Die Dinge selbst in die Hand nehmen? Für SONJA EISMANN und CHRIS KÖVER keine Frage. Ihre neue DIY-Zielgruppe: Mädchen. BETTINA ENZENHOFER hat die Anleitung zur Rezension gleich mal ausprobiert.
Da will man ja sofort selbst loslegen! Die Frage ist nur noch: Will ich beatboxen lernen? Die Fahrradkette ölen? Oder doch lieber eine Rezension schreiben? Egal wie die Entscheidung ausfällt: Von wem lernt man diese Dinge lieber als von Sonja Eismann und Chris Köver, den Herausgeberinnen des „Missy Magazine“? Denn Selbermachen heißt für die beiden: Es gibt ein gutes Gefühl und somit auch Selbstbewusstsein. Man kann selbst bestimmen, was genau passieren soll. Man kennt die Produktionsbedingungen. Und außerdem macht es unabhängig: „Denn um eure eigene Meinung zu veröffentlichen, eine Radiosendung, eine Platte oder einen Comic rauszubringen, seid ihr nicht darauf angewiesen, dass andere Leute (große Verlage, Radiosender, Plattenfirmen …) eure Sachen für wichtig halten. Ihr macht einfach, was ihr gut findet. Ha!“
So geht das! Dann also eine Rezension schreiben: Die besteht aus Einstieg, Hauptteil und Schluss – und aus einer eigenen Bewertung, ist hier zu lernen. Und obwohl es sinnvoll scheint, erst die Inhaltsangabe und danach die Bewertung abzugeben, müsse der Aufbau nicht zwingend diesem Schema folgen. Hauptsache die Leser_innen werden gut informiert, der Text ist nicht langweilig und die Argumentation nachvollziehbar. Das ganze kann man alleine machen, es kostet nichts und dauert „ein paar Stunden bis einige Monate“. Na dann? Klingt bewältigbar. „Mach’s selbst. Do it Yourself für Mädchen“ richtet sich an 14- bis 16-jährige Mädchen und besteht aus hundertfünfzig bunten Seiten. Denn auch die dritte „Missy“-Herausgeberin Daniela Burger ist mit dabei und diesmal für die Illustrationen und das Layout verantwortlich.
Natürlich wird hier durchgehend die weibliche Anrede verwendet – obwohl sich die Burschen, wie die Herausgeberinnen klar machen, gerne mitgemeint fühlen dürfen, denn „do it yourself ist für alle“. Wem das alles jetzt noch nicht feministisch genug ist, der_die wird spätestens bei den einzelnen, insgesamt 47 DIY-Anleitungen fündig: Neben Klassikern aus dem Crafting-, Musik- oder Handwerksbereich (Wie bohre ich ein Loch? Wie funktioniert DJing? Wie kann ich mir aus einer alten Bluse eine Tasche nähen?) ist nämlich v.a. das Kapitel „Reagieren + Analysieren“ lehrreich. Hier finden sich z.B. Anregungen zum schlagfertig Kontern und dazu, was man gegen Mobbing tun kann. Die Antirassismustrainerin ManuEla Ritz zeigt einen ersten wesentlichen Schritt im Kampf gegen Rassismus – sich nämlich der eigenen Positionierung und den eigenen Erfahrungen bewusst zu werden. Und auch der vierte Punkt dieses Kapitels – „öffentlich sprechen“ – bringt Ideen, wie man bestimmte Situationen besser bewältigen kann. Expertinnen kommen auch an anderen Stellen zu Wort: Die Musikerin Bernadette La Hengst etwa, Bloggerin Annina Luzie Schmid oder Poetry-Slammerin Elisabeth R. Hager. Besonders toll: Comic-Autorin Jule Kruschke zeichnet einen Comic darüber, wie man einen Comicstrip zeichnet. Und das war noch längst nicht alles! Guerilla-Gardening, das eigene WLAN absichern (was war noch mal die „MAC- Adresse“?), die Privatsphäre im Netz schützen, eine Stereoanlage verkabeln undundund – da gibt’s genug zu lernen, nicht nur für Jugendliche. Gedämpft wird die Euphorie über dieses DIY-Buch einzig durch die Anleitung zum „sozialen Engagement“: „Denn für viele Dinge, die gesellschaftlich wichtig sind, ist zu wenig Geld da“. Deshalb sei es wichtig, ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen, steht hier kritiklos. In einer Arbeitswelt, in der Frauen aber ohnehin überproportional oft unbezahlt arbeiten, ist das wahrlich kein notwendiger Hinweis, und der Zielgruppe des Buches wäre stattdessen wohl eher mit einer Anleitung für Lohnverhandlungen geholfen.
Fertig! Nach einigen Stunden des Schreibens sind nun Einstieg, Hauptteil und eigene Bewertung abgehakt, übrig bleibt der schwierige Schluss – er sollte „deine Leserinnen mit etwas Spannendem zum Weiterdenken entlassen“. Nicht nur weiterdenken, liebe Leser_innen. Weitermachen!
Sonja Eismann, Chris Köver: Mach’s selbst. Do it Yourself für Mädchen.
Beltz & Gelberg 2012, 17,50 Euro