Wie marktförmig muss Feminismus heute sein, um wahrgenommen zu werden? Und wie gehen feministische Medienmacherinnen mit diesem Druck um? Ein Gespräch zwischen Lea Susemichel, leitende an.schläge-Redakteurin, und Sonja Eismann, Mitherausgeberin des „Missy Magazine“. Moderation: Janis Czapka
an.schläge: Sich Feministin zu nennen, ist hip, auch andere Medien greifen frauenpolitische Themen auf. Braucht es da eigentlich noch eigene feministische Medien, Lea?
Lea Susemichel: Ja, die braucht es unbedingt. Aber es ist tatsächlich so, dass bestimmte feministische Themen inzwischen auch in traditionellen Medien verhandelt werden. Das ist ein Erfolg, den sich feministische Journalistinnen auf die Fahnen schreiben können. Uns quälen ja regelmäßig Zweifel, ob wir überhaupt etwas bewirken, ob unsere Arbeit nicht bloß ein „Preaching to the Converted” ist. Aber auch wenn es dauert, es gibt einen Thementransfer zwischen feministischen und anderen Medien, die irgendwann um unsere Themen nicht mehr herumkommen. Auch wenn sich bei genauerer Betrachtung leider zeigt, dass Feminismus oft als Debattenbeitrag, als emotionsgeladenes Meinungsthema präsentiert und als Clickbait benutzt wird: Kopftuch, ja oder nein? Johnny Depp oder Amber Heard? Feministische Medien hingegen machen deutlich, dass jedes Thema auch ein feministisches Thema ist, auch wenn es um Asylpolitik oder um den Klimawandel geht.
Sonja, wodurch zeichnet sich feministische Medienarbeit aus?
Sonja Eismann: Sie agiert unter sehr prekären Bedingungen und es gibt für feministische Medienarbeit sehr viel weniger Geld als in anderen, klassischen Medienhäusern. Die amerikanische feministische Zeitschrift „Bust“ hatte früher die humoristische Eigenwerbung „Bust – like crime – does not pay“. Es werden uns Arbeitsbedingungen aufgezwungen, die wir ja paradoxerweise mit unserer Arbeit kritisieren. Andererseits sind tatsächlich ganz viele der zwar oberflächlichen, aber doch feministischen Artikel darauf zurückzuführen, dass Medien wie die an.schläge oder „Missy“ beharrlich immer wieder feministische Themen auf die Agenda gesetzt haben. Leute, die uns lesen, wissen das zwar oft alles schon, aber ich finde trotzdem, dass es auch eine extrem wichtige Funktion von feministischen Medien ist, sozusagen einen Schutzraum zu bieten, in dem sich die Leser*innen gesehen und sicher fühlen – wo sie z. B. mit dem richtigen Pronomen angesprochen und nicht gebodyshamed werden.
Wie lässt sich der Spagat bewältigen, dass auch feministische Medien ökonomisch erfolgreich sein müssen? Wie sperrt ihr euch gegen den Ausverkauf des Feminismus?
Sonja: Das ist für uns relativ einfach, es ist noch niemand gekommen, der uns eine Million Euro geben wollte für den Feminismus, den wir machen – also einen linken, intersektionalen, antifaschistischen Feminismus. Aber es gibt natürlich Feminist:innen, die stärkere Kompromisse eingehen und einen Feminismus vertreten, der sich besser verkaufen lässt, das ist eine Begleiterscheinung des Hypes. Ich habe mir gerade lustige Memes von Iketype über diesen pseudo-empowerten „Champagner-Feminismus“ von FDP, CDU, all diesen Frauen aus dem neoliberalen Business-Spektrum, angeschaut. Das gibt es natürlich, aber das hat mit unserer Definition von Feminismus rein gar nichts zu tun.
Lea: Einerseits ist das Label feministisch inflationär und ziemlich inhaltsleer geworden, indem alle sich ihren Feminismus nun einfach selbst definieren dürfen. Es geht nicht mehr um Gerechtigkeit und das gute Leben für alle, sondern ich mach mein Ding und deshalb bin ich schon Feministin. Andererseits ist aber nicht nur dieses Verständnis von Feminismus
vermarktbar geworden, sondern auch wir selbst und unsere Arbeit muss immer marktförmiger werden, um zu überleben. Aber wenn sich ein feministisches Magazin als Medienprodukt am Markt behaupten muss, kompromittiert das doch bis zu einem gewissen Grad unweigerlich, oder? an.schläge ist ja ein Non-Profit-Unternehmen, wir dürfen also gar keinen Gewinn machen, trotzdem spüren wir einen immensen Druck, das Magazin vermarkten zu müssen. Das ist etwas, das meiner Meinung nach dem feministischen Grundgedanken völlig widerspricht. Als Feministin freue ich mich über jede weitere feministische Stimme und deshalb auch über jedes neue feministische Medienprodukt, ich will also nicht in Konkurrenz zu ihnen stehen, um „mein Produkt“ möglichst gut am Markt zu platzieren. Aber das trifft ja inzwischen sogar auf einzelne Feminist:innen zu, die – mit Foucault – alle zu Unternehmerinnen ihrer selbst geworden sind, sich ständig vermarkten und sich dafür auch auf Social Media inszenieren müssen. Das machen wir inzwischen auch, obwohl auch die Logiken der Sozialen Medien so ziemlich allem entgegenlaufen, wofür unser Feminismus steht.
