Back to 1983: Madonna, Eurythmics und Silly veröffentlichten im Geburtsjahr der an.schläge einflussreiche Alben. Von SOOKEE
Als Madonna 1983 das erste ihrer inzwischen zwölf Studioalben veröffentlichte, war noch nicht abzusehen, dass sie eines Tages eine der meistdiskutierten Pop-Ikonen der Welt sein würde. Seit dreißig Jahren beobachtet und kommentiert die mediale Öffentlichkeit eine Frau, die hochgradig verehrt und deren Tun kontrovers ausinterpretiert wird. Da sie als Künstlerin gilt, die immer wieder versucht, einer popkulturellen Übersättigung zu entgehen, gibt es auch immer wieder Neues zu bestaunen und zu belächeln. Wir kennen Madonna als Vertreterin sexueller Selbstbestimmtheit, die sich lieber verbieten als verbiegen lässt, und als smarte Geschäftsfrau, der es immer um Selbstverwirklichung ging; aber auch als neurotische Esoterikerin, als weiße Allmachtsfantastikerin, und als eine, die panische Angst vorm Altern hat. Auf ihrem disco- und funklastigen Debütalbum Madonna (Sire/Warner Music Group) ist der erste Track bezeichnenderweise eine Metapher für ihre Zukunftsorientierung: „Lucky Star“ lässt sich als Wunsch nach Erfolg am Bruch zwischen ihrer christlich geprägten Vergangenheit und ihrer hoffnungsvollen Aussicht, selbst am Pop-Firmament als Venus zu leuchten, lesen. Die restlichen Songs, so scheint es, berichten entweder von ambivalenten, anstrengenden Beziehungen („Borderline“, „Burning Up“, „Think of Me“) und vom Triumph, daraus gestärkt hervorzugehen („I Know It“), oder von der hedonistischen Regeneration, die man auf Partys oder in Affären findet, wenn Beziehungen und Alltagsdruck zu groß werden („Holiday“, „Everybody“, „Physical Attraction“). 1983 war bei Madonna also alles noch wie im richtigen Leben.
Mit Sweet Dreams (Are Made of This) (RCA/Sony BMG) gelang dem britischen Duo Eurythmics 1983 der kommerzielle Durchbruch. Annie Lennox’ Stimme ertönt feingliedrig und kraftvoll, der mehrstimmige Gesang ist auf diesem Album sehr präzise ausproduziert. Thematisch geht es um das zuweilen schon gruselig überwältigende Potenzial der Liebe („Love Is A Stranger“) und um das Zulassen von Nähe und Zuneigung („I Could Give You A Mirror“). Aber auch die Liebe zu sich selbst und Lebensbejahung durchziehen das Album, wie auf dem dutzendfach gecoverten Welt-Hit „Sweet Dreams (Are Made of This)“. Die Arbeit am Textblatt fällt auf dieser Veröffentlichung sehr lyrisch, imaginationsreich, zuweilen kryptisch aus („This Is the House“, „Jennifer“) und zeigt die kreative Reichweite von Annie Lennox, die mit ihren widerständigen Gender-Inszenierungen sicherlich Wegbereiterin für androgyne Weiblichkeiten in der Popkultur war.
Hinter dem antiimperialistischen Schutzwall regte sich 1983 eine weibliche Stimme, die mit einer ganz anderen Form von Widerstand versuchte, sich treu zu bleiben. Tamara Danz, die früh verstorbene Frontfrau der ansonsten männlich besetzten Rockband Silly, war fortwährend damit beschäftigt, mit ihrer Kunst an den kulturpolitischen Behörden des Realsozialismus vorbeizuarbeiten. Das Album Mont Klamott (Amiga/Sony BMG) chartete in der DDR und wurde zur Platte des Jahres gekürt, dennoch waren die emanzipatorischen und freiheitsliebenden Texte (wie in „Wilde Mathilde“), die sich einen Dreck um gesellschaftlichen Anstand im Arbeiter- und Bauernstaat scherten, der SED-Partei ein Dorn im Auge. Auch zu artikulieren, dass da Sehnsucht nach sich selbst und Kompromisslosigkeit („Raus aus der Spur“, „In den Abendstunden“) ist, war sicher nicht Teil der kulturellen Agenda einer Gesellschaft, in der das Funktionieren der sozialistischen Persönlichkeit im Vordergrund stand. Der Titelsong „Mont Klamott“ bietet Lesarten an, die das Unter-den-Teppich-Kehren der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands kritisch betrachten. Der Mont Klamott ist ein Hügel in Berlin-Friedrichshain, in dessen Inneren sich die Trümmerreste von Flaktürmen befinden. Bis heute wird der Umgang mit deutscher NS-Geschichte vielfach überdeckt und begrünt – wie der Mont Klamott, auf dem im Song die Jugend wochenends sitzt und auf die Stadt blickt.
Links:
www.madonna.com
http://eurythmics.com
http://silly.de