„Freeheld“ bringt Lesben, Liebe und den harten Kampf um gleiche Rechte auf die Leinwand – inklusive hartnäckiger Klischees. Von BETTINA ENZENHOFER
Bei einem Volleyballspiel begegnen sich Polizistin Laurel und Mechanikerin Stacie zum ersten Mal. Laurel ist extra in eine andere Stadt gefahren, um in einem reinen Frauenteam mitspielen zu können – zu groß wäre die Gefahr, sich sonst in ihrem Heimatort im US-Bundesstaat New Jersey als „so eine“ zu erkennen zu geben. Auf die erste Anziehung zwischen Laurel und Stacie folgt das erste Date, der (angedeutete) erste Sex und die große Liebe inklusive Hund, Haus und Eingetragener Partner*innenschaft. Doch dann erfährt Laurel, dass sie Lungenkrebs im Endstadium hat – Überlebenschance: zehn Prozent. Anders als bei einer Ehe würden Laurels Pensionsansprüche nach ihrem Tod nicht automatisch auf Stacie übergehen, diese könnte mit ihrem mageren Gehalt die Kreditraten des Hauses aber niemals abzahlen. Die beiden kämpfen also um Gleichbehandlung bei der zuständigen Behörde und bekommen tatkräftige Unterstützung von LGBT-Aktivist*innen. Für Letztere kommt der Fall gerade zur rechten Zeit, um für die Öffnung der Ehe zu kämpfen – erst 2015 wurde das Eheverbot für Lesben und Schwule in den USA aufgehoben. Doch Laurel geht es nicht darum, dass Homosexuelle heiraten dürfen, sondern um Gerechtigkeit, wie sie mehrmals betont. Die Behörden wiederum sehen die „heilige“ Ehe zwischen Heterosexuellen gefährdet, würden sie auf Laurels Ansuchen eingehen.
Bewegender Abschied. „Freeheld“ basiert auf einer wahren Geschichte, die bereits 2007 unter demselben Titel als dokumentarischer Kurzfilm zu sehen war und mit dem Oscar prämiert wurde. Als Spielfilm nach einem Drehbuch von Ron Nyswaner („Philadelphia“) scheint „Freeheld“ einiges richtig zu machen: Lesben auf der Leinwand! Julianne Moore und Ellen Page als Hauptdarstellerinnen! Liebe und Herzschmerz! Obwohl die Inszenierung alles andere als subtil daherkommt: Die Tränen der Zuseher*innen werden genauso wenig ausbleiben wie ihr Mitschmachten bei der Anbahnung dieser ergreifenden Liebesgeschichte, auch wenn lesbische Klischees wie die Liebe zu Flanellhemden, Motorrädern oder zum Heimwerken bedient werden. Die Regie von Peter Sollett zeigt leider noch mehr Schwächen: stereotype Schwule, ein fast ausschließlich weißes Team vor und hinter der Kamera sowie eine Erzählweise, die insgesamt zu unentschieden zwischen Krimi, Lovestory und der Darstellung von LGBT-Aktivismus wechselt.
Nachhilfestunde für Heteros? „Jede Liebe ist gleich“ ist der Untertitel der deutschen Fassung, der die bescheidene Botschaft von „Freeheld“ auf den Punkt bringt: Ganz brav handelt der Spielfilm ab, womit Lesben und Schwule oft konfrontiert sind. Es geht um ein berufliches Umfeld, in dem das Coming-out besser vermieden wird (inklusive dem Konflikt, wenn eine nicht als Mitbewohnerin, sondern als Partnerin vorgestellt werden möchte), um gesetzliche Ungerechtigkeiten von staatlicher Seite und homofeindliche Überfälle. Neben den weiblichen Hauptfiguren gelangen auch zunehmend andere Darsteller in den Fokus der Erzählung, die auf ihre Weise zeigen sollen, dass „jede Liebe gleich ist“ und nicht diskriminiert werden darf. Dass das auch 2016 noch im Kino erklärt werden muss, mag ärgerlich sein, spiegelt aber leider noch immer die (heteronormative) Realität. Und das ist trotz aller Kritik an „Freeheld“ ein Grund, sich den Film anzusehen.
Freeheld
Regie: Peter Sollett
USA 2015, 103 Min.
bereits im Kino
1 Kommentar zu „an.sehen: Liebe in Flanellhemden“
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