SABINE OBERHAUSER ist neue Frauenministerin in Österreich. DENISE BEER und GABI HORAK trafen sie zum Interview. Mitarbeit: BETTINA ENZENHOFER
Erst seit wenigen Tagen ist Sabine Oberhauser offiziell für die Frauenagenden zuständig, aber Türschilder und Logos sind bereits im ganzen Haus ausgetauscht. „Ministerium Frauen Gesundheit“ steht hier – diese Reihenfolge war der neuen Frauenministerin wichtig. Sabine Oberhauser spricht sehr offen darüber, was ihrer Meinung nach in der Realpolitik möglich ist und was nicht. Auf so manche Detailfrage kommt ein ehrliches „Das weiß ich nicht“ als Antwort, und ihre Sprecherin notiert das Thema für spätere Recherchen. Wir werden darauf zurückkommen …
an.schläge: Frau Oberhauser, bräuchte es nicht ein eigenständiges Frauenministerium?
Sabine Oberhauser: Es ist zeitlich schwierig, aber aus der täglichen politischen Arbeit weiß ich, dass es kein Fehler ist, zwei Bereiche zu haben. Mehr Spielmasse erleichtert das Verhandeln. Ausschlaggebend ist die finanzielle Ausgestaltung. Im Herbst bei den Budgetverhandlungen können wir Bundeskanzler Kern daran messen, ob er sein Vorhaben durchsetzt, das Frauenbudget anzuheben.
Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Meine Schwerpunkte liegen einerseits beim Arbeitsmarkt, Weiterentwicklung bei der Einkommensschere, Einkommensberichte, Teilzeitquote. Im Herbst werden wir einen Aktionsplan Frauengesundheit vorstellen, den Gabi Heinisch-Hosek und ich noch gemeinsam entworfen haben. Ein weiterer Schwerpunkt sind Maßnahmen gegen Gewalt. Wir werden zunächst versuchen, den Frauennotruf vermehrt ins Spiel zu bringen, außerdem ist eine Homepage als Meldestelle geplant. Ich denke, dass wir hier sehr rasch aktiv werden müssen. Mir wird berichtet, dass die Distanzlosigkeit gegenüber Frauen, das Begrapschen und Beschimpfen, eine völlig neue Dimension bekommt. Da ändert sich etwas – nicht nur bei Migranten, da ziehen unsere österreichischen Machos gut mit. Wir müssen in Aufklärungskampagnen und Unterstützung investieren. Man muss vermehrt auf verbale Konfliktlösungen hinweisen. Das aktuelle Gewaltschutzprogramm zu Cyber-Gewalt haben Innenminister, Justizminister, Staatssekretärin Muna Duzdar und ich gemeinsam in den Ministerrat eingebracht. Wir wollen das zum Thema der gesamten Bundesregierung machen.
Ist auch daran gedacht, sich die gesetzlichen Regelungen zum Gewaltschutz genauer anzusehen?
Ich bin keine Juristin, aber es versichern mir alle Juristinnen und auch das Justizministerium, dass das österreichische Strafgesetz relativ viel hergibt. Da sind wir in Europa Vorreiter.
Die Teilzeitquote bei Frauen liegt derzeit bei 48 Prozent. Haben Sie konkrete Pläne, um die Vollzeitbeschäftigung bei Frauen zu erhöhen?
Nein. Denn wenn es diese konkreten Pläne gäbe, dann hätte die schon jemand vor mir entwickelt. Ich glaube, man muss differenzieren: Um welche Art von Teilzeit handelt es sich? Das wird in den Statistiken kaum ausgewiesen – alles was unter vierzig Stunden fällt, gilt als Teilzeit. Und es fehlt qualifizierte Kinderbetreuung, gerade bei den Unter-Dreijährigen.
Braucht es hier nicht langsam einen mutigen, großen Schritt, damit jedes Kind in jedem Bundesland gleich qualifizierte Kinderbetreuung vorfindet?
Und wer zahlt? Kinderbetreuung ist Ländersache. Was der Bund tun kann, geht über den Finanzausgleich. Das Gratis-Kindergartenjahr wurde so durchgesetzt. Es wird vom Bund Geld in die Hand genommen, aber es scheitert, wie so viele Dinge in Österreich, an der Frage der Zuständigkeiten.
Würden Sie eine allgemeine Reduzierung der Arbeitszeit unterstützen?
Ja, natürlich. Eine Arbeitszeitverkürzung und neue Aufteilung der Arbeitszeit ist das Thema der Zeit. Alleine die Überstunden: Wenn wir uns überlegen, wie viele Männer vierzig Stunden plus und Überstunden arbeiten, weiß man, dass genug Arbeit da wäre, man müsste sie nur anders verteilen.
Der Koalitionspartner möchte das Frauenpensionsalter lieber heute als morgen anheben. Sind Sie dafür zu haben?
Nein.

Die diskutierte Kürzung/Deckelung der Mindestsicherung träfe fast ausschließlich Kinder und Alleinerziehende. Würden Sie Ihre Unterschrift unter so eine Gesetzesänderung setzen?
Nein. Auch andere im Ministerrat würden das nicht tun.