Sonja: Solange wir im Kapitalismus leben und unter dessen Bedingung operieren, werden wir immer unsere Haut zu Markte tragen, ohne das zu wollen. Der Grundkonflikt ist, dass wir darauf hinwirken, dass dieses System abgeschafft wird, und uns dafür dieses Systems bedienen. Deshalb finde ich es ein sehr schönes Zeichen, dass wir unsere Geburtstage zusammen feiern. Wir freuen uns über jedes feministische Magazin, jede feministische Organisation, weil uns das in unserem Kampf stärkt, dieses Scheißpatriarchat und den Kapitalismus irgendwann zu überwinden.
Medien sind derzeit generell stark unter Druck, vor welchen Herausforderungen steht die Medienpolitik?
Lea: Medien sollten grundsätzlich nicht gezwungen sein, ökonomisch erfolgreich zu sein. Es führt unweigerlich zur Boulevardisierung von Medien, wenn es nur noch um die Maximierung von Zugriffen geht. Medienpolitik sollte viel stärker als bisher auf die demokratiepolitische Verantwortung fokussieren. Da können andere Medien sehr viel von uns lernen, weil wir feministische Medienmacherinnen ja immer schon gezeigt haben, wie sich Haltungsjournalismus mit journalistischer Seriosität verbinden lässt und dass es die vermeintliche Neutralität so nicht gibt. Durch die Angriffe von rechts wächst nun auch in traditionellen Medien plötzlich das Bewusstsein dafür, dass es sowas wie journalistische Integrität und Haltung braucht.
Sonja: Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir in Österreich wie auch in Deutschland einen rechten Backlash erleben. Und jetzt merken auch die anderen, dass es ihnen möglicherweise an den Kragen geht und besinnen sich darauf, dass es gut wäre, dem eine Haltung entgegenzusetzen. Das ist das Besondere an engagiertem Feminismus: Er tut nicht so, als würde er für alle sprechen von einem vermeintlich universalistischen Standpunkt aus.
Deswegen ist es extrem wichtig, den Lesenden klarzumachen, wie unterstützenswert das ist, und dass sich das nicht einfach gratis im Netz abgreifen lässt, sondern da viel dranhängt.
Der US-Ökonom Daron Acemoğlu fordert, dass für die Wahrung der Demokratie Google und Facebook entmachtet werden müssen. Muss für den Feminismus Instagram zerschlagen werden?
Sonja: Viele der Leute, die wir über Soziale Medien erreichen, könnten wir gar nicht über das Printmagazin erreichen. Das sind sehr junge Leute, die vielleicht auch nicht in Städten leben. Es ist also auch eine Generationenfrage, woran sich gleich der nächste Punkt anknüpft: Hat Print überhaupt noch eine Zukunft? Ich persönlich liebe Print, aber es gibt ja sehr viele Medien, die aus Nachhaltigkeitsgedanken auf digital umstellen. Wobei auch digitale Medien sehr viele Ressourcen verbrauchen.
Es ist zwar ein schöner, nostalgischer Gedanke, sich jetzt digitalen Kanälen zu verschließen, aber wenn man bestehen möchte, Menschen weiter erreichen möchte, dann führt da kein Weg drum herum.
Lea: Aber Feminist:innen sollten auf jeden Fall alles dafür tun, um diese Medien zu verändern und von innen heraus zu subvertieren, oder? Ich glaube tatsächlich, dass wir alle Schaden nehmen, wenn wir uns ihrer medialen Logik unterwerfen, die vieles zunichte macht, wofür wir so lange kämpfen.
Sonja: Absolut. Dieser Plattform-Kapitalismus, den wir damit unterstützen, ist ja absolut haarsträubend, wenn wir überlegen, welche Macht und Kapitalballung und Überwachungspotentiale dahinterstecken, was auch alles zensiert wird, z. B. in Bezug auf emanzipierte, weiblich gelesene Sexualität.
Unser großer Wunsch wäre natürlich, dass wir mit unserem Medium dazu beitragen, dass wir gemeinsam neue, solidarische Kanäle statt der existierenden erfinden. •