Die neue Netflix-Serie „Nola Darling“ besticht mit einer sex-positiven, polyamourösen und pansexuellen weiblichen Hauptfigur. HANNAH SÜSS hat die zehn Folgen gesehen.
„As a sex-positive polyamorous pansexual, monogamy never even seemed like a remote possibility“, erklärt Nola ihrer Therapeutin. Nola Darling, die Heldin aus Spike Lees gleichnamiger Netflix-Serie, ist Ende zwanzig, lebt als Malerin in Brooklyn und hat nicht die Absicht, sich für ihr Liebesleben zu rechtfertigen. Stattdessen ist die selbstbewusste woman of color ständig damit beschäftigt, ihre Liebhaber*innen, ihre Kunst und das Geld für ihre Miete zu jonglieren.
„Nola Darling“ basiert auf Spike Lees 80er-Jahre-Kultfilm „She’s gotta have it“ und wurde von Lee in Kollaboration mit seiner Schwester Joie Lee und den Autorinnen Radha Blank, Eisa Davis und Lynn Nottage für Netflix als zehnteilige Serie ins Jahr 2017 versetzt.
Kein Hipster-Leben. Neben einer außergewöhnlichen weiblichen Hauptfigur, gespielt von DeWanda Wise, überzeugt „Nola Darling“ auch auf inhaltlicher Ebene. Die Serie verhandelt eine Vielzahl relevanter gesellschaftspolitischer Themen wie die Trump-Regierung, die Black-Lives-Matter-Bewegung oder sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Vor allem bei der Darstellung von Letzterem war Lee bemüht, einen Fehler seiner Filmvorlage auszumerzen. Darin wird Nola von einem ihrer Partner vergewaltigt, gesteht diesem jedoch kurz darauf ihre Liebe. Statt Vergewaltigung zu verharmlosen, wird im Serien-Remake jedoch die schwierige Bewältigung von Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt betont.
Als Nola nachts auf der Straße von einem Mann attackiert wird, veranlasst sie diese traumatische Erfahrung zu einer feministischen Streetart-Aktion, in der sie Plakate mit variierenden Nachrichten wie „My Name isn’t Honey“ in Brooklyn verteilt. Ein chauvinistischer Backlash lässt nicht lange auf sich warten und Nolas Plakate werden schließlich übersprüht.
Auch die Problematik zunehmender Gentrifizierung und astronomisch steigender New Yorker Mietpreise wird in „Nola Darling“ explizit thematisiert, im Gegensatz zu anderen Serien, deren twenty-something Protagonist*innen scheinbar selbstverständlich stylish eingerichtete Hipster-Appartements bewohnen, ohne dass sich je die Frage nach deren Finanzierung stellt. In diesem Zusammenhang wird in der Serie auch auf den strukturellen Rassismus gegen people of color eingegangen, der sich rund um das Thema Gentrifizierung deutlich offenbart.
Poly und pan mit male gaze? Nola lebt polyamor und hat eine ganze Reihe an Partner*innen vorzuweisen: den großmäuligen Fahrrad-Freak Mars, den bodenständigen Geschäftsmann Jamie, den narzisstischen Fotografen Greer und die toughe alleinerziehende Mutter Opal. Nolas Beziehung zu ihren männlichen Verehrern steht in der Serie jedoch sichtbar im Fokus, weshalb die Darstellung von Pansexualität eher als hetero-flexibel ausfällt. Auch Sibel Schick wirft deshalb in der „taz“ zu Recht die Frage auf, inwiefern Nolas polyamouröse Pansexualität womöglich aus einer dezidiert männlichen Perspektive erfolgt.
Obwohl Nola facettenreich und komplex gezeichnet ist, wirkt ihre Figur oftmals stark überzeichnet und affektiert, was eine Identifikation mit ihr erschwert. Auch gelingt es nicht immer Verständnis für ihre Handlungen aufzubringen, denn häufig erscheint Nola in ihren Entscheidungen eher egozentrisch als unabhängig.
Dennoch macht „Nola Darling“ vieles richtig und bleibt eine in gleichen Maßen unterhaltsame wie feministisch relevante Serie, die außerdem mit einem tollen Soundtrack aufwarten kann. Eine selbstbewusste weibliche Hauptfigur of color, wie sie Nola trotz berechtigter Kritik darstellt, ist auch in der heutigen Medienlandschaft noch immer keine Selbstverständlichkeit. Hoffen wir also, dass uns das kommende Jahr noch mehr solch starker Frauen*figuren beschert, die uns das Binge-Watching auf feministische Weise versüßen. Gerne auch noch ein wenig radikaler!
Hannah Süss studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien.
Nola Darling
zehn Folgen
USA, veröffentlicht auf Netflix im November 2017
Regie: Spike Lee
1 Kommentar zu „an.sehen: Everybody’s Darling?“
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