Die Grand-Dames der Riot Grrrls grüßen vom Pop-Olymp, etablierte Grrrls werden komisch, und D.I.Y.-Grrrls üben musikalische Solidarität von unten. Von KENDRA ECKHORST
Ob sie ein perfekter Star sei, fragt sich Beth Ditto mit zurückgenommener Stimmpräsenz auf der Single „A Perfect World“. Nicht schüchtern oder leise, eher nachdenklich schraubt sie ihre starke Stimme in die Höhe, die hier nicht die schmeichelnde Brachialität des Hits „Heavy Cross“ erreichen will. Vor kurzem fand A Joyful Noise (Columbia/Sony Music), das lang ersehnte neue Album von Gossip, seinen Weg in die Welt und beackert in gewohnt poppiger Manier nicht nur das aktuelle politische Geschehen (wie in den Songs „Casualities Of War“ oder „Get A Job“). Vielmehr wird der kometenhafte Aufstieg zu König_innen des Popgeschäfts und „Jedermanns“ Lieblinge in mitreißenden Beats, melodischen Basslinien und mit klaren Stimmsaltos verarbeitet. Doch keine Angst – mit ihrer mittlerweile fünften Platte vertont das Trio keine deprimierte Abrechnung, sondern spielt eingängige, extrem tanzbare Songs, die die Hüften wackeln lassen und dennoch eigene Worte für seine perfekte Welt finden.
Kleinstädte sind bekanntermaßen Ansammlungen merkwürdig zusammengewürfelter Alsob-Architekturen, die sich urban geben wollen und doch nur funktionale Langeweile produzieren. Und dennoch reizt dieses Bild viele Künstler_innen. So auch Regina Spektor, die, als Alleinunterhalterin mit Klavier, den Mond über der Kleinstadt besingt. Von der russischen Metropole Moskau in die noch sagenumwobenere Metropole New York gewandert, erzählt sie auf ihrem jüngsten Album What We See From The Cheap Seats (Sire Records) nicht von der langweiligen Jugend, die das Improvisationstalent herausfordert, sondern von den kleinen Dingen und Blicken fernab des großen Rauschens. Ihre Songs muten süß an, die Stimme vibriert in den Spitzen und lässt ein Leiden erahnen. Kurz vor dem Abdriften in die heulsusigen Frequenzlagen nehmen die Songs an Schärfe und Geschwindigkeit zu, elektronische Beats begleiten das handfeste Klavierspiel und ihre Stimme holt uns wieder aus dem Tal des Jammerns und der Bedeutungslosigkeit. Der Mondschein-Blues ist verbannt.
Bereits Ende Februar brachte die queerfeministische Band Men eine gleichnamige EP (Iamsoundrecords) mit drei Stücken raus. Die hauen rein ins Ohr, mal mit tiefdröhnenden Bass-Intermezzos à la Subwoofer-Hupe oder schönen geraden Soundflächen. Das war zu erwarten. Irritierend an ihrem neuen Auftritt ist hingegen, dass der Bandname erweitert wurde. Und zwar um JD Samson & Men beziehungsweise Men featuring JD Samson. Dass die Band mit wechselnden Musiker_innen arbeitet und spielt ist nicht neu, auch nicht die Tatsache, dass JD Samson selbstredend die Initiator_in der Band ist. Warum eine Band, die sich als kollektives Performance-Projekt versteht und musikalisch politische Arschtritte austeilt, nun diese Trennung im künstlerischen Schaffen einführt, darüber lässt sich zurzeit nur spekulieren.
Solidarisch kommt die Riot Grrrl Compilation (riotgrrrlberlin.tumblr.com) Nummer drei daher, die diesmal der inhaftierten Moskauer Band Pussy Riot gewidmet ist. Seit März sitzen drei Mitglieder wegen „Hooliganismus“ (heißt: Auftritt auf einem Kirchendach nebst Anti-Putin-Song) im Knast und warten auf ihre Anhörung. Die Plattform RiotGrrrl Berlin sammelt, archiviert und editiert auf ihren Samplern eine Vielzahl von Riot-Grrrl-Bands – von HipHop bis Punkrock – und verschreibt sich dem Do-it-Yourself-Gedanken. Auf der neuen Compilation gibt es eine Menge fantastischer Bands zu entdecken, wie etwa das HipHop-Trio Abstract Random aus Toronto, die mit ihrem rappenden Elektro „bring back cool feminist political“ auf die Bühne bringen wollen. Und das gelingt ihnen mit Bravour: unaufgeregte Stimmen, vielfach im Chor arrangiert, basslastige Beats, die auf allzu stampfenden Rhythmus verzichten und dennoch straight in den Kopfwackel-Reflex gehen.
Links
www.gossipyouth.com
www.reginaspektor.com
www.menmakemusic.com
http://riotgrrrlberlin.tumblr.com
www.abstractrandom3.com