Erinnerungen der an.schläge-REDAKTION
GESPRÄCH MIT JOHANNA
Meine erste Aufgabe als anzulernende koordinierende Redakteurin bei an.schläge war eine wunderbare: Gabi Horak und Karin Eckert hatten Johanna Dohnal im Februar 2004 zu ihrem 65. Geburtstag interviewt und nun galt es, das Gespräch zu transkribieren. Eine größere Freude hätten mir die Kolleginnen zum Einstand gar nicht machen können: stundenlang dieser Unbeugsamen und Widerständigen, diesem politischen Idol meiner Kindheit und Jugend zuhören und ihre oftmals nur bis zur Hälfte gesprochenen Sätze, die zumeist nahtlos in den nächsten Gedanken übergingen, aufs Papier bringen. Johanna Dohnals Sätze zu vollenden, fiel mir nicht schwer: so bedeutsam und klar schien mir jedes ihrer Worte, dass kein Zweifel blieb und auch ein halber Satz schon ausreichte, um zu wissen, was sie sagen wollte.
Danke, liebe an.schläge, für diesen und viele andere schöne Momente in eurer Redaktion. Danke aber vor allem für eure langjährige unbeugsame Haltung und Widerstandsfähigkeit – wir alle werden euch und eure Arbeit in den kommenden Jahren bitter nötig haben!
Renate Billeth war 2004/2005 koordinierende Redakteurin.
LEGENDÄRE INTERVIEWS
Wir hatten sie alle, die Frauenministerinnen. Fast. Pamela Rendi-Wagner wollte sich zuletzt keine Zeit nehmen. Und Frauenminister Haupt haben wir entschieden und gerne ausgelassen. Aber die meisten anderen Frauenministerinnen im Amt haben wir zu ausführlichen Interviews getroffen. Diese und viele andere Gespräche haben mitunter bleibenden Eindruck hinterlassen, da waren legendäre Interviews dabei.
Etwa das Gespräch mit Frauenministerin Barbara Prammer nach einer langen Nacht der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP: Sie sah fertig aus, aber war überzeugt, dass Rot-Schwarz gelingt. Wenige Stunden nach dem Interview hat die ÖVP die Verhandlungen platzen lassen und nur einen Tag später war Schwarz-Blau unter Dach und Fach. Das Interview mussten wir komplett überarbeiten. Historisch war auch das Interview mit Waltraud Klasnic, damals in der Steiermark die erste Landeshauptfrau Österreichs. Zwei Redakteurinnen saßen schon im Zug Richtung Graz, als sie ausgerufen wurden und gebeten wurden auszusteigen – weil Frau Klasnic war doch in Wien und das Interview konnte hier stattfinden. Übrigens hat sie darauf bestanden, als „Landeshauptmann“ angesprochen zu werden.
Die erste und langjährige Frauenministerin Johanna Dohnal gab uns einige Interviews, auch lange nach ihrem Ausstieg aus der Politik. Es waren einprägsame Gespräche, junge Redakteurinnen, die ihrem Idol gegenübersitzen durften, auf Augenhöhe über die immer noch selben feministischen Kämpfe reden. Es gab einige Frauen, die uns über Jahre begleitet haben. Bei der Frage nach unvergessenen Gesprächspartnerinnen kommt mehreren Generationen von an.schläge-Redakteurinnen auch Ceija Stojka in den Sinn. Ein Nachmittag mit der Romni-Künstlerin und KZ-Überlebenden war einfach einzigartig, traurig, berührend und gleichzeitig voll Lebensfreude und Herzenswärme. Aus solchen Terminen wurden hervorragende Interviews für unsere LeserInnen, aber auch wir selbst haben daraus viel Kraft geschöpft. Die dabei entstandenen Fotos hängen mitunter bis heute als Schätze der Erinnerung an unseren Wohnzimmerwänden.
Angela Heissenberger/Redakteurin 1995-2002, Verena Fabris/Redakteurin 1999-2006 und Gabi Horak/seit 1998 in der Redaktion
WIE FUNKTIONIERT DIESES INTERNET?
