In ihrem neuen Buch „Cyberneider“ widmet sich NATASCHA KAMPUSCH dem Hass im Netz. BARBARA FOHRINGER und KATHARINA PAYK haben sie zum Gespräch getroffen.
an.schläge: Wie kamst du auf den Titel „Cyberneider“?
Natascha Kampusch: Der Begriff Cybermobbing ist bekannt. Ich verwende Cyberneider, weil ich oft Neid von anderen erfahre, etwa weil ich die Kontrolle im Umgang mit Medien behalten habe.
„Der Standard“ hat dich als eines der ersten Opfer von Hass im Netz bezeichnet.
Ja, das waren vor allem Kommentare unter den Online-Artikeln und in Foren. Es gab eigene Foren, die sich Verschwörungstheorien widmeten, auch Politiker_innen haben gegen mich gehetzt. Viel Hass gegen mich kommt von rechts, etwa von den Identitären. Ich habe von Anfang an deren Bild einer Frau entsprochen, aber gleichzeitig – etwa von meinem Charakter oder Verhalten her – dem auch widersprochen. Das kriegen sie dann nicht auf die Reihe, sie werden gemein.
Was sind deine Strategien im Umgang mit Hass im Netz?
Nicht zu viel davon lesen, nicht zu viel davon ernst nehmen. Je mehr ich mein eigenes Leben unabhängig von der Gefangenschaft leben konnte, desto weniger Angriffsfläche hatten die Hetzer_innen.
Inhalte und Sprache in „Cyberneider“ sind gut zugänglich. Hast du das Buch für eine bestimmte Zielgruppe geschrieben?
Es sollte neben jungen Leser_innen, die vielleicht von Cybermobbing betroffen sind, vor allem die Generation der Eltern und Großeltern ansprechen. Mein Anliegen ist es, dass Großeltern, die oft die jüngeren Generationen miterziehen, über neue interaktive Medien Bescheid wissen.
Welche Rolle spielt Sexismus in Bezug auf Cybermobbing?
Ich erlebe zwei Ausdrucksformen von Sexismus: eklige machistische Übergriffigkeiten, schwere Beleidigungen, und andererseits die Diskriminierung als Frau in der Gesellschaft allgemein. Wie Greta Thunberg heute wurde auch mir damals vorgeworfen, so kühl zu reagieren. Bei mir war es aufgrund der Isolation, bei ihr ist es aufgrund des Asperger-Syndroms. Ich war damals 19. Bei einem jungen Mann hätte niemand so reagiert. Es hätte niemand gesagt, er werde von anderen beeinflusst. Wenn Frauen distanziert oder selbstbewusst sind, muss da gleich etwas dahinterstecken. Das Kommentieren des Aussehens von Frauen ist ebenso übergriffig: Über Greta wird oft gesagt, sie solle sich hübscher anziehen, lächeln, lieb sein. Das ist täglicher Sexismus.
Dir ist eine intersektionale Perspektive wichtig. Du zeigst auf, dass Hass im Netz gerade LGBTI, von Rassismus betroffenen Menschen und Frauen entgegenschlägt.
Ja, manche Menschen verlagern ihre Niedertracht ins Internet. So auf die Art: Im echten Leben dürfen wir jetzt nichts mehr sagen, aber im Internet können wir uns anonym auslassen.
Zum Thema Pornografie hast du dich sehr explizit dagegen positionierst. Du sagst, dies sei nicht mit deiner feministischen Grundhaltung vereinbar. Sprichst du damit nicht Frauen aus der Porno-Branche die Selbstbestimmung ab?
Ich bin gegen das, was es aktuell gibt: nämlich dass Männer verzerrte Bilder an junge Leute weitergeben. Ich glaube nicht, dass es normal ist, dass Frauen immer sofort wollen und sexy angezogen sind oder sein müssen. So radikal wie Alice Schwarzer bin ich auf keinen Fall.
Du kritisierst in deinem Buch auch die Inszenierungen weiblicher Influencer.
Ja, aber nicht im Sinne von Neid. Es tut mir ein bisschen weh, wenn es der einzige Lebenszweck sein soll, Make-up auszuprobieren, herumzureisen und in einer weiß gestrichenen Wohnung vorm Schminkspiegel zu sitzen. Aber es ist nicht nur schlecht. Denn in vielen Fällen ist so ein Video auch mutig, wenn man bedenkt, dass es Länder gibt, in denen Frauen dafür angegriffen werden.
In „Cyberneider“ empfiehlt Natascha Kampusch die an.schläge als feministische Lektüre.
Natascha Kampusch: Cyberneider. Diskriminierung im Internet
Dachbuch 2019, 18,73 Euro