Eine virale Webserie feiert die Freundschaft. Von BARBARA FOHRINGER
Das Smartphone läutet. Leila (Nabila Hossain) steht auf, hebt ab und während sie beginnt, sich anzuziehen, lügt sie ihre Tante am anderen Ende der Leitung an – sie sei gerade in der Arbeit, gleich beginne ein wichtiges Meeting. Noch bevor wir Leilas Versuch, ihre Tante zu beruhigen, hören, beginnt die Kamera durch den Raum zu gleiten, wir sehen eine Pflanze, Bücher, eine Tasche und den Spruch „Today is the first day of the rest of your life“. Während der Gedanke aufkommt, gerade eine bisher unentdeckte Folge von „Girls“ oder einer ähnlichen Millennial-Serie entdeckt zu haben, schwenkt die Kamera auf den Körper einer weiteren Person, die noch im Bett liegt. Sie ist nackt und sie ist weiblich.
Im Mittelpunkt stehen. Es wäre zu einfach, „Brown Girls“, die in den USA von Kritiker_innen gelobte Webserie, die diesen Februar auf ellen.com ihr Debüt feierte und deren Trailer schon Tausende vor Serienstart begeistert hatte, einfach als neue Version von „Girls“ oder „Broad City“ abzutun. Sicher. Auch in „Brown Girls“ steht die Freundschaft zweier junger Frauen, die sich in ihren Zwanzigern befinden, in der Großstadt leben und kreative Ambitionen haben, im Zentrum. Aber Leila und ihre beste Freundin Patricia (Sonia Denis) sind nicht die Art von Frauen, die bisher in Filmen und Serien als Hauptdarstellerinnen im Mittelpunkt standen: Leila ist eine muslimische Amerikanerin mit pakistanischem Background. Sie will schreiben. Und sie will nicht mehr mit ihrem verheirateten Chef schlafen, sondern mit Frauen. Die Afroamerikanerin Patricia wiederum will sich mehr auf ihre Musikkarriere konzentrieren. Einem Date sagt sie nach dem Sex, dass er nicht bei ihr übernachten solle, sie werde ihm ein Uber rufen.
Female friends first. „Brown Girls“ fokussiert die Erfahrungen von (mitunter queeren) Women of Color. Geschrieben wurde die Serie von Fatimah Asghar, einer muslimischen Amerikanerin mit Wurzeln in Pakistan und Kaschmir, die auch als Autorin von Gedichten erfolgreich ist. Regie führte die schwarze Filmemacherin Sam Bailey, die zuvor etwa die Webserie „You’re So Talented“ kreierte. Die Serie verdankt sich zudem Asghars Freundschaft mit der Schwarzen Musikerin Jamelia Woods, die „Brown Girls“ musikalisch unterstützt und berät. Asghar und Bailey wiederum lernten einander nach der Uni kennen, Asghar konnte Bailey gleich für ihre Idee zu „Brown Girls“ begeistern. Bei der Produktion bestand das Team nahezu komplett aus Frauen und/oder People of Color.
Und so bekommt das Publikum zwei Frauen zu sehen, die ihren Platz in der Welt suchen: Die Brotjobs sind derweil öde, Geld ist knapp (in einer Szene muss Patricia ihre Mutter per Anruf um weitere finanzielle Unterstützung bitten), Sex und Beziehungen sind kompliziert, die Freundschaft der beiden aber, die passt, gibt Halt und dem Publikum eine intime Innenschau dieser nuancierten Figuren. „Brown Girls“ verhandelt etwa Liebe und Sex im Zeitalter von Tinder & Co, das Erwachsenwerden, weibliche Freundschaft, aber auch den Umgang mit der eigenen Familie, Diaspora und Rassismus.
Viraler Hit. „Brown Girls“ erzählt wie „Atlanta“ und „Insecure“ Geschichten aus der Perspektive von und mit People of Color-Geschichten, die von den Produktionsfirmen viel zu lange ausgeblendet wurden. Da die Serie schnell zum viralen Hit wurde, haben kurz nach Ausstrahlung einige TV-Sender ihr Interesse bekundet. Asghar und Bailey gaben HBO den Zuschlag. „HBO’s ‚Brown Girls‘ Will Change Television“ schreibt die Zeitschrift „The Atlantic“ bereits. In der letzten Szene, in der die beiden über ihre Zukunft sinnieren, sagt Leila zu Patricia: „We’re gonna make this work.“ Das Publikum kann sich schon jetzt sicher sein: Sowohl Leila und Patricia als auch Fatimah und Sam werden das tun.
Barbara Fohringer lebt und schreibt in Wien und Niederösterreich.
Brown Girls
Von Fatimah Asghar & Sam Bailey, USA 2017
www.browngirlswebseries.com