Ganz zu Beginn wurde das Heft noch auf Schreibmaschinen geschrieben und am Schneidetisch zusammengeklebt. Anfang der 1990er waren wir stolze Besitzerinnen von zwei Apple-Computern aus der Steinzeit: Die Bildschirme waren winzig klein, das Layoutieren eine Herausforderung. Dann, endlich: Ein G4 wurde geleast, also in Raten abbezahlt, der Bildschirm groß genug, sodass wir endlich die ganze Seite sehen konnten. Ende der 1990er gab es dann schon für jeden Arbeitsplatz einen Computer, zur Entspannung zwischendurch haben wir uns gegenseitig den Highscore beim Tetris abgejagt. Erst zu dieser Zeit haben wir Internet und E-Mail bekommen, was die Produktion noch einmal wesentlich verändert hat. Zuvor haben wir per Fax oder Post geschickte Artikel händisch in den Computer getippt, die Fotografinnen haben Fotos vorbeigebracht und wir haben sie sorgfältig eingescannt. Das Internet war schon eine große Sache, nächtelang haben wir uns mit dem neuen Netzwerk beschäftigt und die erste Webseite selbst gebastelt. Das ging alles auch sehr schnell. Angela kam aus der Karenz zurück und in der Zwischenzeit war die Redaktion online gegangen: „Ich habe die anderen gebeten, mir zu erklären, wie das funktioniert, dieses Internet.“
Aber auch in anderen Bereichen der Produktion gab es im Laufe der Jahre Innovationen. Heute wird das – zu großen Teilen im Homeoffice – produzierte Heft via Cloud an die Druckerei übermittelt. Früher saßen Redakteurinnen und Grafikerin oft Tag und Nacht gemeinsam in der Redaktion, um das Layout fertig zu bekommen, es auf einen Datenträger zu kopieren und rechtzeitig zur Post zu bringen, bevor diese schließt. Ganz genau wussten wir Bescheid, welche Postfiliale in Wien wie lange offen hat. Am Südbahnhof ging es bis 11 Uhr nachts. Wenn auch das nicht schaffbar war, wurde bis 5 Uhr früh durchgemacht – da machte die erste Postfiliale wieder auf. Die fertigen Hefte wurden von der Druckerei wieder in die Redaktion geliefert und in einem Kraftakt an einem Nachmittag zum Versand fertiggemacht und wieder händisch zur Post getragen. Auch hier waren es oft die kleinen Innovationen, die unseren Alltag leichter gemacht haben. Eine Kollegin hat uns den „Postknoten“ beigebracht, also den nach Bezirken sortierten Stapel Hefte so zu verschnüren, dass es hält und einfach zu tragen ist. Was für eine Freude!
Angela Heissenberger/Redakteurin 1995-2002, Verena Fabris/Redakteurin 1999-2006 und Gabi Horak/seit 1998 in der Redaktion
TANZ MIT DEM EINKAUFSWAGEN
Beim feministischen Magazin an.schläge ist immer ganzes Engagement gefragt, meist geht es um Hirnschmalz, manchmal aber auch um vollen körperlichen Einsatz. Zu Veranstaltungen gehen wir nie ohne die aktuelle Ausgabe und zahlreiche ältere Exemplare, außerdem gibt’s Transparente, T-Shirts, Flyer, etc. zu transportieren. Ein eigenes oder geliehenes Auto steht jedoch nicht immer zur Verfügung.
Also rücken wir mit einem Einkaufswagen zur Veranstaltung aus oder fahren mit der U-Bahn zur Frauentagsdemo – eine riesige „Rote Karte gegen die Einkommensschere“ dabei. Bei der Regenbogenparade reihten wir uns mit unserem Einkaufswagen – dieses Mal war er mit Luftballons und Regenbogenfahne geschmückt – zwischen die Wägen und LKWs ein. So ein Einkaufswagerl ist durchaus ein brauchbares Transportgefährt und eine gute Verkaufsfläche – und bei der Parade zeigte sich: Er ist auch eine wendige Tanzpartnerin für diejenige, die das Wagerl gerade schiebt. Martina Madner war von 2004 bis 2006 koordinierende an.schläge-Redakteurin.
EIN KLEINES BISSCHEN STOLZ!
