Antideutsche Macker haben den Feminismus entdeckt. Der Sexismus in der antideutschen Szene ist deshalb nicht verschwunden. Von MAXINE BACANJI
Als sich vor 25 Jahren eine Spaltung durch die deutschsprachige Linke vollzog, gab es gute Gründe dafür. Gründe, die heute wichtiger denn je erscheinen, sieht man sich den Anstieg der antisemitischen Vorfälle in Europa an. Als sich die Gruppe-K (hervorgegangen aus dem Kommunistischen Bund KB in Hamburg, Anm.) für die amerikanische Intervention in den Golfstaaten und für bedingungslose Solidarität mit Israel aussprach, stellte sie sich damit klar gegen die antizionistischen und antiimperialistischen Positionen der anderen Gruppen im Kommunistischen Bund – und die sogenannten Antideutschen waren geboren. Doch Feminismus war damals kein Streitpunkt zwischen dem antideutschen und antiimperialistischen Lager. Die antiimperialistische Linke betrachtete Patriarchat und Sexismus meist als ein Resultat des Kapitalismus, das deshalb gemeinsam mit diesem zugrunde gehen würde. Dies ist auch heute noch eine gängige Überzeugung in linken Kreisen (so verkürzt diese These vom bloßen „Nebenwiderspruch“ auch ist).
Neues Feindbild. Auch in antideutschen Gruppen war das anfangs noch eine verbreitete Analyse. Doch inzwischen scheint dies nicht mehr so zu sein. Sexismus wird dort immer seltener als Resultat des Kapitalismus betrachtet und stattdessen als Problem von regressiv-religiösem Denken definiert. Denn den wirklich schlimmen Sexismus gäbe es ja in westlichen Ländern nicht mehr. Männer und Frauen seien gleichberechtigt und Sexismus gehe angeblich vor allem von Menschen aus, die nicht den westlichen Vorstellungen einiger „AntiDEdudes” entsprechen. Also von Muslimen. Eine Ansicht, die natürlich nur in einer männlich dominierten Bubble bestehen kann. Doch meldet sich eine Frau zu Wort, um die sexualisierten Übergriffe durch „Bio-Deutsche“ (1) anzuprangern, vergisst der neue Antideutsche sein altes Feindbild – die Deutschen – schon einmal gerne für sein neues: den Islam. So hört man in fast jeder Diskussion, in der Frauen über Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt sprechen, die nicht von Muslimen ausgegangen ist, dass die Definition verbaler Handlungen oder einer Hand auf dem Po als Gewalt eine Relativierung dessen sei, was Frauen täglich durch Muslime erfahren müssten. Seit der Silvesternacht in Köln kann nämlich der gemeine antideutsche Macker sein Feindbild mit seiner Vorstellung von Feminismus ideologisch unterfüttern.
Die „richtigen“ Feministinnen. Selbstverständlich mag man als Antideutscher starke Frauen. Deshalb teilt man auf Facebook und Twitter auch gerne Bilder von IDF-Soldatinnen (Anm.: Israelische Verteidigungsstreitkräfte). Wenn auch nur von denjenigen, die aussehen wie die Schauspielerin und ehemalige Miss Israel Gal Gadot, die selbst ebenso ihren Wehrdienst abgeleistet hat. Die Vermutung, dass es eher um identitäres Gehabe und einen Fetisch für Uniformen als um Feminismus geht, liegt also nah.
Grundsätzlich mag man als Antideutscher Feministinnen, die gegen die patriarchalen Herrschaftsstrukturen im Islam kämpfen, wie die Bloggerin Neda Amin. Und diese Frauen verdienen auch jede Solidarität, keine Frage. Allerdings sind die antideutschen Motive für diese Solidarität höchst kritikwürdig.
Denn regelmäßig lassen sich bei Facebook die Auswüchse der weitverbreiteten Misogynie in antideutschen Bubbles beobachten. Es werden sexistische Memes gegen Muslime oder die AfD geteilt. Männer machen sich lustig über feministische Awareness-Konzepte gegen Gewalt und antworten bei Kritik darauf mit Videos des Punk-Stars und mutmaßlichen Vergewaltigers GG Allin. Und das sind nur einige Beispiele des täglichen Kampfes als Frau in Antideutschland.
Jedes Monitoring dieser Vorfälle wird als Denunziation beschrieben. Hysterische Frauen bauschten etwas auf, um sich selbst in Szene zu setzen. Ein altes, sexistisches Narrativ.
Dass immer weniger Feministinnen sich aus diesem Grund als antideutsch bezeichnen, erscheint logisch. Nicht nur deshalb wäre es höchste Zeit, dass Antifeminismus und Muslimfeindlichkeit endlich aus den antideutschen Kreisen verschwinden. Damit wir wieder gemeinsam für ein freies, säkulares und sicheres Israel kämpfen könnten.
Maxine Bacanji hat ihr Deutsch- und Philosophiestudium in Köln erfolgreich abgebrochen und lebt in Israel. Im Gegensatz zu vielen ihrer feministischen Kolleginnen bezeichnet sie sich selbst immer noch als Antideutsche und schreibt bzw. spricht meist über Hate Speech, Feminismus und Antisemitismus.
(1) Deutsche Staatsbürger ohne einen sogenannten Migrationshintergrund
1 Kommentar zu „„AntiDEdudes““
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