Auch mit seiner neuesten Kampagne feiert das Kosmetikunternehmen Dove die „echte“ Schönheit der unperfekten Durchschnittsfrau. Was ist davon zu halten? ALEXANDRA SCHMIDT und MELANIE LETSCHNIG diskutieren.
Alexandrea Schmidt: Dove wirbt neuerdings mit „realistischen“ Frauenbildern – ganz „normale“ Frauen sollen ihre Schönheit entdecken und zu ihren Körpern stehen. Ziel der Kampagne ist es, Frauen dabei zu unterstützen, selbstbewusster mit dem eigenen Äußeren umzugehen und ein gesundes Schönheitsbewusstsein zu entwickeln. Der Hintergrund: Nur ein Prozent aller Frauen würde sich selbst als „schön“ beschreiben, so das Ergebnis einer eigens weltweit durchgeführten Dove-Studie, immerhin auch mit 500 Frauen aus Österreich.
Die Bilder der Kampagne heben sich wohltuend von den gewohnten Abbildungen von Frauen in der Werbung ab. Die Frauen sind zum Teil mit ihren Freundinnen zu sehen, sie sind fröhlich, in aktiven Posen und ohne unnötige Freizügigkeit dargestellt. Sie vermitteln einen selbstbewussten und selbstbestimmten Eindruck. Sicherlich sind auch diese Bilder nachbearbeitet – aber was zählt, ist ein dargestelltes Frauenbild abseits von Sexismus und Diskriminierung. Hier ist ein Bewusstsein für den sensiblen Umgang mit Bildern erkennbar.
Wir von der Salzburger Watchgroup gegen sexistische Werbung begrüßen das. Denn die Werbelandschaft ist nach wie vor voll von frauenverachtenden Darstellungen, von Diskriminierung und einem unrealistischen Schönheitsideal. Natürlich will Dove auch etwas verkaufen und signalisiert den potenziellen Kundinnen: „Macht euch schön!“ Doch die Botschaft ist hier nicht „schön für einen Mann“, sondern Pflege, um sich in der eigenen Haut wohlzufühlen und das eigene Äußere anzunehmen. Ein positives Beispiel für uns – leider unter vielen negativen, mit denen wir uns immer wieder beschäftigen müssen.
Alexandra Schmidt ist Projektkoordinatorin des Frauenbüros der Stadt Salzburg und beteiligt sich aktiv bei der Salzburger Watchgroup gegen sexistische Werbung: www.watchgroup-salzburg.at.
Melanie Letschnig: Bereits Jahre vor „Brigitte“ hat Dove die echte Frau als Testimonial für sich entdeckt. Im Gegensatz zum professionellen Model darf die echte Frau trotz beachtlicher Retuschierleistung den einen oder anderen, von der Kosmetikindustrie als solchen identifizierten Makel behalten. Die Produktlinie von Dove für Frauen eines gewissen Alters heißt nicht „Anti“, sondern „Pro Age“, deswegen zeigen die (nackten) Frauen auf den Plakaten und in den Fernsehspots auch Mut zur Falte. Ebenso findet sich an den jüngeren Werbeträgerinnen mit Bindegewebsschwäche die eine oder andere Delle an Bauch und Oberschenkel – logischerweise, denn irgendwo muss die Lotion ja einschreiten.
Das Motto der aktuellen Werbekampagne von Dove lautet: „Ich sehe was, was du nicht siehst – und das ist schön.“ Sie ist Teil von Doves „Initiative für wahre Schönheit“, einem mehrformatigen Programm, das durch Workshops an Schulen, Selbsttests im Internet, Arbeitshefte etc. vor allem Mädchen und jungen Frauen helfen soll, „ihre Definition von Schönheit zu erweitern“ (so zu lesen auf der Webseite von Dove). Der dazugehörige TV-Werbespot fußt auf einer von Dove durchgeführten Studie, laut der sich nur zwei Prozent der deutschen Frauen als schön bezeichnen. Dieses Ergebnis verillustriert die Fernsehwerbung. Zu sehen sind – jeweils in Zweierkonstellation und auf der Straße abgepasst – Mutter und Tochter, Schwestern, Freundinnen unterschiedlicher Altersstufen, von denen zunächst eine befragt wird, was sie an sich selbst schön finde. Dazu fällt den Interviewten nichts ein, auf die Frage allerdings, was sie an ihrer Schwester/Freundin/Tochter denn schön fänden, sprudeln die Komplimente für Bauch, Beine, Po und Gesicht nur so raus aus den 98 Prozent. Die Produkte, die es von Dove zu kaufen gibt, kommen im Spot nicht vor. Müssen sie auch nicht, denn das Produkt bin ich, die echte Frau. Ich bin der Posten, den sich Dove mit Facebook als Kapitalakkumulator teilen möchte. Das ist, was mir der Spot von Dove bewusst macht, nicht meine eigene Schönheit. Danke dafür, Dove!
Melanie Letschnig liebt alle Cremes dieser Welt, wenn sie nicht an Tieren getestet wurden, kein Palmöl enthalten und nicht in perfide an ihrer Emotionalität rüttelnden Monsterwerbekampagnen beworben werden.
1 Kommentar zu „an.sprüche: Ich sehe was, was du nicht siehst …“
Man kann solche Beherztheit wahrscheinlich nicht von einem “normalen” Unternehmen erwarten, aber sagen möchte ich es trotzdem:
Es würde sicher dem entspannten Umgang mit dem eigenen Körper entgegenkommen und vielleicht sogar zu einer realen Wahlfreiheit in der “Körpergestaltung” führen, wenn bei einer solchen Gelegenheit die ebenso strikte wie tabuisierte Norm des haarlosen Frauenkörpers relativiert würde.