Das Schreiben einer an.schläge-Anekdote habe ich zugesagt. Nun sind es eher die Absurditäten, die mir in den Sinn kommen und die sich vor allem in der Zeit häuften, als wir den Versand noch selber bewerkstelligt haben. Wie froh war ich immer, wenn die Sackkarre keinen Platten hatte, wenn sich der Taxifahrer zu mehr Unterstützung überreden ließ, als nur den Kofferraum zu öffnen, wenn die Bankomatkarte funktionierte und ich nicht mitten in der Versandabwicklung noch bündelweise Geld abheben musste und – wenn es nicht regnete. Ging doch mein Blick am Versandtag beim Aufwachen regelmäßig zum Himmel.
Auch das Fest anlässlich unseres 25-jährigen Jubiläums im Brut fiel in diese Absurditäten-Kategorie. Erschien ich doch aus Angst, dass das eingesammelte Eintrittsgeld im Partygetümmel abhanden kommen könnte, mit der Kasse im Rucksack auf der Tanzfläche. Um nicht zu klappern, war beim Tanzen nur bescheidenes Hüftschwingen möglich.
Nicht zu vergessen, die vielen Strategien der Schreibvermeidung für diverse Artikel und Buchrezensionen. Zu Beginn noch euphorisch bei der Redaktionssitzung gemeldet, endete es meist kurz vor Redaktionsschluss mit der Suche nach möglichen glaubwürdigen Ausreden (Kind schwer krank, Fahrradunfall, Mutter im Krankenhaus …). Erstaunlicherweise kamen sie nie zur Anwendung, worauf ich ein kleines bisschen stolz bin. Wie auch dieses Mal!
Svenja Häfner machte von 2005 bis 2013 die Buchhaltung und Aboverwaltung der an.schläge.
SCHWITZHÜTTENRITUALE
„Mittwoch ist Sitzung, kannst vorbeikommen“, wurde mir barsch beschieden. Ich hatte meinen ganzen Mut zusammengenommen und noch einmal angerufen, nachdem der Job für die an.schläge-Anzeigen-Aquise schon vergeben war: Ob ich vielleicht sonst irgendwie mitmachen könne?
Ein Bier musste ich vorher vor Aufregung trinken und war trotzdem schwitzig und zittrig, als ich an einem Mittwoch vor ungefähr fünfzehn Jahren Richtung Redaktion loszog – einer der großen Lieben meines Lebens entgegen.
Die Anzeigen-Aquise habe ich wenig später doch noch gemacht, niemand blieb lange bei der Stange („Wiiieee heißt die Zeitschrift, sagen Sie?“), wie so ziemlich alles andere im Laufe der Zeit auch irgendwann einmal, die Homepage mit HTML-Code-Gefitzel, die Grafik oder die Terminankündigungen etwa. Damals, als es im Netz außer „Konnys Lesbenseiten“ noch nicht viel gab, bedeutete das, sich stundenlang durch Berge von Flyern und Foldern wühlen zu müssen und am Ende nicht viel mehr als das schamanische Schwitzhüttenritual eines Frauenzentrums und den VHS-Beckenbodenkurs zusammenzukriegen.
Bald übernahm ich auch Koordinierende Redaktion, wie die Leitende Redaktion damals noch hieß, bevor wir uns selbst ein paar Leistungslorbeeren zugestanden. Sechzig Stunden für kaum mehr als 600 Euro im Monat arbeitete ich dafür anfangs. Als einzigen Redaktionsrausch habe ich diese Phase in Erinnerung, jahrelang am Leben gehalten von täglich einem Stück Gemüsepizza vom Anker und einem Becher Müllers Milchreis, den vor allem meine Kollegin Saskya Rudigier so liebte. Ketterauchen bei nächtelangen inhaltlichen Diskussionen, die antifeministischen SpötterInnen Munition für Jahre geliefert hätten („Was machen wir nun mit dem Artikel über Nekrophilie als queere Praxis?“), mühevolles kollektives Erarbeiten von grafischen Änderungen (nichts wurde je so emotional diskutiert wie das Layout!) und keine Produktion ohne persönliche oder professionelle Dramen – die Grenzen waren fließend.
