble versprechen aufregende Dates mit einem Wisch – und sorgen zugleich für jede Menge Frust. Im queeren wie im hetero Dating-Game gilt: Es ist kompliziert. Vanessa Spanbauer und Sophia Foux
Heartbreak, Alleinsein und Dating-Apps – auf der Suche nach Ablenkung und ein wenig Bestätigung, denn Hoffnung auf Liebe scheint unangebracht. Wer sich kurz nach einer – kurzen – Beziehung wieder in die hetero Tinder/Bumble/OkCupid-Welt haut, stellt schnell fest: Die Leute, mit denen man vor sechs Monaten geschrieben hat, sind noch da. Die, mit denen man vor sechs Jahren geschrieben hat, sind auch noch immer oder wieder da. Man selbst ja auch. Damn. Es ist für monogame Menschen wie ein Memory-Spiel, bei dem sich keine Paare finden lassen. Ich bin also ein einzelnes Stück Karton. Dating-Stories werden zu Geistergeschichten, denn das plötzliche, Ghosting genannte, Verschwinden aus Konversationen ist an der Tagesordnung. Was man sich dabei nicht eingesteht: Man wird selbst langsam zum Geist – oder zum Monster. Denn wenn mal eine Woche ohne Date vergeht, fühlt man sich schon schlecht und lechzt nach Bestätigung.
Dabei gibt es so viel Auswahl, auch im App-Game. Dank Bumble können jetzt auch Heteromänner feministischer daten, dort kann nur die Frau den ersten Kontakt starten. Doch hat man(n) natürlich nebenher auch Tinder und der Klick von der einen in die andere App macht nicht feministischer – maximal schreibfauler. Auf Tinder bouldern alle, steigen auf Berge, lieben Pizza und stehen auf #goodvibesonly und 420 (Kiffercode, Anm.). Austauschbar, wie wir alle in diesem Spiel. In der Corona-Zeit gingen alle spazieren. Was an eine Folge „Bridgerton“ erinnerte, hatte den Nachteil, dass dir auf jedem Date im Park das Date von voriger Woche begegnete, mit dem es nicht klappen wollte – er ebenfalls mit einem neuen Date im Schlepptau. Eigentlich könnte man es kurz machen und jede halbe Stunde tauschen. Langsam bin ich ein zerfleddertes Stück Karton, aber jetzt in Bars. Vielleicht. Denn wenn sich ein Typ nach einer Woche Ghosting wieder meldet und dich auf ein – bereits gebuchtes – Hotelzimmer fürs erste Date einlädt, kannst du sicher sein, dass eine andere abgesprungen ist. Wenn du Nein zum Hotel sagst und stattdessen eine Bar vorschlägst, kannst du dir sicher sein, dass er wieder verschwindet und es bei der nächsten versucht. Er spielt ja auch nur Memory.
Vanessa Spanbauer will Dating eigentlich hinter sich lassen und den einen coolen Typen finden – bis dahin verschwendet sie ihre Zeit.
Queeres Onlinedating hat allerlei Tücken. Es beginnt schon bei der Frage: Welche App?! Ich habe mich vor Jahren für OkCupid und Tinder entschieden, da die beiden Apps in meinem Wohnort einen relativ großen Nutzer*innenpool hatten und ich die Hoffnung, dort mehr als nur die zehn immer selben Queers zu treffen. OkCupid hat sich schnell als sehr geeignet herausgestellt, um Queers zu treffen, die auch politisch mit mir auf einer Wellenlänge sind. Das einzige Problem dabei: Die Szene in meiner Stadt ist nicht so groß. Die Wahrscheinlichkeit, dieselben Personen zu matchen, die ich auch in Plena, auf Demos und in Seminaren sehe, dafür umso mehr. Das kann zwar auch ganz nett sein, aber manchmal will ich dann doch neue Gesichter sehen und ohne eine Geschichte à la „Wer aus meinem Umkreis hat schon wen gedatet“ im Hinterkopf in eine Begegnung gehen. Bleibt also noch Tinder. Eigentlich eine ganz furchtbare App. Es ist schwierig einzuschätzen, durch wie viele Dirndlfotos, Unicorn-hunting Heteropaare, perfekt inszenierte Yogafotos am Strand bei Sonnenuntergang, „heteroflexible“ Frauen, die gerne „mal eine neue spannende Erfahrung“ machen möchten, und pathetische Kalendersprüche als Profilbeschreibung ich im Durchschnitt swipen muss, um dann eine tatsächlich queere und eventuell auch ganz cool klingende Person zu finden. Wenn dieser unwahrscheinliche Fall eintritt, gilt eine goldene Regel: unbedingt zuerst schreiben! Wer darauf wartet, dass die andere Person den ersten Schritt macht, bleibt garantiert allein. Das funktioniert vielleicht im Heterodating und auf Grindr, nicht aber unter lauter Grenzen respektierenden FLINTA*-Personen, die eigentlich keine Zeit zum Daten haben, weil sie zu beschäftigt damit sind, das kapitalistische Heteropatriarchat zu stürzen. Spannenderweise habe ich aber dennoch vor allem auf Tinder liebe Menschen kennengelernt, die zu wichtigen Freund*innen und Gspusis in meinem Leben geworden sind. Selbst hier gibt es sie also, die Widersprüchlichkeit.
Sophia Foux hätte gerne eine exklusive Dating-App für queere FLINTA*-Personen, die nicht ohnehin im eigenen Umfeld sind.