Für den Ausbau der Ganztagsschule wurden 750 Millionen lockergemacht. Aus der ÖVP gibt es unterschiedliche Signale, ob damit Nachmittagsbetreuung in der Schule oder eine echte, verschränkte Ganztagsschule gemeint ist.
Der Ideologiestreit ist nicht beendet, den kann man auch mit einer Milliarde Euro nicht beenden. Es ist ein Kompromiss in einer Regierung, in der zwei Parteien sehr unterschiedlich denken. Ich glaube, dass mit der flächendeckenden, verschränkten Schulform zunächst nicht alle glücklich wären. Aber ich bin felsenfest von den Vorteilen überzeugt. Es macht die Unterschiede der Herkunftsfamilien wett.
Ist es ihr Ziel, den Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein durchzusetzen?
Nein. Es ist ganz klar definiert, was Krankenbehandlung ist. Die Krankenkasse kommt weder für Prävention von Schwangerschaft noch für einen Schwangerschaftsabbruch auf. Außer bei Gefahr für Mutter oder Kind – dann ist es eine Therapie. Was aber wichtig ist: darauf zu drängen, in allen Bundesländern Möglichkeiten zu schaffen, dass Frauen Zugang zum Schwangerschaftsabbruch haben. Was man sich möglicherweise überlegen müsste, ist eine soziale Staffelung bei den Preisen.
Die Forderung, dass es in allen Bundesländern Krankenhäuser geben muss, die einen Abbruch vornehmen, gibt es schon lange …
Ja, aber wir haben keinen Durchgriff.
Auch in der Ausbildung der ÄrztInnen gibt es Lücken, manche lernen gar nicht, wie ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird.
Weil dieser immer noch strafbar und nur bis zur zwölften Woche straffrei gestellt ist. Und weil auch nur jene Ärzte darin ausgebildet werden, die das auch wollen. Das ist geübte Praxis und ich halte das nicht für schlecht. Ärzte können sagen, dass sie es aus moralisch-ethischen Gründen nicht wollen. Dieses Recht steht ihnen zu. Es liegt dann auch in der Verantwortung des Spitalsträgers, ausgebildete Ärzte anzustellen. Wenn der Spitalsträger keine Abbrüche anbieten will, kann ich das nicht beeinflussen.
Soll der Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetz gestrichen werden?
Das ist in der derzeitigen politischen Situation nicht durchsetzbar. Mit allen Parteien, außer den Grünen – und auch da bin ich mir nicht sicher. Im Umgang mit dem Schwangerschaftsabbruch habe ich gelernt: Am besten man belässt es, wie es ist. Es wird nicht besser! Dann kommen nur noch mehr Entschließungsanträge zu Verschärfungen als jetzt schon.
Im Mai 2013 hat die SPÖ ein Positionspapier zu Intersexualität veröffentlicht. Warum sind in Österreich immer noch geschlechtsanpassende Eingriffe an Kindern erlaubt?
Die Frage des dritten Geschlechts, wie es das in vielen Ländern schon gibt, muss man sich anschauen. Wie entscheide ich als Eltern, wenn das Kind nicht entscheiden kann? Kann und darf man Eltern dazu bringen, ihr Kind bis zum 16. Lebensjahr ohne geschlechtliche Zuordnung großzuziehen? Wie hält eine Familie das aus? Man muss auch immer den ländlichen Raum mitbedenken, der sehr konservative Strukturen hat. Deshalb verstehe ich Eltern, die das möglichst rasch entscheiden wollen.
Die Frage ist: Hat das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit Vorrang?
Ja, aber es gibt auch das Recht des Kindes auf ein Leben in der Familie. Und wenn eine Familie so etwas nicht aushält, ist die Frage, wie die Unversehrtheit des Kindes zwar körperlich besteht, aber dafür seelisch nicht.
Es gibt nur rund sieben Prozent Bürgermeisterinnen. Wie können wir das ändern?
Indem wir versuchen, langsam die männliche Definition von Arbeit und Politik in eine weibliche Definition umzuwandeln. Die Frage ist, ob es notwendig ist, dass der Bürgermeister am Wochenende bei jedem Festl sitzt. Viele Frauen kennen nur die männliche Art der Führung: Sitzungen bis in die Nacht, ständige Verfügbarkeit. Es gibt Firmen, da finden Meetings nur zwischen 9 und 16 Uhr statt. Das würde schon viel Druck wegnehmen.
Schließen Sie als Frauenministerin eine Koalition mit der FPÖ aus?
Wir erarbeiten Kriterien, nach denen wir entscheiden, mit wem die Sozialdemokratie in eine Koalition geht. Und wenn jemand Frauen nicht als gleichwertige Partner im System betrachtet, Frauenhäuser als das Ende der Ehe bezeichnet und von Genderwahnsinn spricht, dann glaub ich nicht, dass die SPÖ mit so einer Partei im Bund koalieren sollte. Mit der derzeitigen FPÖ gibt es keine Berührungspunkte in der Frauenpolitik.
Sabine Oberhauser (SPÖ) ist seit 2014 Gesundheitsministerin, zusätzlich übernahm sie am 1. Juli im Zuge eines größeren Umbaus im Regierungsteam durch den neuen Bundeskanzler Christian Kern auch die Frauenagenden.