Es gab noch kein Webmail (oder womöglich wussten wir auch einfach noch nichts davon?!), weshalb wir oft bis spät nachts auf einen Artikel warteten oder sonntags nur zum Mail-Checken in die Redaktion fahren mussten. Dafür gab es dort einen Schlafsack für die stressige Produktionsphase, die immer bis spätestens freitagabends um 22 Uhr beendet sein musste. Dann schloss die Post am Schwedenplatz, zu der wir die CD mit den Daten für die Druckerei bringen mussten. War das vollbracht, planten wir bei einem Bier ungebrochen euphorisch und energiegeladen das Wochenende, meist verbrachten wir es mit an.schläge-tv-Videoschnitt oder der Vorbereitung für irgendeine an.schläge-Veranstaltung.
Ich möchte diese Zeiten um nichts in der Welt missen. Und bin trotzdem irre froh, dass sie sich geändert haben.
Lea Susemichel ist seit 2006 leitende an.schläge-Redakteurin.
HUNDSTRÜMMERL & STEPPENSALBEI
Gut erinnere ich mich noch an den Tag des Hürdenlaufs. Mit dem 1,60 Meter großen Papp-Schneckerl1 im Arm bin ich durch halb Wien gefahren, er sollte an unserem an.schläge-Frauenlauf teilnehmen. Dieser Hürdenlauf fand zum Frauentag 2006 im Niemandsland zwischen Margaretengürtel und Gaudenzdorfergürtel neben Hundstrümmerl und Steppensalbei statt. Er wurde für an.schläge-tv gefilmt und bei Okto ausgestrahlt. Teilnehmerinnen des exklusiven Parcours gegen die gläserne Decke waren Redakteurinnen, Praktikantinnen, Freundinnen und Bekannte. Eine Horde junger Frauen und eine Hündin, die mit Feuereifer über Hürden springen. Mit im Gepäck allerhand Belastendes wie z. B. Staubsauger, Kinder – oder eben einen Mann (Schneckerl; Anm. Herbert Prohaska (*8. August 1955 in Wien), genannt „Schneckerl“ (wienerisch für seine in der Jugendzeit üppige Lockenpracht), ist ein ehemaliger auch international erfolgreicher österreichischer Fußballspieler). Zudem eine als Zirkusdirektion getarnte Moderatorin, deren Megafondurchsagen durch die Stadtwildnis hallen. Es entstand ein tonmäßig durch und durch übersteuertes filmisches Zeitdokument. Wenn ich an den Aktionismus an diesem grauen Märztag zurückdenke, muss ich immer schmunzeln. Eine Hürde zu überspringen, hat mir noch nie so viel Spaß gemacht.
Besonders lustig war es auch, als wir für unseren an.schläge-tv-Trailer mit einem roten Ball den Kopf vom Goethedenkmal im 1. Bezirk beschossen. Eine TouristInnengruppe schaute interessiert zu und ehe wir uns versahen, schnappten sich einige den Ball und begannen ebenfalls auf Goethes Kopf zu zielen.
Saskya Rudigier war von 2005 bis 2009 leitende Redakteurin und machte bis 2012 an.schläge-tv.
VON MÜTTERN, LESBEN UND MÄNNERN IN RÖCKEN
„Wie wäre es mit einem Artikel über Väterkarenz?“ Dieser Vorschlag von Gabi Ende der 1990er war ein Tabubruch und hat stundenlange Diskussionen in der Redaktionssitzung nach sich gezogen.
Ein Artikel über Männer? Ist das feministisch genug? Aber wir fordern ja Beteiligung an der Kinderbetreuung, warum dann nicht auch darüber berichten? Der Artikel wurde schließlich veröffentlicht und das war gut so. Es ist eines von vielen Beispielen, wie sich im Laufe der Jahre, in der Auseinandersetzung miteinander und mit unseren Lebensrealitäten, die Themenpalette der an.schläge verändert und erweitert hat. Zu Gründungszeiten war der feministische Aktivismus noch großteils lesbisch, Ausläufer der „Können-Heteras-überhaupt-feministisch-sein“-Diskussionen der 1970er-Jahre waren spürbar. Die erste Frau mit Kinderbetreuungspflichten – auch „Mutter“ genannt 😉 – im Redaktionsteam war eine Innovation. Kurze Zeit später wurde Angela als erste Redakteurin schwanger. Das hatte massive Auswirkungen auf die Produktionsbedingungen, denn damals war eine Redaktionssitzung ohne dicken Qualm von Dutzenden Zigaretten undenkbar. Plötzlich herrschte Rauchverbot und die Frauen gingen während der Sitzung einzeln und nacheinander zum offenen Fenster, um hinaus zu qualmen. Wir haben uns auch daran gewöhnt. Die neuen Erfahrungen haben auch die Inhalte der an.schläge verändert: Es gab eine Mutter-Glosse (das legendäre „Heimspiel“) und mehr und mehr Familien-Themen. Die erste Geschichte über Transgender-Personen hat intern wie extern für Diskussionen gesorgt („Das sind doch Männer im Rock!“). Doch auch dieser Skandal war wichtig. Heute wird kein einziges Heft geplant ohne das ehrliche Bemühen, die vielen Perspektiven von Geschlecht und Identität, Mütter, LGBTIQ, People of Color und alles mit Blick auf Intersektionalität und class trouble zu berücksichtigen. Dagegen war der Kampf für die Väterkarenz ein Kinderspiel. Ach ja, und die Redaktionsräume sind selbstverständlich seit Jahren rauchfrei.
