Die Malerin und Grafikerin FLORENTINA PAKOSTA analysiert Männermacht in der Kunstwelt. SU-RAN SICHLING über Satire, Serie und Abstraktion im Werk der feministischen Künstlerin.
Ihre riesigen Zeichnungen erscheinen wie eine Vorwegnahme computergenerierter Bilder: Bereits in den 1970er-Jahren untersuchte die 1933 geborene Florentina Pakosta mit der Zeichenserie „Gesichtsbildungen“ anhand ihres Spiegelbildes unterschiedliche Gemütszustände, als Vorbild dienten ihr Franz Xaver Messerschmidts Charakterköpfe aus dem 18. Jahrhundert. Die Zeichenserie zeigt sie selbst formatfüllend, kahlköpfig und androgyn und ist in starken Schwarz-Weiß-Kontrasten gehalten.
„Ich habe mir das Gestische regelrecht abgewöhnt“, sagt sie über ihren Stil, der dem Expressiv-Gestischen entsagt und so ihrer analytischen Perspektive entspricht.
Männerköpfe. Schon in den 1950er-Jahren interessiert Florentina Pakosta der Ausdruck und die Körpersprache von Menschen und damit die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Zustände, die auf das Individuum einwirken und sich in Verhaltensweisen, Gestik und Mimik abzeichnen. Machtverhältnisse werden zu ihrem künstlerischen Thema. Vermehrt geraten die Rolle der Frau und die Ungleichheit der Geschlechter in den Fokus ihrer Arbeit. Schon während ihrer Studienzeit an der Akademie der bildenden Künste Wien beginnt sie sich als einzige Frau in einer Malereiklasse zu sensibilisieren: „Die Kunst, die wir kennen, entstand aus einer Männergesellschaft, in der Frauen nur selten, und das erst seit Kurzem, beitreten durften. Sie ist einseitig geprägt, geistig inzestuös und befangen“, sagt Pakosta im an.schläge-Gespräch. Diese strukturell männlich geprägte Welt, die für die Künstlerin allgegenwärtig ist, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Werk. Es entstehen satirisch überzeichnete männliche Köpfe, die mit Objekten verwachsen sind. Wie mittelalterliche Heilige tragen die Männer ihr Attribut auf dem Kopf mit sich herum: Ein Mann trägt sein Auto wie einen Hut, einem anderen wächst ein Revolver aus der Stirn und das Werk „WC-Muschel mit Leisespüler“ zeigt einen Hybrid aus Kloschüssel und Kopf.
Masken & Posen. Die patriarchal geprägte Kunstwelt nimmt Pakosta mit der monumentalen Zeichenserie „Zeitgenossen“ in den Blick. Sie porträtiert Künstlerkollegen wie Alfred Hrdlicka und Mäzenaten, um sich ein Bild von den Gesichtern der Macht zu machen. Feministinnen kritisierten sie dafür, dem „Feindbild“ Mann auch noch ein zeichnerisches Ehrenmal zu setzen, war es doch die damalige feministische Praxis, stattdessen den eigenen Körper als Medium zu verwenden. Den Mann aus weiblicher Sicht einer Analyse zu unterziehen, war ungewöhnlich. Wichtig war Pakosta, die Porträts als Serie zu konzipieren, um eine Vergleichbarkeit herzustellen: „Da sieht man erst diese Ähnlichkeit – wie sie alle gleich dreinschauen.“ Zuerst hatte Pakosta vor, die Serie nur für sich selbst in kleinem Format zu zeichnen, „um etwas loszuwerden“, und auch das große Format war zuerst nicht vorgesehen. Doch, so Pakosta: „Wenn man etwas sagt, dann muss man schreien – und wie schreit man in der bildenden Kunst? Man schreit mit der Größe oder mit den Farben.“ In der letzten Zeichnung der Serie gesellt sich die Künstlerin selbst zu der Männergruppe – sie lacht als Einzige.
Netzwerke. Der Analyse des Einzelnen folgen in den 1980er-Jahren Untersuchungen von Massenphänomenen und Netzwerken der Macht – auch hier sind es vorwiegend serielle Zeichnungen von Männergruppen, wie etwa „Die Blinden“ oder „Sich formierende Männergesellschaft“. 1989 folgt dann der gesellschaftliche, politisch tiefgreifende Umbruch in Europa, auf den die Künstlerin mit Farben und Formen reagiert, die sich mit ihrem neuen Daseinsgefühl decken. Es ist die Reaktion einer politischen Künstlerin, die ihr Schaffen als unmittelbare Auseinandersetzung mit der sie umgebenden Welt begreift.
Pakosta beginnt geometrisch-abstrakte Balkenbilder in jeweils drei Farben zu malen. „Die abstrakten Bilder lassen mehr Emotionalität zu“, sagt die Künstlerin. „Jedoch ist es entgegen der allgemeinen Auffassung nicht so, dass mir diese Bilder mehr Freiheit als meine Zeichnungen geben. In meinen Zeichnungen kann ich mich wesentlich präziser ausdrücken. Deshalb schreibe ich, seitdem ich mit meinen trikoloren Bildern begonnen habe, denn etwas fehlt mir. Und ich zeichne immer noch jeden Tag. Das kann man mir nicht nehmen.“
Florentina Pakosta
Retrospektive 30.5.–26.8. in der Wiener Albertina
www.albertina.at