Musikerinnen aus Großbritannien, den USA und Kartoffelland liefern feinstes Free-Download-Rap-Material. Von SOOKEE
Die Hamburgerin TemmyTon ist, was in der Szene als HipHop-Head bezeichnet wird: Eine, deren Herz für diese Subkultur schlägt, und die Leidenschaft ist so groß, dass es sich anfühlt, als würde sich daran nie wieder etwas ändern. Keine besonders moderne Haltung in der Rap-Szene, aber eine, die die Nummer eins im HipHop-Wertekatalog im Rücken hat: Realness. TemmyTon rappt mit souveränen Flows und einer Stimme, der sicherlich nicht so leicht nachgesagt wird, sie klinge wie eine der anderen drei bis acht Rapperinnen*, die man im deutschsprachigen Raum nennen kann. Sie berichtet davon, wie das so ist im Leben mit dem Erfahrungen-Sammeln, Scheitern, An-sich-glauben, und Weitermachen. Alle, die noch gerne davon berichten, dass Rap ein kreativer Kanal ist, auf dem mensch sich Ausdruck verleihen kann, werden mit geschlossenen Augen zustimmend nicken. Die Nachvollziehbarkeit ist groß, an manchen Stellen wird es der Hörerin allerdings zu einfach gemacht beim Mitdenken. Wenn TemmyTon in dieser albumförmigen Liebeserklärung an HipHop rappt „Du befriedigst mich wie Onanie“, dann lässt sich das als Ausdruck ihrer Unabhängigkeit begreifen. Es gibt bei ihr kein Jungs-Team, was sie dazu bewegt, an den gängigen Koolness-Standards anzuknüpfen und sich an möglichst zahlreiche Trends zu assimilieren, damit der Erfolg vermeintlich gesichert ist. Alles wirkt ein bisschen oldschool, und genau eben so gewollt. TemmyTons Free-Download-Album Momo klingt, als hätte sie ein Album gemacht, wie sie es sich zu hören wünscht.
Lady Leshurr enterte bei ihrem ersten Deutschland-Konzert mit folgendem Satz die Stage: „Some people say I am the female Busta Rhymes!“ Eine Art Ankündigung ihres naturgewaltartigen Flow-Talents. Mit diesem Statement zeigt sich aber auch, dass sie sich nicht von männlichen Maßstäben löst, obwohl ihr sagenhafter Output einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Diese junge Britin hat dermaßen Feuer unter dem Arsch, dass mir beim Konzert immer mal wieder vor Begeisterung schwindelig wurde. Obwohl ich es eigentlich besser wissen sollte, kann ich mir die Präzision ihrer abgefahrenen Flowgeschwindigkeit nur darüber erklären, dass sie heimlich Kiemenatmung praktiziert. Ihr aktuelles Mixtape L Yeah, das wie vier weitere Veröffentlichungen kostenlos auf ihrer Homepage zum Download zur Verfügung steht, ist thematisch nicht spezifisch – muss es auch nicht, denn ihr Thema sind Reimvirtuosität, Flows, Intonierungen und stimmliche Experimente. Eine nennenswerte Ausnahme bilden die Tracks „I will“ und „Depression“. Zwei Songs, die von der Unabhängigkeit im Musikbusiness und der Schwierigkeit im Umgang mit Fame, Karriere und dem Wiederfinden der eigenen Person darin handelt. Beide Tracks zeigen, wie stark dieser Pfad für Frauen* im HipHop noch ausgetrampelt werden muss, damit die Anstrengung, darauf zu spazieren, nicht mehr so groß ist.
New York City gilt als die Geburtsstätte des HipHop. Ständig gebiert dieser Großstadtmythos neue Artists – aktuell dürfen wir uns über Angel Hazes Debüt Reservation freuen. Ein Album, das eigentlich alles kann, was von einer Veröffentlichung erwartet wird, wenn der dahinterstehenden Musikerin* großflächiger Erfolg zu wünschen ist. Es ist arschtrittig tanzbar („Werkin Girls“, „Drop It“), erfreulich klug („Smile n Hearts“) und angemessen großschnäuzig („Realest“). Die Tracks wirken selbsttherapeutisch ehrlich („Castle on a Cloud“, „Sufferings First“), sind angenehm Hipster-kompatibel („Jungle Fever“), liefern jede Menge anrührendes Identifikationspotenzial („It’s me“) und berühren romantische Seiten auf die schöne Art („Hot Like Fire“). Mit „Gypsie Letters“ findet sich dann auch der von mir diesen Sommer nicht grundlos am meisten gehörte Song auf genau jenem Album. Das Besondere an „Reservation“ ist in meinen Ohren das Recording und Mixing der Stimme. Es gibt immer wieder Parts, in denen das Atmen und Seufzen Teil der Aussage zu sein scheint. Definitiv gelungen.
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1 Kommentar zu „an.klang: „Do You Love Your Life? We say L Yeah!““
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