Angela Heissenberger/Redakteurin 1995-2002, Verena Fabris/Redakteurin 1999-2006 und Gabi Horak/seit 1998 in der Redaktion
(K)EIN FOTO FÜR MICH
Dass Bildredaktion zwar „total interessant“, aber absolut kein Spaß ist, wusste ich nach der ersten an.schläge-Produktion als Praktikantin. Habt ihr euch auch schon oft darüber geärgert, dass in Zeitungen die Bildauswahl so einfallslos ist? Und wie seltsam manche Meldungen in an.schläge bebildert sind? Die Mainstream-Medien haben eine Bilddatenbank und Zeitdruck, wir haben Flickr, Creative Commons, Sehnenscheidenentzündung vom Weiterklicken und Heulkrämpfe (weil auch Zeitdruck).
Zu schlecht aufgelöst, das ist ein Agenturfoto – keine Chance auf die Rechte, zu fad, schon wieder ein trauriges Demo-Transpi, nicht schon wieder, das sauft beim Schwarz-Weiß-Druck ab, das sieht unprofessionell aus, wie oft habe ich all das in fast zehn Jahren gehört und selbst zu entnervten Praktikantinnen gesagt! Zahlen können wir übrigens auch fast nix.
Und wie beglückend ist es noch heute, wenn man ein wunderschönes Coverfoto ergattert. Zachary Hunt ist eigentlich Hochzeitsfotograf in Austin/Texas und ich würde ihn wegen des coolen Porträts von der Bikerin mit Tina-Turner-Shirt sofort für meine Hochzeit einfliegen lassen. Er hat unser Cover „Feminismus & Fahrradliebe“ (2012) sogar heute noch auf seiner Website!
Grace Kim, eine Überlebende aus der Fotoserie „Live Through This“ von Dese’Rae Stage, die den „Suizid“-Schwerpunkt (2014) bebilderte, schrieb mir nach Monaten ein Mail auf meine Anfrage und berichtete von ihrem* tollen Suizid-Präventionsprojekt, das LGBTQIA-Teenager unterstützt.
Mama und Tochter mit den roten Rollkragenpullis, den dicken Brillen und den Minipli-Dauerwellen für den Schwerpunkt „Mama“ (2016) entdeckten wir auf AwkwardFamilyPhotos.com und ich schickte es den Kolleginnen zuerst nur zum Scherz. Es dauerte einige Zeit, bis ich die Adresse der Tochter herausfand, sie müsste ihre Eltern fragen – der Vater hatte das Foto gemacht und manche Reaktionen wären nicht besonders nett. Ich konnte die Familie schließlich von unserem Magazin überzeugen und wir bekamen das Bild. Eine Leserin kritisierte, wir würden uns damit über Kurzsichtige lustig machen. Ich schwöre auf meine fünf Dioptrien, wir fanden die beiden einfach nur super!
Fiona Sara Schmidt, kam 2009 als Praktikantin und war von 2014 bis 2017 leitende Redakteurin.
„IHR SEID AUF DER LISTE“
Als zur Jahrtausendwende die erste ÖVP/FPÖ-Koalition fixiert wurde, war die Stimmung ziemlich am Tiefpunkt, denn allen war klar, dass diese rechte Koalition auch dem Feminismus nichts Gutes bringen würde.
Als Elisabeth Sickl als FPÖ-Frauenministerin angelobt war – genau genommen war sie Sozialministerin und die Frauen waren mitgemeint –, ging es für viele Frauenvereine ums Überleben. Ein Frauenverein hat es nach viel Überzeugungsarbeit geschafft, einen persönlichen Termin bei der Ministerin zu bekommen. Bei dem Termin sind aber dann viele andere Vereine mit aufmarschiert, denn diese Gelegenheit haben wir uns nicht nehmen lassen, Frau Sickl zu zeigen, wie groß die feministische Szene ist. Sie hat sich zu der mündlichen Zusage hinreißen lassen, dass alle Förderungen wie bisher weiterlaufen. Die Sektionschefin im Hintergrund wurde ganz blass.
In den nächsten Jahren wurde es aber immer grauslicher. Sickl wurde bald abgelöst und unter „Frauenminister“ Herbert Haupt haben u. a. die an.schläge keine Förderungen mehr erhalten. Und dann kam der Untersuchungsausschuss. Das parlamentarische Kontrollinstrument wurde von Schwarz-Blau zur Waffe gegen kritische, linke Stimmen. Offiziell sollte die Vergabepraxis des ehemaligen SPÖ-Sozialministeriums an über 200 Vereine, darunter vierzig Frauenvereine, geprüft werden. Die Angst ging um, erste Erzählungen aus den stundenlangen Befragungen machten klar, dass es hier um Einschüchterung und persönliche Erniedrigung ging. „Ihr seid auf der Liste, bereitet euch vor“, wurde geflüstert. Erste Termine im Frühjahr 2002 zeigten, wie absurd die Anschuldigungen waren: Nur Frauen in der Redaktion, verstößt das nicht gegen das Gleichbehandlungsgesetz? In den Vereinsstatuten steht, dass feministische und lesbische Uotpien verfolgt werden – das klingt aber gefährlich … Die Befragungen sollten im Herbst weitergehen, aber vorher platzte die Koalition.
Aber wie oft in Krisenzeiten: Gerade wenn die Luft dünner wird, wächst auch der feministische Widerstand. Zu den vielen Initiativen dieser Zeit zählte die Erstellung des feministischen Regierungsprogramms und der Verband feministischer Medien, den wir gemeinsam mit anderen Medien gegründet haben. Es gibt ihn mittlerweile nicht mehr, aber eine Zeit lang waren dieser Zusammenhalt und das „Wir sind nicht allein“-Gefühl sehr wichtig – überlebenswichtig.
Angela Heissenberger/Redakteurin 1995-2002, Verena Fabris/Redakteurin 1999-2006 und Gabi Horak/seit 1998 in der Redaktion
DIE 80ER IM FRAUENTURM
Ich bin 1984 zu an.schläge gekommen, da waren gerade mal die ersten zwei Hefte draußen. Die Redaktion war im Frauenturm im WUK. Wir waren eine lustige und produktive Gruppe. Ich habe damals bei der Justiz als Sozialarbeiterin gearbeitet, wollte aber ausschließlich für die an.schläge arbeiten. Es gab damals eine Förderschiene des AMS, die Aktion 8.000, und es war alles beschlossene Sache – auch mit der damaligen Frauenministerin Johanna Dohnal. Ich habe meinen Job bei der Justiz gekündigt und dann gab es plötzlich doch kein Geld mehr für die Aktion 8.000. Ich bin trotzdem bei an.schläge geblieben.
Damals waren wir monatlich bei Johanna Dohnal, es gab engen Kontakt zum Frauenministerium. Ich war sogar mit einer zweiten Frau bei der Sozial-Enquete gegen Sozialabbau dabei. Wir haben eine Rede vor der versammelten Regierung gehalten – das war aufregend. Marlies Flemming war damals ÖVP-Familienministerin und sie stand nach unserer Rede auf, kam zum Mikrofon und rief: „Ihr Männer wisst immer noch nicht, was wir Frauen wollen und brauchen“ – oder so ähnlich. Sie hat uns dann ins Ministerium zum Reden eingeladen. Danach bekamen wir auch vom Familienministerium Geld.
Es war eine andere Zeit. Ich kann mich gut daran erinnern, als wir ein Telefon bekommen haben – welche Aufregung und Erleichterung das war! Und dann kam unser erster Computer – eine Sensation. Und die Diskussionen im Frauenplenum, etwa weil es damals nur einen männlichen Telefontechniker gab – und es durfte ja kein Mann in den Frauenturm.
Lore Dullnigg/Redakteurin 1984-1989
„SUPER!“
Arbeiten in der Nacht und am Wochenende – im Job als leitende Redakteurin leider keine Seltenheit. Manchmal saß ich sogar aus freien Stücken feiertags im an.schläge-Büro, um der Hektik des üblichen Tagesgeschäfts zu entkommen. Das Gute daran: Man lernte jene Menschen kennen, mit denen man denselben Arbeitsort teilt, die man aber während der „Normalarbeitszeiten“ nur selten zu sehen kriegt. Wie zum Beispiel die Reinigungsfrau.
Als ich wieder mal einen Sonntag hinter dem Redaktionscomputer verbrachte, steckte eine ältere weiße Frau verwundert den Kopf durch die Tür. „Arbeitest du hier?“, fragte sie mit starkem osteuropäischen Akzent. Ich wackelte mit dem Kopf. „Was machst du?“, legte sie neugierig nach. „Ich bin Redakteurin bei der Zeitschrift.“ Sie nickte anerkennend: „Super!“ Dann mussten wir beide lachen.
Obwohl wir aus unterschiedlichen Generationen und Klassenhintergründen kamen, teilten sie und ich ein Wissen: dass es für „Migrantinnen“ in Österreich nicht selbstverständlich ist, Medien mitzugestalten und als Medienmacherinnen aufzutreten. Mit einer kleinen Geste zeigte mir diese Frau eine Form der Anerkennung und Solidarität, die ich im Redaktionsalltag leider oft vermisst habe: Ich war die erste – und bin bis heute die einzige – Person of Color, die als verantwortende Redakteurin bei an.schläge dabei war. Hoffentlich nicht die letzte!
Vina Yun war (mit Unterbrechungen) von 2009 bis 2013 leitende Redakteurin.
WIENER HERZLICHKEIT
Als ich 2013 bei an.schläge als dritte bezahlte Redakteurin im Bunde startete, wurde das Do-it-yourself-Prinzip noch in vielerlei Hinsicht hochgehalten. Sämtliche Redakteurinnen und einige Freiwillige schnürten regelmäßig die frisch gedruckten an.schläge-Ausgaben zu Paketen und klebten Hunderte Adresssticker auf die Rückseiten. Die anschließend herbeigerufenen Taxifahrer standen meist mit offenem Mund vor dem Berg Zeitschriften, den wir zu zweit im Laufschritt ins Auto hievten, bevor der Fahrer wieder die Flucht ergreifen konnte (ein ordentliches Trinkgeld war natürlich vorgesehen!). Fünf Jahre später haben wir glücklicherweise so viele Abonnent_innen, dass ein Auto für die Lieferung zu klein wäre, geblieben ist die Post des Grauens, die wir nun gemeinsam mit dem Fahrer der Druckerei (im Kleinlaster!) ansteuern. Was Wiener Herzlichkeit bedeutet, lernten meine wechselnden deutschen Kolleginnen stets in dieser Filiale kennen. „Na servas, de scho wieda“, schallte es einem dort entgegen, die endlosen Diskussionen darüber, ob der Kalender nun als Eigenbeilage abgerechnet werden darf oder nicht und ob jedes Heft wirklich exakt gleich schwer ist, haben redaktionsintern mittlerweile Kultstatus. Auch mit willkürlichen Regeländerungen halten uns die Mitarbeiter_innen gerne auf Trab: Mal muss die Auslandslieferung auf den Wagen im Hof, mal darf sie das auf keinen Fall. Immerhin: Die gemeinsamen Posterlebnisse schweißen zusammen. Für meine ehemalige Kollegin und mich war der freitägliche Versandhorror eine willkommene Gelegenheit für Cappuccino und Croissant im schicken Café nebenan, die schaurig-lustigen Geschichten erzählen wir uns heute noch. Den Post-Job habe ich mittlerweile (mit schlechtem Gewissen) an meine neue Kollegin übergeben – die den Wiener Postler_innen bereits das Fürchten lehrt.
Brigitte Theißl ist seit 2013 angestellte an.schläge-Redakteurin.